In seinem Dokumentarfilm Eldorado verbindet der Schweizer Regisseur Markus Imhoof eine persönliche Geschichte mit der aktuellen FlüchtlingsproblematikIn ,Das Boot ist voll‘ kamen keine Boote vor, jetzt kommen sie vor und sind tatsächlich voll“, konstatiert Markus Imhoof. Damit schlägt der Schweizer Regisseur den Bogen zum Jahr 1981, als er mit seinem Film „Das Boot ist voll“ im Berlinale-Wettbewerb vertreten war. Der erzählte vom Umgang der Schweiz mit jüdischen Emigranten aus Nazi-Deutschland und wurde damals mit zahlreichen Preisen, darunter einem Silbernen Bären, ausgezeichnet. In seinem neuen Film „Eldorado“ geht es um die aktuelle Flüchtlingsproblematik.
Damals ein Spielfilm, heute ein Dokumentarfilm: Bei seinem vorangegangenen Film, dem weltweit erfolgreichen „More Than Honey“, merkte er: „Die Wirklichkeit kann man nicht inszenieren. Das Flüchtlingsthema jetzt mit Schauspielern zu machen, wäre mir fast obszön vorgekommen.“ Was den Film über das Bienensterben mit „Eldorado“ verbindet, ist der persönliche Bezug: Imhoof war noch ein ganz kleiner Junge, als seine Eltern ein Mädchen aus Italien, Giovanna, aufnahmen. Es ist „zwar eine tragische Geschichte, eine Kinderliebe, die kaputtgemacht wird, aber letztendlich auch der warme Nerv im Film, der eine Utopie zeigt – wie es sein könnte.“ Er habe lange überlegt, ob er diese persönliche Geschichte zulassen soll, bekennt Imhoof, ist aber letztlich froh, dass dieses Konzept aufging.
So funktioniert die Geschichte von Giovanna (und dem kleinen Markus), erzählt in einem Briefdialog der beiden jungen Menschen und in den Kinderzeichnungen des Regisseurs, als Kontrast zu den aktuellen Bildern. Für die begab sich Imhoof unter anderem an Bord eines Schiffes der italienischen Marine, bei den letzten Einsätzen im Rahmen der Operation Mare Nostrum, als sich einmal bis zu 1.800 Flüchtlinge an Bord des Kriegsschiffes befinden. Er geht mit den Flüchtlingen an Land, zeigt sie in ihren Unterkünften, mit versteckter Kamera gedreht in einem Camp, wo die Mafia sie als billige Arbeitskräfte zum Pflücken von Tomaten vermietet, und beim illegalen Grenzübertritt in die Schweiz, wo eine Gruppe von Befragern ihre Geschichten auf den Wahrheitsgehalt überprüfen soll.
„Wie wir die Flüchtlinge behandeln, kann man das fast vergleichen mit dem ‚Millionenspiel‘, so Imhoof (der sich damit auf Wolfgang Menges Fernsehklassiker bezieht), „wo auch ein Hindernislauf inszeniert wurde. Wir gehen ja nicht so sehr auf die individuellen Geschichten ein, vielmehr geht es um uns und darum, wie diese Menschen behandelt werden in dieser ganzen Maschinerie. Durch meine eigene Geschichte versuchte ich dabei, eine Reibung entstehen zu lassen.“
Ja, das sei sein physisch anstrengendster Film gewesen, bestätigt Imhoof, der mittlerweile 76 Jahre alt ist. Aber er erwähnt auch noch einen zweiten Strang der Erzählung, der zwei ganz unterschiedliche Familien beim monatelangen Warten an der syrischen Grenze beobachtet, aber schließlich der Länge wegen entfiel. Gut möglich also, dass sich sein nächster Film noch einmal mit dem immer noch aktuellen Thema beschäftigt.