Wer jetzt noch nicht im Dreck wühlt, hat den Frühling nicht verstanden.
Frühling, das bedeutet Anpflanzen, bis der Blumenkasten kracht. Und das Top-Equipment gibt es hierfür auch sonntags bei „Pflanzen-Kölle“ – meine Sprachkorrektur hat direkt in „Pflanzen-Hölle“ korrigiert und lag so falsch damit nicht.
25 Minuten lang tuckere ich im Kleinwagen über den Parkplatz – Stop-and-go zwischen offenen Kofferraumhauben, Forsythien- und Plumbago-Sträuchern. Ein Paar ist hinter mannshohen Bambuspflanzen nur noch zu hören. Wie die Scheiße eigentlich in den Ford gehen soll, wird da gefragt.
„Wie die Scheiße eigentlich in den Ford gehen soll, fragte sich ein Paar laut“
Vorm Eingang gleich der nächste Stau. In den Ablagen der Einkaufswagen-Karawane warten Zwergpudel, Shih Tzu und Kleinspitz auf die Weiterfahrt, eingefasst in winzigen Geschirren, auf denen „Führungskraft“, „Gangster“ oder „Security“ steht. Drinnen kehre ich dann erstmal ins SB-Restaurant ein. Als vegetarisches Gericht wähle ich Nummer zwei: Bratwurst mit Bratensauce – ohne Bratwurst, aber mit Sauerkraut. Es schmeckt, na ja, okay, aber offensichtlich nicht halb so gut wie dem älteren Herren mit Hosenträgern am Tisch gegenüber. Er schaufelt ein Riesenstück Sahnetorte parallel zur fettglänzenden Donauwelle in sich hinein, Respekt! Beim Betreten der Verkaufshalle geht es sofort zur Sache und Sigala Featuring John Newman fragen über Lautsprecher: „Why don‘t you give me your love?“ Aber so einfach ist das nicht zwischen fliederfarbenen Pony-Strähnchen, Barock-designten Gartenschaukeln, Präsentkörben voller Frusecco und Stiefmütterchen, sowie im Wind bimmelnden Dekorationen, die das Zeug dazu haben, die Nachbarschaft bis aufs Blut zu nerven. Wie soll man da bitteschön Liebe geben? Stattdessen werden Blumenkübel und kiloweise Erde durch die Gegend getragen von Menschen die Rolf, Ulrike oder Gerhard heißen. Mutter und Sohn inspizieren derweil Geschenk-Artikel, darunter Lama-Kaubonbons, Lama-Schokolade, Lama-Kekse und Lama-Schlüsselanhänger. Und falls sich jemand fragt, wann das letzte Einhorn gestorben ist: Es muss 2019 gewesen sein, als Lamas es aus seinem Lebensraum bei „Pflanzen Kölle“ verdrängten.
Hubert Jost, ein Steuerberater, sagte mal: „Pflanzen brauchen zum Gedeihen den Sonnenschein – Menschen den Applaus zum Glücklichsein.“ Und ich frage mich, ob hier, inmitten chaotischer Zustände zwischen Primeln und Strauchgewächsen, nicht eine tiefere Sehnsucht steckt, als die nach der Pflanze an sich. Ist es der Wunsch nach Bewunderung der Nachbar*in, deren Beet in Üppigkeit und Farbenpracht hinter dem eigenen elendig verblassen soll? Lautet die unausgesprochene Frage hinter Gartenzäunen nicht „Wann ist endlich wieder Sommer?“ sondern „Wer hat die schönste, größte, opulenteste… Hortensie?“ Zumindest darum muss sich nun niemand mehr Gedanken machen. Die letzte habe ich für 16,50 Euro gekauft.
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