Kolumne

Jackie A. entdeckt…Pilz-Selfies

Wer braucht schon einen Indian Summer, wenn er den original Brandenburger Schlammwinter haben kann? Demnächst wieder in deiner Region erhältlich!

Zuvor eine letzte Herbstfrage: Hast du denn noch rechtzeitig dein Pilz-Selfie gemacht?  Facebook-Bekanntschaften lassen sich gerade mit jeder nur denkbaren Art von Candida ablichten, was belegt, dass wir in Jahreszeit und Lebensphase angekommen sind, wo wir am besten harmonieren an der Seite eines schleimigen, der Photosynthese unfähigen Lebewesens. Wo Lebendigkeit zu Matsch wird, wo es sich gemütlich vermodern lässt, da fühlen sich arthrosegefährdete Middle-Ager zuhause!

Dabei ist dieser Selfie-Trend zur Abwechslung mal einer, der Körper und Geist zuträglich ist, für dessen Umsetzung man sich in die  Tiefen des Waldes vorarbeiten muss, sich durch frisches Laub und Tannennadeln wühlt, dabei den Blick fokussiert auf die zukunftsweisenden Dinge im Leben: Pilze! Ob als niedlich betupfter Kappenträger, senffarbener Beauty-Schwamm oder schmuckloser Stein, der bei Berührung schwarze Wolken ausstößt. Selbst als Häufchen Erbrochenes am Wegesrand sind sie Giganten der Inszenierung. Der Pilz ist der Drag-Artist unter den Einzellern!

Wo es sich gemütlich vermodern lässt, fühlen sich Middle-Ager zuhause

Jackie A.

Es gibt wissenschaftliche Abhandlungen, in denen Pilze als Superstars der Evolution gefeiert werden, als resistente Überlebenskünstler, Netzwerkspezialisten, die ganz ohne Gehirn intelligent agieren – eines allerdings schafften sie bis heute nicht: der mäßig cleveren Spezies Mensch zu entkommen. Also triffst auch du mich ein letztes Mal vor Wintereinbruch im Wald als pilzversessene Jogginghosen-Oma. So ein Pilz-Selfie ist mir dann allerdings doch zu authentisch. Online galoppiere ich vorzugsweise  als glitzernde Version meiner selbst durch die Timelines, frei nach Bloggerin Shirin David: „Gib ihm!“ Je künstlicher, desto besser. Wer hat behauptet, dass nur News „Fake“ sein dürfen? So tragen hippe Steinpilze online Fliegenpilzpunkte oder Großmütter Sommersprossen.

Die Gadgets hierzu klaut sich Oma bei den Instagram-Teens. Aktuell kann ich „Holy Natural“ empfehlen. Mit dem Filter kann das eigene „Geht so“-Gesicht in eine sommersprossig-frische  Beauty-Variante gemorpht werden. Ich geh grad nicht mehr ohne ins Netz! Das ist auch nur ein Beispiel in den unendlichen Weiten der Filter-Ästhetik, die als Pausenfüller, bis die Pilzpfanne gar ist oder der Brandenburger Winter vorüber,  stets eine Option für ein bisschen Online-Glamour ist.

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