Der Potsdamer Platz, dieses um Identität ringende Areal im kalten Herzen der Stadt, ist besser als sein Ruf. Als Landschaftsdenkmal ist das Gelände zum Beispiel einzigartig – weil sich auf seinen Quadratmetern vieles spiegelt, was Berlin so zerrissen macht. Da wäre etwa das Erbe der geteilten Stadt: Während des Kalten Kriegs war der Ort, der damals dem Todesstreifen einen Boden bereitete, ein Sinnbild für die vereisten Beziehungen zwischen Ost und West
Nach Mauerfall und beschworenem Ende der Geschichte ist das Areal zum Vexierbild für neoliberale Charakterschwäche geworden. Ein Quartier ist hier aus dem Morast gestampft worden, so stereotyp, dass die Ballung von Bürotürmen und Bettenburgen fast parodistisch ist: ein bisschen Staatskapitalismus gibt es, ansässig im Bahntower, unzählige Firmenzentralen, die Etagen von Shareholder-Value-Beschleunigern wie Price-Waterhouse Coopers, dazu ein Best of Convenience, aufgefahren von Hilton-Hotel, Maredo und Starbucks.
Diese Drehscheibe des Geld-, Waren- und Angestellten-Transits ist so entrückt vom Berliner Gesellschaftsleben, dass eine Veränderung nur beiläufig zur Kenntnis genommen worden ist: dass das CineStar und das IMAX, die beiden Lichtspielhäuser im Sony Center, schließen; der Vermieter hat den Vertrag nicht verlängert.
Dabei sollte die Randnotiz wehmütig stimmen. Zumindest im CineStar war großes Hallo, wenn dort während der Berlinale Dokus von Filmstudierenden, senegalesisches Arthouse-Kino oder feministische Manifeste gezeigt wurden. Mit anderen Worten: wenn ein langweiliger Ort interessant wurde. Die wegfallenden Kino-Standorte für die Berlinale finden sich ab 2020 im Cubix am Alexanderplatz – ein Dreh- und Angelpunkt, wo immerhin Weltzeituhr und Fernsehturm etwas Berlin-Folklore bieten. Vielleicht trifft man dort auch den authentizitätsverliebten Dieter Kosslick wieder, nicht mehr als Spielleiter, sondern als emeritierten Privatier, der Filme genießt.