Brandenburg

Zeitgenössische Ausstellungen in brandenburgischen Schlössern

Rund um Berlin gibt es spannende Ausstellungen im Schloss, die Pop zu Barock stellen. Und keine Sorge, hier muss niemand in Plastiküberziehern übers Parkett schleichen. Die Pracht ist schon etwas runtergerockt

Schloss Sacrow, Foto: Peer Oliver Nau

Der Sommer, diese Aneinanderreihung lichtdurchfluteter Tage und schwül-heißer Nächte, ist auch immer Ausflugszeit – zu einem See, einem Schloss oder einfach irgendwo hinein in die Weite der brandenburgischen Provinz. Da wundert es nicht, sondern ist sozusagen schon eine liebgewonnene Tradition, dass dort in manchen Schlössern im Sommer Kunst geboten wird. Nicht die barocke Herrlichkeit oder die Überziehpantoffel-übers-Parkett-schleiche-Kunst, sondern frische, aktuelle, zeitgenössische und – manchmal – bissige Kunst.

Auch in diesem Jahr gibt es für Kunstfreunde in der näheren Umgebung Berlins so einiges zu entdecken (auch wenn „Rohkunstbau“ leider in diesem Jahr ausfällt). Fangen wir mal mit Caputh an, diesem kleinen Städtchen ganz in der Nähe von Potsdam mit dem Templiner See auf der einen Seite, dem Schwielower See auf der anderen und dem Caputher See im Rücken. Bekannt ist Caputh mit seinem wirklich zauberhaften Barockschloss samt Park wohl vor allem durch Albert Einstein, der dort eine Zeit lang ein Sommerhaus hatte. Im Schloss Caputh gibt es statt Relativitätstheorie eine Dauerausstellung mit Barockmöbeln, Accessoires und Gemälden. Und genau diese Dauerausstellung wird in diesem Sommer durch die Intervention von vier Künstlerinnen unter dem Titel „B.A.R.O.C.K.“ ordentlich aufgemischt (Teil zwei der Doppelausstellung findet zeitgleich im Berliner me collectors room statt) und überzeugt auf voller Linie.


Kurfürst neben Porno-Szene


Wunderbar, wie sich die ästhetisch an klassischen Stillleben orientierenden Hochglanz-Blumen-Scans von Luzia Simons in die Örtlichkeiten einpassen und mit den ausgestellten barocken Möbeln und Werken harmonieren. In einem kleinen Raum, in Petersburger Hängung bis zur Decke vollgestopft mit Arbeiten, muss man geradezu zweimal hinsehen, um das Zeitgenössische vom Alten zu trennen. Ebenso gut passen sich die Gobelins – nun ja, Tapisserien im weiteren Sinne – der Künstlerin und Kuratorin Margret Eicher in die Dauerausstellung ein. Die großen Wandteppiche lässt sie in der Nähe der ehemaligen Hochburg der Bildteppichweberei in Flandern herstellen, aber mit neuer, digitaler Technik. Den Hintergrund dieser Gewebe bildet meist ein typisches Werk der Kunstgeschichte, welches mit popkulturellen Motiven, Symbolen und Personen versetzt wird. Heraus kommt ein ganz und gar zeitgenössischer, mit Ironie und Anspielungen aufgeladener Bildteppich. Würde man sich gerne mit nach Hause nehmen. Gerade die Verbindung zweier sich gegenüber hängender, mit popkulturell-erotischen Motiven aufgeladenen Teppichen mit den daneben gehängten Barock-Gemälden funktioniert unglaublich gut. Das ernste Porträt eines preußischen Kurfürsten neben nackten Mädchen in einer Porno-Szene, im Vordergrund ein gelber Zeichentrick-Hase mit erhobenem Messer, auf der anderen Seite hängt eine mythologische Szene mit zwei nackten, miteinander ringenden blonden Burschen neben einem Bildteppich mit Lara Croft, wieder dieser Hase und einer idyllischen Renaissance-Landschaft im Hintergrund.

Rebecca Stevenson wiederum zeigt aus Polyester-Harz und Wachs modellierte Skulpturen von Tieren, aus denen Blumenarrangements wie Geschwüre heraus explodieren. Sie schlägt damit – wie die floralen Motive von Luzia Simons – einen Bogen zum Stillleben. Hier ist allerdings eher die Variante mit arrangiertem Wildbret und saisonalem drumherum zu sehen. Zu guter Letzt sind da die „Heldinnen“ von Myriam Thyes. Vielleicht die direkteste der Arbeiten. Thyes hat moderne Heldinnen aus Film und Popkultur über die fiktiven Porträts römischer Kaiser gehängt. So wird sowohl in die patriarchalischen Machtstrukturen eingegriffen als auch eine kritische Gegenüberstellung unternommen, bei der gleichzeitig Kritik an der Überfrachtung der „Heldin“ in der Popkultur geübt wird.

Auf der anderen Seite von Potsdam, in einem abgelegenen Winkel, wo die Straßen schon fast einspurig werden, der Bus gerade mal einmal in der Stunde fährt und man das Gefühl hat, mitten in der brandenburgischen Land-Idylle gelandet zu sein, befindet sich im im Örtchen Sacrow das gleichnamigen Schloss mit seinem ganz wundervoll verwunschen-verwilderten Park. In diesem doch schon abgelegenen Schloss werden unter dem Titel „Im Ratzenloch… Theodor Fontane im Schloss Sacrow“ Werke von insgesamt zwölf zeitgenössischen Künstlern und Künstlerinnen in zwölf Räumen des Schlosses zu zwölf ausgewählten lyrischen Werken Fontanes präsentiert.

Margret Eicher, Boundery 1, 2019, Print auf halbtransparenter Folie, aplliziert auf Vitrinenglas © VG Bild-Kunst, Bonn 2019

Da kommt der gute alte Ribbeck in Verbindung mit Keramik-Skulpturen von Grita Götze ebenso zum Zug wie die „Havelschwäne“, zu denen Peer Oliver Nau eine raumgreifende Holzskulptur geschaffen hat. Und wenn man schon mal da ist, darf man auch einen Besuch in der in den Jungfernsee hinein­ragenden Heilandskirche im Schlosspark nicht unterlassen. Das kuriose, in italienischem Stil errichtete Bauwerk mit seinem Campanile und der opulenten Optik aus gelben und blauen Ziegeln lag zur Zeit der Teilung im Niemandsland zwischen Ost und West genau hinter der Mauer.

Noch nicht genug Ausflüge zu Preußens Schlösser-Herrlichkeit? Dann auf nach Paretz. Dazu ist aber ein Auto oder zumindest ein anständiges Fahrrad empfehlenswert, denn mit Bus und Bahn wird die Anreise nicht ganz einfach. Hier haben zwischenzeitlich Exponate von der Pfaueninsel ein Heim gefunden, solange das dortige Schloss renoviert wird. Vormerken: Ab dem 25. August zeigt die Akademie der Künste in Zusammenarbeit mit dem Tucholsky Museum Rheinsberg eine Ausstellung des Fotografen Thomas Florschuetz, der mit der Linse seiner Kamera immer wieder versucht, das Medium Fotografie und die Wahrnehmung an ihre Grenzen zu führen.

B.A.R.O.C.K. Schloss Caputh, Straße der Einheit 2, Caputh, bis 31.10., Di–So 10– 18 Uhr, 6/ erm. 5 €

Im Ratzenloch… Theodor Fontane im Schloss Sacrow. 12 Künstler, 12 Räume, 12 lyrische Werke von Theodor Fontane Schloss Sacrow, Krampnitzer Str. 33, Sacrow, bis 22.9., Fr–Mo 11–18 Uhr, 8/ erm. 5 €

Pfaueninsel zu Gast in Paretz. Königin Luises Landglück Schloss Paretz, Parkring 1, Ketzin, bis 31.10., Di–So 10–17.30 Uhr, 6/ erm. 5 €

Thomas Florschuetz. Zwischenzeit Kurt Tucholsky Literaturmuseum, Schloss Rheinsberg, Rheinsberg, 25.8. bis 3.11., Di–So 10–17.30 Uhr, 4/ erm. 3 €

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