Kommt nach dem Boom der moralische Kollaps? Einige Filme aus Südkorea zeigen, wie es um das Land bestellt ist, das derzeit im Schatten des bösen Nachbarn im Norden steht
In wechselnden Cafés sitzen, reden, flirten, essen und dabei Unmengen Soju trinken: Das ist die Essenz der Filme des momentan bekanntesten koreanischen Regisseurs Hong Sang-soo, der mit atemberaubender Geschwindigkeit einen Film nach dem anderen dreht. Manche sagen: immer denselben. Seine Connaisseure erwidern: Gerade die Variationen des immer Gleichen machen den Reiz aus. Letztes Jahr war Hong im Wettbewerb zu Gast, dieses Jahr ist er mit „Grass“ im Forum vertreten.
Im Ansatz ähnlich, im Kern aber grundsätzlich anders ist „Old Love“ (Foto) von Park Ki-yong, der vor genau 20 Jahren mit seinem Debüt „Motel Cactus“ schon einmal im Forum zu Gast war. Ein farbgetränkter wilder Liebesfilm war das damals, und fast könnte man denken, dass Parks Figuren von damals mit ihm zusammen älter und nachdenklicher geworden seien. Am Flughafen von Seoul begegnen sich ein Mann und eine Frau nach gut 30 Jahren wieder, sie ist gerade aus Kanada zu Besuch gekommen, er hat seine Tochter auf dem Weg zum Studium ins Ausland begleitet. Früher waren sie ein Paar, jetzt verbringen sie wieder Zeit miteinander. Auch hier, wie bei Song, wird viel geredet und getrunken, doch im Gegensatz zu seinem Altersgenossen blickt Park in die Vergangenheit. Von Melancholie und verlorenen Träumen sind die Gespräche geprägt, von einem Leben das hätte sein können und der Realität, die nicht das hält, was die Träume einst versprachen.
Eine andere Form der Trauerarbeit scheint dagegen Shin Dong-seok in seinem Debüt „Last Child“ zu erzählen: Um ein Ehepaar geht es, dessen Sohn dabei ertrank, als er einem Schulkameraden das Leben rettete. Dieses Schülers nimmt sich das Paar an, fast wird er zu einer Art Ersatzsohn, bis die Wahrheit über das Unglück offenbart wird. Die Träume, die hier zerbrechen, sind weniger persönlicher als gesellschaftlicher Natur, zeugen von einem moralischen Verfall, der auch in Korea immer frappierender wird.