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Kreuzberger Bar

Behzad Karim-Khani, Gastgeber in der Lugosi Bar, über Hipster-Gastronomie, Gentrifizierung und Missgunst

Neue Bewirtschaftung … oder: warum Brazilian Waxing den Kiez garantiert retten wird. Behzad Karim-Khani, Gastgeber in der Lugosi Bar in der Reichenberger Straße, antwortet in dieser doch auch ernst gemeinten Polemik all jenen, die ihn neuerdings einen Hipster-Gastronom rufen

Behzad Karim Khani, Foto: Valeria Benna

Ein Bekannter von mir meinte neulich: „Wer nicht über Klassenkampf reden möchte, soll mich in Ruhe lassen mit Gentrifizierung.” Fand ich gut. Sag ich jetzt auch immer. Ich mag die Stille, die danach entsteht.

Ich bin einer dieser Typen, die Hipster­gastronomen genannt werden. Die coole Bars und schicke Cafés aufmachen. Ich zähle also zwischen Immobilienheuschrecken, Fracking-Unternehmen, Treibnetzfischern und Offshore-Banken zum Übelsten, was der Spätkapitalismus zu bieten hat. Wer sich keinen SUV leisten kann, aber trotzdem mal seinem Karma schaden will, der trinkt einfach einen Gin&Tonic bei mir.

Soweit also. Aber, was macht mich jetzt zum Hipster?

Nun, ich zieh mich nicht an, als wäre alles, aber wirklich auch alles egal. Ich habe ein MacBook und ich verstehe bisschen was von Popkultur. Ich denke bei Newton beispielsweise erst an Helmut, nicht an Isaac und ich weiß, dass Mario Testino kein Rennfahrer ist. Dafür weiß ich nicht mehr über Helene Fischer, als dass sie wahrscheinlich Helene Fischer heißt. Und wenn ich einen Laden aufmache, dann tupfe ich die Wände nicht mit Schwammtechnik Aprikose oder haue Löcher in den Putz, damit man an manchen Stellen die Ziegelsteine darunter sieht, weil Hausfrauen aus Lankwitz so was immer noch crazy finden. Es läuft nicht acht Jahre lang Café del Mar Vol.32 und Buena Vista Social Club von gebrannten CDs, bis einer meiner Mitarbeiter mir aus reiner Notwehr Norah Jones vorstellt.

Ich mache auch nicht die zwölfte Dönerbude neben der elften auf, versuche die anderen dann um 20 Cent zu unterbieten, meine Angestellten mit 6,50 Euro auf die Hand abzuservieren und installiere dann Videokameras über der Kasse, weil mir klar ist, dass sie bei der üblen Bezahlung gar nicht über die Runden kommen können.

Lief aber nicht der Laden. Komisch.

Vor acht Jahren habe ich mir eine Ladenfläche auf dem Kottbusser Damm angeschaut. Eine der Straßen, in der derzeit der Grabenkrieg zwischen dem alten, vermeintlich bunten Berlin und dem neuen, einheitlich hippen Berlin vermutet wird. Die Gründe hierfür? Eine ehemalige Filiale der Deutschen Bank beispielsweise, in der jetzt ein koreanisches Grill-Restaurant zuhause ist, das dem offensichtlichen Vernehmen nach als „hip“ angesehen wird. Oder eine der fünf (!) Apotheken, die es bis eben noch auf dem kurzen Abschnitt Kottbusser Brücke bis Hermannplatz gab, in deren Räume nach rund einem Jahr Leerstand nun eine Kaffeerösterei eingezogen ist. Einen kleinen Dönerladen, der seit Jahren im Quartalszyklus pleite ging, hat Patrick übernommen. Er macht da Suppen, Limos und Tagesgerichte. Und das war auch schon alles.

Der Laden, den ich mir damals angeschaut hatte, war klitzeklein. Zwölf, vielleicht 15 Plätze hätte ich da reinbekommen. Ein Tresen, 15 Hocker. Und ja, es wäre geil eingerichtet gewesen. Und ja, die Drinks hätten auch was gekostet. Ich verschulde mich ja nicht, nur damit ich mich dann selbst ausbeuten kann. Ich bin kein Idiot. Dafür bezahle ich meine Leute vernünftig, vertraue ihnen und lasse sie in Würde arbeiten.

Das waren rund 40 oder 45 Quadratmeter. Der Vermieter wollte 5.500 Euro Miete. Der Kottbusser Damm war schon damals eine A-Lage. Mit zwölf Plätzen und Drinks, die nicht 28 Euro kosten sollten, hätte ich die Summe nicht reingekriegt. Ich ließ es bleiben.

Zwei Monate später hat dann jemand dort ein Nagelstudio aufgemacht. Das 75. in dieser Straße (so viel zum Thema „bunte Mischung”). Lief aber nicht der Laden. Komisch.

Und was habe ich gemacht? Mir einen Laden ausgesucht in einer C-Lage. Hab das, was ich mache, mit Leidenschaft gemacht, mich schrottgearbeitet. Und weil ich es zynisch finde, meinen Gästen etwas anzubieten, das ich selbst nicht trinken würde, habe ich gute Produkte eingekauft, sie von Profis verarbeiten lassen, die entsprechend entlohnt gehören. Das kostet halt auch mal zwei Euro mehr, mich und eben auch meine Gäste. Ist so.

Jetzt gilt die Straße, in der unsere Bar steht, als B-Lage. Ja, daran habe ich ein bisschen mitgewirkt. Ich hatte eben Erfolg. Tut mir auch nicht leid. Zu vielen der alten Bewohner und Betreiber habe ich im Übrigen ein sehr gutes Verhältnis. Ich lade sie ein, wenn sie bei mir vorbei schauen und winke auch mal in die Teestuben und Punkkneipen rein, wenn ich vorbeilaufe. In ihr Viertel bin ich schließlich mal eingezogen. Ich möchte nicht, dass sie gehen.

Es war nicht bunt hier, es war dunkel.

Ich erinnere mich nur eben auch daran, dass die Leute Angst hatten, abends durch Neukölln oder durch den Kiez entlang der Reichenberger Straße zu laufen. Das war nicht bunt dort. Es war dunkel. Wir sind es, die die Gegend bunt gemacht haben, weil wir nicht das 200. Wettbüro hingestellt haben mit den dunklen BMWs davor und weil wir mehr Verkaufsstrategien kannten, als „Das, was alle machen, aber billiger ”. Im übrigen gehen auch wir pleite. Auch wir kämpfen mit den Mieten. Auch wir verkalkulieren uns oder liegen mit unseren „Konzepten“ einmal daneben.
Ein schicker Tresen heißt nicht Erfolg. Ein schicker Tresen heißt vor allem, gegen Missgunst und Vorurteile zu kämpfen. Heißt, der böse Gentrifizierer zu sein. Heißt, dass jeder sich eine Meinung über uns machen, sie an unsere Fensterscheiben werfen und sich danach gut fühlen darf.

Kauft Polyesterteppichböden.

Aber okay. Eigentlich will ja auch ich nur, dass unser bunter Kiez weiterhin bunt bleibt. Und da gibt es tatsächlich nur einen Weg: Nehmt es selbst in die Hand. Unterstützt diese Läden, die nicht verschwinden sollen. Geht häufiger Billigdöner essen, lasst euch die Fingernägel machen und den Rücken wachsen, macht Extensions und Brazilian Waxing zu einem Thema. Macht euch keine Gedanken darüber, wie die Herstellungsverhältnisse für all die T-Shirts waren, die auf dem Wühltisch für drei Euro liegen und wenn ihr in eine neue Wohnung zieht, zieht nicht die Dielen ab, sondern kauft diese Polyesterteppichböden aus dem Teppichladen nebenan. Und eine Gebrauchtwaschmaschine vom Elektroschrott-Dealer drei Häuser weiter.

Die ist dann garantiert nach drei Monaten schon wieder kaputt, weshalb ihr diese radikal lokale Kiez-Ökonomie ganz wunderbar am Laufen haltet.
Trinkt mehr Sternburg. Das ist antikapitalistisch. Hängt vor Spätis rum. Das ist subversiv. Verdient nicht nur selbst kein Geld, seht auch zu, dass kein anderer Geld verdient. Wer für einen Cappuccino mehr als 2,10 Euro verlangt, gehört zu dem einen Prozent, den es zu hassen gilt. Und sprecht bloß nicht über Klassenkampf. Flat-White-Preise, die sind wichtig. Die Welt geht zugrunde an Latte Art, langen Bärten und an asymmetrischen Frisuren.

Denn jedes Mal, wenn ein Barkeeper einen Zweig Rosmarin in den Gin&Tonic tut, wird eine gehbehinderte Oma mit Wasserwerfern aus ihrer Wohnung gespült. Und glaubt niemandem, der euch erzählen will, das Ganze sei komplexer.

Text: Behzad Karim-Khani

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