Marc-Uwe Kling hat mit seinen zwölfjährigen Zwillingstöchtern den lustigen und spannenden Fantasy-Krimi „Der Spurenfinder“ geschrieben. Es ist ihr erstes gemeinsames Buch. Wie ändert sich dabei das Familienleben? Wir sprachen mit dem Känguru-Mitbewohner.
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Marc-Uwe Kling, ist Bücherschreiben die neue Erziehungsmethode?
tip Berlin Marc-Uwe Kling, bitte erklären Sie mir „Der Spurenfinder“ in einem Satz.
Marc-Uwe Kling Eine Fantasy-Krimi-Komödie mit vielen überraschenden Wendungen und einem grandiosen Finale.
tip Berlin Sie haben den Roman gemeinsam mit Ihren zwölfjährigen Töchtern geschrieben. Ist das eine neue Erziehungsmethode?
Marc-Uwe Kling Es ist auf jeden Fall eine ziemlich gute Art und Weise, wie man Arbeit und Familienleben vereinbaren kann. Und endlich hat man bei der Arbeit kein schlechtes Gewissen mehr, dass man die Familie vernachlässigt.
tip Berlin Es wusste bislang vielleicht auch nicht jeder, dass dieser Marc-Uwe Kling nicht nur mit einem verhaltensauffälligen Känguru zusammenwohnt. Ist das Beuteltier jetzt neidisch auf Ihre Zwillinge?
Marc-Uwe Kling Das Känguru ist viel zu arrogant, um jemals neidisch auf irgendjemanden zu sein.
tip Berlin Wie kam es zum Buch mit den Kindern?
Marc-Uwe Kling Die Mädchen erzählen schon seit längerer Zeit, dass sie Schriftstellerinnen werden wollen. Weil sie das bei ihren Eltern sehen. Mama schreibt Bücher, Papa schreibt Bücher. Dann kamen sie mit der Idee an, ihr Schülerpraktikum bei mir zu machen. Das habe ich ihnen aber ausgeredet, weil ich keine Lust hatte, Praktikumszeugnisse zu schreiben. Aber ich habe gesagt, wir können sehr gern etwas zusammen schreiben.
tip Berlin Wäre auch sportlich, in zwei Praktikumswochen ein 330-Seiten-Buch zu wuppen. Selbst zu dritt.
Marc-Uwe Kling Unser Nichtpraktikum-Praktikum hat dann doch über ein Jahr gedauert.
tip Berlin Gab es dafür mehr Taschengeld?
Marc-Uwe Kling Wir teilen die Tantiemen. Vorab gab’s gar nichts! Das ist das Los eines Autors
Marc-Uwe Kling: „Ich sagte: ‚Macht es nicht so brutal, Kinder!‘
tip Berlin Sie haben eine magische Welt erschaffen: ein Königreich, ein Jahrmarkt mit einer ultra starken Frau, eine um einen Vulkan gebaute Stadt. Wie kamen Sie auf all das?
Marc-Uwe Kling Die Mädchen haben alles gelesen, was es an gängiger Fantasy-Literatur gibt. Komödie kam von mir rein. Und Krimi hat sich so ergeben. Wir hatten gerade viel „Sherlock Holmes“ gelesen und geguckt.
tip Berlin Die Hauptfiguren sind ein Vater und seine beiden Zwillingskinder Ada und Naru. Elos von Bergen, der Vater, ist kein Spurensucher, wie er immer wieder betonen muss, sondern ein Spurenfinder. Ein schnöder Detektiv war Ihnen wohl zu profan, oder?
Marc-Uwe Kling Das war die zweite Idee in diesem Genre-Mix. Nicht nur etwas zu schreiben, das uns Spaß macht, sondern auch etwas, das wir so noch nicht gelesen haben.
tip Berlin Elos muss einen deftigen Mordfall aufklären. Haben Sie sich keine Sorgen um den Nachtschlaf Ihrer Töchter gemacht?
Marc-Uwe Kling Ich wollte es entschärfen! Ich sagte immer: Macht es nicht so brutal, Kinder! Für sie war aber klar, es muss richtig viel passieren.
tip Berlin Spoiler: Dabei fließt auch Blut.
Marc-Uwe Kling Beim Plotten waren die Kinder ganz stark dafür, dass all das Krasse passiert, das im Buch dann auch geschieht. Nachdem wir dann mit dem Schreiben anfingen und sie die Figuren kennen, auch lieben gelernt hatten, hieß es plötzlich: Nein, das soll ihnen nicht passieren! Geht das nicht anders?
Marc-Uwe Kling: „Ich finde, Kinder müssen zu viel in die Schule gehen“
tip Berlin Waren Sie drei sich auch mal uneinig?
Marc-Uwe Kling Beim Plotten nicht. Es waren eher so Details, die umstritten waren. Namen, Haarfarben. Da haben wir schon mal Schnick-Schnack-Schnuck gespielt.
tip Berlin Wie haben Sie das Schreiben organisiert? Mit Zeitplan: 16 bis 18 Uhr ist Roman-Slot?
Marc-Uwe Kling Erst war das noch relativ entspannt. Als ich dann mit der ersten Hälfte des Romans zum Verlag gegangen bin, weil ich dachte, das wird ziemlich gut, und die gesagt haben: Ja, wir wollen das Buch rausbringen, und zwar noch dieses Jahr!, – dann gab es feste Zeiten, an denen wir schreiben mussten.
tip Berlin Haben Sie Entschuldigungszettel an die Schule geschickt: „Kinder kommen heute leider nicht, weil: Arbeit am Buch?“
Marc-Uwe Kling Ich war kurz davor. Ich finde ja, die Kinder müssen viel zu viel in die Schule gehen.
tip Berlin Muss man sich in der Familie auch selbst dazu anhalten, jetzt auch mal gerade nicht an dem Buch zu schreiben und etwas ganz anderes zu machen?
Marc-Uwe Kling Man lebt dann auch schon in zwei Welten gleichzeitig. Die Mädchen haben irgendwann gesagt: Das Buch zu schreiben war so ähnlich wie ein Buch zu lesen. Sie wollten wissen, wie es weitergeht. Und da sie nicht weiterlesen konnten, wollten sie weiter schreiben.
Marc-Uwe Kling: „Ich wäre ohne die Mädchen nie auf die Idee gekommen, das Buch zu schreiben“
tip Berlin Wollen beide Mädchen eigentlich immer noch Schriftstellerinnen werden?
Marc-Uwe Kling Sie haben gesehen, dass es Arbeit ist. Wer weiß, was mit dem Buch passiert. Aber wir haben alle drei sehr große Lust, einen zweiten Teil zu schreiben.
tip Berlin Ist das Gute an einer Fantasiewelt auch, dass Sie damit der aktuellen Beschissenheit dieser Tage ein Stück weit entkommen? Bei den sehr heutigen „Känguru“-Geschichten oder Ihren dystopischen „QualityLand“-Romanen ist das ja anders.
Marc-Uwe Kling Absolut. Es ist ein Urlaub vom Doom-Scrolling. Und ich finde, das ist auch total legitim und gesund. Wenn man sich die ganze Zeit mit dem Zustand dieser Welt befasst, muss man ja depressiv werden!
tip Berlin Auf welche Idee der Kinder wären Sie von allein gar nicht gekommen?
Marc-Uwe Kling Da muss ich ganz von vorne anfangen: Ich wäre allein nie auf die Idee gekommen, dieses Buch zu schreiben. Es ist aber schwer, die Ideen im Buch auseinander zu dividieren, Das war die Bedingung: Wir arbeiten immer zusammen. Niemand schreibt alleine.
tip Berlin Gab es Änderungen, die Sie vorschlugen und die die Kinder rundweg ablehnten?
Marc-Uwe Kling Ich konnte schon sehr überzeugend sein … – aber auf eine argumentative Weise!
tip Berlin Aber die beiden hatten im Zweifel ja immer die Mehrheit.
Marc-Uwe Kling Es gab nicht eine klare Kinder- und eine klare Erwachsenen-Meinung. Wir haben oft zwei zu eins abgestimmt, aber es war nicht immer: zwei Kinder gegen mich.
Marc-Uwe Kling, wie haben Sie es geschafft, dass Ihre Töchter noch keine Handys haben?
tip Berlin Dürfen die Kinder jetzt abends so lange lesen, wie sie wollen?
Marc-Uwe Kling Die dürfen sowieso so lange lesen, wie sie wollen. Schreiben auch.
tip Berlin Aber die Handys bleiben dann aus?
Marc-Uwe Kling Sie haben noch keine Handys.
tip Berlin Wie bitte haben Sie das denn geschafft?
Marc-Uwe Kling Die Mädchen wollten keines bisher, weil sie in ihrem Umfeld beobachtet haben, was aus Kindern wurde, mit denen sie bislang sehr gern gespielt hatten. Die hatten plötzlich dieses Gerät und haben nur noch da reingestarrt. Das hat meine Kinder irgendwie abgeschreckt. Vielleicht hilft es aber auch, dass ich zwei Bücher über die Fallstricke der Digitalisierung geschrieben habe und vielleicht seit Jahren subtil darauf einwirke, dass man auch vorsichtig sein sollte mit den Segnungen des Silicon Valley.
tip Berlin Sie sind auch keiner dieser Väter, die ihre Kinder in alle möglichen Instagram-Kanäle reinhalten. Wie gehen Sie jetzt mit den Kindern beim Thema Öffentlichkeit vor?
Marc-Uwe Kling Ich habe bisher die Kinder da bewusst herausgehalten, weil das nicht meine Entscheidung sein sollte. Wir haben im Vorfeld des Buchs viel darüber gesprochen, dass, wenn wir gemeinsam ein Buch schreiben, auch eine gewisse Öffentlichkeit entsteht. Wir haben dann gemeinsam entschieden, dass die Mädchen das okay finden. Aber auch, dass es Grenzen gibt. Zum Beispiel stehen sie nicht mit den echten Namen auf dem Buch. Sie machen keine öffentlichen Auftritte. Es gibt im Buch auch kein Bild von uns.
tip Berlin Nur Zeichnungen, die von Bernd Kissel stammen, der mit Ihnen auch für die Känguru-Comics zusammengearbeitet hat.
Marc-Uwe Kling Das sind nur so Scherenschnitte. Wir haben uns schon viele Gedanken gemacht, und ich glaube, wir haben einen ganz guten Weg gefunden. Hoffe ich. Aber fragen Sie mich in einem Jahr bitte noch mal.
- Marc-Uwe Kling, Johanna Kling, Luise Kling: „Der Spurenfinder“ Ullstein, 288 S., 19,99 €
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