Seit 1995 mischen Thomas Pigor und Benedikt Eichhorn die bundesdeutsche Kabarettszene auf. In ihren intelligent-humoristischen Programmen haben die Wahlberliner das eigene Musikgenre Salon-Hiphop kreiert und gehen seit jeher weder einem sperrigen Thema noch einer herausfordernden musikalischen Umsetzung aus dem Weg. Und sie bleiben sich auch in ihrem zehnten Programm „Pigor singt. Benedikt Eichhorn muss begleiten – Vol. X“ treu. Zum Glück, findet unser Autor.
Pigor und Eichhorn übertölpeln sich gegenseitig
Vor ein paar Jahren hat mal ein Freund seine Abneigung gegen Pigor & Eichhorn mit dem Satz begründet: „Das ist mir zu intelligent!“ Eine sehr spezielle Art der Argumentation: Sich selbst in ein schlechtes Licht zu stellen, um dem anderen den Wind aus den Flügeln zu nehmen.
Über Argumentationstrategien gab es bei diesem zehnten Programm des Salon-HipHop-Duos Pigor und Eichhorn einiges zu erfahren, zogen sich doch die verschiedenen Möglichkeiten, den anderen rhetorisch zu überzeugen beziehungsweise zu übertölpeln wie ein roter Faden durch das Programm „Pigor singt. Benedikt Eichhorn muss begleiten – Vol. X“.
Wobei: Das mit dem „Muss begleiten“ hat sich ja neuerdings etwas relativiert, hat sich doch Thomas Pigor nach 26 Jahren Duo-Geschichte endlich dazu durchgerungen, auf der Bühne Gitarre zu spielen, sich also zu begleiten. Und auch wenn im Zusammenspiel von Pigors Akustikgitarre und Benedikt Eichhorns Klavier noch Luft nach oben ist, tut diese neue Klangfärbung dem Ganzen gut, besonders dann, wenn Pigor in einem Song im Stile eines 70er-Jahre-Barden die Political Correctness verteidigt.
Auch neben den mit vielen lateinischen Ausdrücken demonstrierten Argumentationstheorien in den Zwischenansagen sind P&E wie immer auf der Höhe der Zeit: Es geht etwa ausführlich ums Gendern, und da haben die beiden eine prima Idee: Wie wäre es, statt Gender-Sternchen oder dem Innen-Anhang einfach das plattdeutsche Plural-S zu verwenden? Also Musikers statt Musiker*Innen, Doktors statt Doktor*Innen, Kabarettistens statt Kabarettist*Innen …
So politisch waren Pigor und Eichhorn noch nie
Man sieht: Selten war ein Programm des Duos so politisch, was aber dem intelligenten Spaß keinen Abbruch tut, sowohl in den Moderationen als auch in Pigors Songs. Etwa wenn in „Idioten“ darüber sinniert wird, dass der Prozentsatz an Deppen in jeder Bevölkerungs- oder Berufsgruppe gleich ist. Oder wenn im schmissigen Song „Ladekabel“ Abhaklisten verballhornt werden.
Einsamer Höhepunkt: Pigors im Song „Rente gehn“ mit Verve geschmetterte Aufforderung an die ältere Generation, sich bitte nicht aufs Altenteil zurückzuziehen und die Arbeit den inkompetenten Jüngeren zu überlassen. Fazit: Auch „Volumen X“ ist ein prächtig unterhaltender Chanson-Kabarett-Abend, wie ihn auf diesem Niveau im deutschsprachigen Raum nur Thomas Pigor und Benedikt Eichhorn hinbekommen.
- „Pigor singt. Benedikt Eichhorn muss begleiten – Vol. X“, bis 12.9.
- Bar jeder Vernunft Schaperstr. 24, Wilmersdorf, Tel. 030/883 15 82, Tickets im Vorverkauf 29,90–47,90 €, Abendkasse 26,20–41,70 €, ermäßigte Karten ab 12,50 €, www.barjedervernunft.de
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