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So tickt die Hauptstadt: Tipps für Neu-Berliner

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Der Erstkontakt mit Berlin für viele Menschen ein kleiner Schock. Erst recht, wenn man sein bisheriges Leben in ländlicher Ruhe verbracht hat, aber auch, wenn man zuvor in einer anderen (Groß-)Stadt lebte.

Hier ticken die Uhren einfach anders. Wer sich unvorbereitet in den Hauptstadt-Schmelztiegel begibt, wird deshalb so manche Überraschung erleben.

Amtstermine buchen

Da gibt es nicht viel schönzureden, was die Schnittstelle zwischen Berliner Behörden und Bürgern anbelangt, hakt es einfach an vielen Ecken und Enden.

Unangemeldet auf ein Amt gehen, eine Nummer ziehen und drankommen funktioniert vielleicht in andere Städten, nicht jedoch in Berlin.
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Die für die meisten Menschen spürbarste Tatsache dabei ist es, dass man geraume(!) Zeit auf einen Amtstermin warten muss, weil einfach zu viele Menschen auf zu wenige Bearbeiter treffen.

Gewöhnen muss man sich daran, dass Berliner Ämter Termine nicht selten auf Monate im Voraus vergeben – egal, worum es geht.

Ergo: Lange vor dem Umzug sollte man sämtliche Termine buchen – auch damit man die gesetzlichen Meldefristen überhaupt einhalten kann, das geht online:

  • Auto ummelden
  • Fahrzeugschein Adresse ändern
  • Wohnsitz anmelden (bei der Gelegenheit wird diese auch im Personalausweis vermerkt)
  • Hund(e) anmelden

Und nach der Ankunft sollte gelten: Egal wie stressig alles war, die Termine sollte man dennoch wahrnehmen, auf einen neuen wartet man wieder Wochen bis Monate.

Stadtmobilität üben

„Ich glaube, der Weltraum ist heute weniger gefährlich als die Straßen Berlins“

[Wernher von Braun, u.a. Erfinder der Saturn-Mondrakete]

Egal ob zu Fuß, mit dem Rad oder dem Auto: Berlin ist auch in Sachen Verkehr die einwohnerreichste Stadt Deutschlands.

Routinierte Städter dürfen diese Trainingseinheit überspringen. Alle anderen jedoch sollten sich Tage nehmen und sich in die nächste Großstadt begeben.

Ziel der Übung: Ohne Ziel stundenlang durchfahren oder -gehen, um ein Gefühl für diese Verkehrs-Massen zu bekommen.

Wenn in Berlin eine Ampel auf Grün springt, muss man schon losrollen, sonst beginnt das Hupkonzert. Und wer nicht souverän-zügig auf mehrspurigen Straßen im dicksten Verkehr fahren kann, sollte das ebenfalls pauken, bevor der Ernstfall eintritt.

Übrigens: Wer es aus seinem bisherigen kleinstädtischen Idyll nicht kennt, sollte sich auch antrainieren, längere Strecken zu gehen. Berlin kann unheimlich weitläufig sein.

Einen Parkplatz besorgen

Es gibt allein den Zahlen des KBA nach in Berlin 1,2 Millionen Autos. Und das sind nur die, deren Halter ihr Auto auch auf Berlin umgemeldet haben. Rechnet man noch die Dunkelziffer der Säumigen

Der Anwohnerparkausweis ist keine Parkplatzgarantie – er garantiert nur, dass man kein Knöllchen bekommt, wenn man denn endlich einen freien Platz erhaschen konnte.
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hinzu, kommt man sicherlich auf rund 1,5 Millionen – und da sind die ganzen Pendler, Touristen usw., die von außerhalb kommen, ja noch gar nicht einberechnet.

Dem entgegen stehen jedoch nur gut 100.000 öffentliche Parkplätze in 40 Parkzonen; kein Tippfehler. Es gibt, selbst wenn man nur die offiziell berlinzugelassenen Autos zählt, bloß für 8,3 Prozent davon einen öffentlichen Parkplatz.

Ergo: Auf keinen Fall sollte man erwarten, dass man schon etwas finden wird; das wäre illusorisch und hätte nur jede Menge Knöllchen, Ärger mit dem Chef und bei der Parkplatzsuche vergeudete Lebenszeit zur Folge.

Es wäre daher von Vorteil, sich in Wohnungsnähe, mitunter auch bei der Arbeit, einen privaten Parkplatz zu suchen und zu mieten – oder sich zumindest um einen Anwohnerparkausweis zu bemühen.

Telefon, Internet und Co. beantragen

Was einen Umzug anbelangt, ist eine richtig sorgsame Vorbereitung alles, was zwischen einem reibungslosen Ablauf und einem Tag voller Hektik, Stress und Ärger steht. Telefon, Internet und Fernsehen haben darin besondere Bedeutung.

Wenn man frühmorgens mit dem Möbellaster in die (hoffentlich beantragte und mit Mietschildern versehene) Sonder-Halteverbotszone vor dem Haus einrollt, wird man mitunter nicht nur bereits einiges auf dem persönlichen Tageskilometerzähler haben, sondern auch noch schweißtreibende Stunden vor sich.

Selbst wenn die Möbelpacker einem alles tragen, aufstellen und -hängen, danach will man nur eines: Abschalten, fernsehgucken und/oder im Netz surfen.

Bloß muss dazu alles freigeschaltet sein – und es gibt rein statistisch an jedem Tag allein 33 andere Zuzügler, die ebenfalls Freischaltung und Co. benötigen, innerstädtische Umzügler nicht mitgerechnet.

Bedeutet: Auch hier tut man sehr gut daran, frühzeitig mit Telekom und Co. zu sprechen, deren Mitarbeiterzahl ist ebenfalls limitiert – und wenn das Netz steht, sollte man sich vielleicht die liebevollen Stilblüten von Notes of Berlin zu Gemüte führen, die einen tiefen Einblick in die Berliner Seele gestatten.

Auf den Boden gucken lernen

Die meisten Menschen bewegen sich zu Fuß mit frei geradeaus gerichtetem Blick. Das kann man natürlich auch in Berlin machen, allerdings birgt das ein hohes Risiko.

Schon viele Aufrufe gab es an Berliner, ihre Stadt sauberer zu halten. Leider verstummten die meisten ziemlich ungehört.
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Denn Tatsache ist, Berlins Gehsteige sind nicht gerade eine Zierde, da helfen auch die Hundekot-Sauger-Mobile nichts und ebenso wenig erhöhte Bußgelder.

Müll, Hunde-Hinterlassenschaften, Fahrradskelette und Schlaglöcher sind überall in der Stadt Fußhindernisse, die nur darauf warten, dass ein Ahnungsloser hineintappt.

Mit Kopfhörern abschalten lernen

Die Berliner sind unfreundlich und rücksichtslos, ruppig und rechthaberisch. Berlin ist abstoßend, laut, dreckig und grau. Baustellen und verstopfte Straßen, wo man geht und steht – aber mir tun alle Menschen leid, die nicht hier leben können“

[Anneliese Bödecker, Berliner Sozialarbeiterin]

Hinter der weltberühmten „Berliner Schnauze“ verbirgt sich beileibe nicht nur der städtische Dialekt. Es ist auch die Tatsache, dass der gemeine Berliner kein Blatt vor den Mund nimmt.

Was man an vielen Stellen noch als ruppige Herzlichkeit akzeptieren kann, wird einem aber spätestens dann, wenn man als Neu-Berliner regelmäßig mit U- und S-Bahn fährt, schnell überdrüssig.  

Denn Diskussionen, ja ganze Beziehungsdramen werden gerne und häufig ohne jenes verschämte Absenken der Stimme geführt, dass man aus den meisten anderen Kommunen kennt – egal ob am Telefon oder vis-à-vis.

Dagegen helfen nur gute Kopfhörer und eine entspannte Playlist auf dem Handy – die hunderttausenden anderen Berliner, die so tagtäglich unterwegs sind, machen das nicht nur aus reiner Musikliebe.

Klimaanlage besorgen

Besonders hart zeigt sich Berlin denjenigen Zuzüglern, die bereits im Herbst oder Winter in die Stadt kamen.

So schön ein sommerlicher Morgen über Berlin sein kann, die Hitze ist hier oft etwas anderes als in anderen Städten.
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Dann nämlich neigt die Stadt dazu, einem erst mal ob der Frühlingsgefühle ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern, bevor sie einem den Sommer regelrecht um die Ohren schlägt.

Durch die östliche Lage ist das Berliner Klima ungleich kontinentaler als in vielen anderen Ecken Deutschlands. Bedeutet: Kalte Winter, heiße Sommer.

Und Berliner Sommer können es in sich haben. Die Luft steht, die Häuserzeilen und der Asphalt speichern die Tageshitze und geben sie auch nach Einbruch der Dunkelheit großzügig ab, sodass man weder auf Balkon noch Dachterrasse Abkühlung findet – und sämtliche Seen und Freibäder werden überlaufen sein.

Egal, zu welcher Jahreszeit man in die Stadt kommt, man sollte entweder trainiert haben, mit „richtigem“ Sommer zurechtzukommen oder zumindest ein mobiles Klimagerät im Umzugs-LKW mitbringen.  

Jeder Tag ist gut genug für Party

„Von der großen Stadt Berlin
kannst du viel erwarten.
Solltest nur kein Weichei sein:
Berlin ist mit den Harten“

[Robert Gernhardt, Schriftsteller]

Dieser finale Punkt ist einer der einzigartigsten von Berlin. Denn ganz gleich, woher man sonst auch kommt, überall auf der Welt ist klar, dass das Wochenende dafür da ist, um Spaß zu haben, zu feiern.

Hier zeigt sich jedoch eines der wichtigsten Details von Berlin, das schon Bestand hatte, als noch eine Mauer durch die Stadt lief: Für den Berliner ist jeder gut überstandene Arbeitstag mehr als genug Grund, um feiern zu gehen.

Bitte also nicht wundern, wenn die neuen Nachbarn oder Kollegen einen mittwochsabends in eine Kneipe mitnehmen wollen – es ist schließlich „Bergfest“, die halbe Arbeitswoche ist vorbei, das muss gefeiert werden.

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