Geschichte

Die Geschichte des Nollendorfplatzes: Schöneberger Zeitreise

Der Nollendorfplatz in Schöneberg hat sich in seiner Geschichte ziemlich verändert. Von einem idyllischen Schmuckplatz wurde er zu einem der wichtigsten Verkehrsknotenpunkte der Stadt. Heute ist der Nollendorfplatz vor allem als Hotspot der queeren Community und für seine zahlreichen Ausgehmöglichkeiten bekannt. Wir nehmen euch mit auf eine kleine Zeitreise.

Der Nollendorfplatz mit Hochbahnviadukt im Jahr 1907. Foto: Max Missmann/Gemeinfrei

Die Entstehung des Nollendorfplatzes: Errichtung als Schmuckplatz 

Der Nollendorfplatz entstand in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als Teil des sogenannten Generalszugs, einer Reihe von Straßen und Plätzen, deren Namen an die Befreiungskriege gegen den französischen Kaiser Napoleon erinnern. Er erhielt seinen Namen in Gedenken an die Schlacht bei der nordböhmischen Ortschaft Nollendorf (Nakléřov in Tschechien). Kommandierender General der preußischen Truppen war Friedrich von Kleist, der zum Namenspaten der an den Platz anschließenden Kleiststraße wurde.  

Die Postkarte zeigt Kleiststrasse und Nollendorfplatz. Foto: IMAGO / Arkivi

Der Nollendorfplatz wurde 1880 nach den Plänen des preußischen Generalgartendirektors Peter Josef Lenné als Schmuckplatz angelegt (Lenné ist unter anderem auch für den Umbau des Parks von Sanssouci und die Gestaltung des Schlossparks Friedrichsfelde bekannt). In der Mitte des Nollendorfplatzes befand sich eine kleine, kreisrunde Rasenfläche, die mit Blumen bepflanzt und mit Bäumen umrandet wurde. Damals gehörte der Platz noch gar nicht zu Berlin, sondern im Nordwesten zu Charlottenburg und im Südosten zu Schöneberg, beide waren zu diesem Zeitpunkt noch eigenständige Gemeinden. Die geteilten Zuständigkeiten sorgten bis zur Bezirksreform im Jahre 1938 immer wieder für Konflikte. Unter anderem darüber, an welcher Stelle die Berliner Hochbahn in eine Untergrundbahn übergehen sollte.  


Der Bau der Berliner Hoch- und U-Bahn: Umbau zur Verkehrsdrehscheibe

Historische Ansicht des Bahnhofs Nollendorfplatzes. Foto: Berliner Architekturwelt/Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org

Der Bau des U-Bahnhofs Nollendorfplatz mit dem Hochbahnviadukt veränderten das Erscheinungsbild des Platzes zu Beginn des 20. Jahrhunderts weitgehend. Nach Beendigung der zeitaufwendigen Arbeiten wurden die Grünanlagen jedoch weitestgehend wiederhergestellt. Außerdem brachte der aus Lübeck stammende Bildhauer und Medailleur Ernst Westphal im Jahr 1904 den sogenannten „Nickelmannbrunnen“ unter der Hochbahnkonstruktion an. Den gibt es übrigens auch heute noch – allerdings ohne Wasser und trotz Denkmalschutzes in eher schlechtem Allgemeinzustand.  

Die Karte zeigt einen Querschnitt des Gemeinschaftsbahnhofs Nollendorfplatz Foto: Imago/piemags

Zwischen 1908 und 1910 erbaute die damals eigenständige Stadt Schöneberg ihre eigene Untergrundbahn direkt unter dem Pflaster des Nollendorfplatzes. In der Folge wurde der ehemalige Hochbahnhof zu einem Gemeinschaftsbahnhof umgebaut, wobei in der Motzstraße die Knochen von frühzeitlichen Tieren entdeckt wurden. Heute gehören die Tunnel der „Schöneberger Untergrundbahn“ zur Linie U4, die als kürzeste Berliner U-Bahn Linie auch heute noch den Nollendorfplatz mit dem Innsbrucker Platz verbindet.


Zweiter Weltkrieg und geteiltes Berlin: Der Nollendorfplatz im Wandel der Zeit

Im Zweiten Weltkrieg wurde der Bahnhof am Nollendorfplatz schwer beschädigt. Foto: BVG-Archiv

Im Zweiten Weltkrieg wurden der Nollendorfplatz und die umliegenden Straßenzüge durch die Luftangriffe der Alliierten schwer zerstört. Auch die aufwendige Kuppel der Hochbahnstation wurde getroffen. Viele der in Trümmer liegenden Gebäude wurden nicht wieder aufgebaut, sondern durch schmucklose Neubauten ersetzt. Außerdem wurde die Struktur des Platzes zugunsten des Straßenverkehrs massiv umgestaltet. Beides merkt man dem „Nolli“, wie er liebevoll genannt wird, auch heute noch an.  

Für den Flohmarkt wurden die Waggons zu Verkaufsflächen umfunktioniert. Foto: BVG-Archiv

Der Bau der Berliner Mauer unterbrach den Verkehr auf der Hochbahnstrecke, die nach Pankow, und damit nach Ostberlin führte. Im Jahr 1972 wurde die Linie sogar gänzlich eingestellt, da das geringe Fahrgastaufkommen einen rentablen Betrieb unmöglich machte. Stattdessen fand auf den Hochbahnsteigen nun ein Trödelmarkt statt, bei welchem ausgemusterte U-Bahnwagen als Verkaufsfläche dienten.

Die Tram pendelte auf dem Hochbahngleis zwischen Nollendorfplatz und Bülowstraße. Foto: Giulio Ercolani/Stocktrek

Auf der Bülowstraße war aus ähnlichen Gründen ein türkischer Basar entstanden. Um die beiden Märkte miteinander zu verbinden, ließen die Berliner Verkehrsbetriebe ein Straßenbahnmittelstück auf der Hochbahnstrecke pendeln. Nach dem Fall der Berliner Mauer mussten Flohmarkt und Straßenbahnkonstruktion der Wiederinbetriebnahme der U2 weichen. Dafür könnt ihr aber an anderen Orten trödeln.


Prominenz und Politik: Von Christopher Isherwood zu Ronald-Reagan-Protesten 

Ein Schild an seinem ehemaligen Wohnhaus erinnert an Isherwoods Zeit in Berlin. Foto: Dieter Brügmann/CC BY-SA 3.0

Die Biografien einiger bekannter Persönlichkeiten sind eng mit dem Nollendorfplatz und dessen unmittelbarer Umgebung verwoben. Unter anderem quartierte sich hier der britisch-amerikanische Autor Christopher Isherwood am Nollendorfplatz 17 ein, auf dessen „Berlin-Stories“ das Musical „Cabaret“ basiert. Ein paar Meter weiter, am Nollendorfplatz 6, lebte einst der expressionistische Maler Max Beckmann. Die Schriftsteller:innen Else Lasker-Schüler und Ödön von Horváth wohnten beide auf der Motzstraße, der Philosoph Walter Benjamin und der Dramatiker Frank Wedekind waren auf der Kurfürstenstraße zu Hause. Aber nicht nur die Lebensgeschichten berühmter Künstler:innen sind eng mit dem Platz verwoben: Im August 1941 verlobten sich der spätere Bundeskanzler Helmut Schmidt und seine Frau Hannelore auf einer Parkbank auf dem Nollendorfplatz. Glück scheint es ihnen gebracht zu haben, ihre Ehe hielt stolze 68 Jahre.

Ein Polizeiwagen brennt währendend der Proteste am Nollendorfplatz. Foto: Imago/Sommer

Helmut Schmidt ist allerdings nicht der einzige Politiker, der manchmal an den Nollendorfplatz zurückgedacht haben dürfte. Anlässlich einer Rede Ronald Reagans am Charlottenburger Schloss kam es am 11. Juni 1982 M Nollendorfplatz zu einer der schwersten Straßenschlachten in der Geschichte der Stadt. Trotz eines berlinweiten Demonstrationsverbots versammelten sich am „Nolli“ zahlreiche Gegner:innen des US-Präsidenten und reagierten auf die Einkesselung durch die Polizei mit dem Wurf von Pflastersteinen. Die Polizei antworte wiederum mit Gewalt. Auf beiden Seiten kam es zu Verletzten, sowie zu hohen Sachschäden. Reagan selbst hat das Geschehen, aber wohl nur in den Nachrichten verfolgt. Nach seiner Rede verließ er das Schloss in einem Hubschrauber und anschließend mit seinem Flieger auch gleich das Land. Mehr über die Besuche von US-Präsidenten in Berlin erfahrt ihr hier.


Regenbogenkiez: Queere Clubkultur und bunte Straßenfeste 

Das Eldorado an der Motzstraße/Ecke Kalckreuthstraße war in ganz Berlin bekannt. Foto: Bundesarchiv Bild/CC-BY-SA 3.0 https://commons.wikimedia.org/

Bereits in den 1920er-Jahren war der Nollendorfplatz als ein Treffpunkt der queeren Community bekannt. In Bars und Clubs wie dem Travestielokal „Eldorado“ konnten sich Menschen vergnügen, ohne sich vor Anfeindungen und Übergriffen fürchten zu müssen. In der Zeit des Nationalsozialismus wurden viele der von Homosexuellen frequentierten Lokale geschlossen, oder aber von Razzien heimgesucht. An diese Verfolgung erinnert seit 1989 unter anderem eine Gedenktafel an der Südseite des U-Bahnhofs. Sie trägt den Schriftzug „Totgeschlagen – Totgeschwiegen – Den homosexuellen Opfern des Nationalsozialismus“.  

Der U-Bahnhof Nollendorfplatz während des Lesbisch-Schwulen Stadtfests. Foto: Imago/Emmanuele Contini

Heute ist das queere Leben an den Nollendorfplatz zurückgekehrt. Neben vielen Bars und Clubs, findet sich hier unter anderem auch die Buchhandlung Eisenherz, die Bücher vertreibt, die sich mit Homosexualität auseinandersetzen. In vielen der Geschäfte hängen bunte Regenbogenfahnen, seit Dezember 2013 wird auch die vereinfacht wiederaufgebaute Kuppel der U-Bahn-Station in ihren Farben beleuchtet. Außerdem findet im Rahmen der Berlin Pride Week im Nollendorfkiez jeden Juni das große Lesbisch-Schwule Stadtfest statt. Mit weit über 350.000 Besuchern aus der ganzen Welt gehört es seit rund 30 Jahren zu den größten seiner Art. Noch mehr über das queere Schöneberg erfahrt ihr hier.


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