„Des Kaisers neue Kleider“ handelt vom Schein und Sein in Zeiten von Blendern und egomanen Machthabern
Dass Märchen einen zeitlosen Kern haben, der sich immer wieder neu erforschen lässt, hat das Atze Musiktheater schon vergangenes Jahr mit einer tollen Version des Grimmschen „Hans im Glück“ bewiesen. Andersens Geschichte vom eitlen Monarchen, von feigen Mitläufern und einem mutigen Kind schreit heute angesichts großer Gesten und dreister Lügen von Machthabern wie Trump geradezu nach einer Neu-Interpretation, die nun Regisseur Kay Dietrich („Frau Holle“, „Die drei Räuber“) als schräg-hintergründiges Singspiel für alle Generationen liefert.
Brüllend komisch, bitterböse und beängstigend
Mit erstaunlich wenigen, schlau eingesetzten Mitteln wird eine Machtkulisse aufgebaut und demontiert. So verkündet der Kaiser im Reifrock durch vom Band eingespielten Volks-Jubel schreitend: „Euer Kaiser gestaltet eure Zukunft“, während Spendendosen durchs Publikum gereicht werden. Brüllend komisch, bitterböse und beängstigend nah an der Gegenwart.
Der Kaiser (Martin Wagner) ist ein hibbeliger Mensch mit geringer Aufmerksamkeitsspanne und großem Geltungsbedürfnis. Auf Stöckelschuhen mit rosa Stricksöckchen hat er große Mühe, seinen Thron, einen überdimensionalen Kinder-hochstuhl, zu erklimmen. Als eine (Auf)-Schneiderin im Nonnenkostüm (Natascha Petz) ihm Kleider verspricht, die dumme Menschen nicht sehen können, ist der Monarch hin und weg.
Atze Musiktheater, Luxemburger Str. 20, Wedding, ab 5 Jahren, Regie: Kay Dietrich, Eintritt 7,50–9,50 Euro, die nächsten Termine: www.atzeberlin.de