Eine Stunde, nachdem die Ausstellung „Gerhard Richter. Abstraktion“ begonnen hatte, konnten wir sie mit Berlin Art präsentiert von Mastercard Priceless Berlin besuchen – als erste Gruppe überhaupt.
Der Teuerste! Der Berühmteste! Solche Superlativen treffen auf Gerhard Richter zu. Aber zutreffend beschreiben können sie sein Werk nicht. Der Zurückhaltende.
Das trifft eher auf den Menschen Richter zu, der nach der feierlichen Eröffnung seiner Ausstellung durchs Parkhaus verschwand. Der Suchende, so könnte man seinen künstlerischen Kosmos beschreiben. Und so ein Vortasten und Aufblättern in chronologischer Folge ist es auch, was der Ausstellung „Gerhard Richter. Abstraktion“ in Potsdam in wunderbarer Weise gelingt.
Die Schau eröffnet im ersten Raum mit Richters Vorhangbildern aus den 1960er Jahren, mit denen er sich erstmals von der figurativen Malerei hin zur Abstraktion bewegte. Noch sind die hellen und dunklen grauen Längsstreifen nicht reine Farbflächen, denn sie bilden einen Vorder- und Hintergrund, sie geben die wellenförmige Struktur eines grauen, etwas steifen Vorhangs wieder, und noch gibt es am unteren Bildrand die Andeutung eines dunklen Bodens. Aber diese Gemälde sind der Beginn von Richters lebenslanger Beschäftigung mit den Fragen der Farbflächen, des Farbauftrags, des Erzeugens von Perspektiven und der Sehnsucht des Betrachters, figurative Elemente in den Strukturen eines Gemäldes zu erkennen.
Gleich der zweite Raum der Ausstellung macht mit dem zweiten wichtigen Prinzip von Gerhard Richters Arbeit vertraut: Er lässt den Zufall in den Entstehungsprozess seiner Werke mit hinein. 1932 in Dresden geboren, hatte Richter den Nationalsozialismus miterlebt und sich später von der rigiden Vorgaben der SED-Kunstauffassung gelöst, indem er die DDR in Richtung Rheinland verließ. Richter entwickelte seine eigene, nichthierarchische Farbtheorie, indem er von den vorgefertigten Farbkarten aus den Farbenfachhandel ausging, und genau diese Farben in gerasterten Farbvierecken, angeordnet durch ein Losverfahren, auf der Leinwand aufbrachte – beispielsweise in „1024 Farben“ von 1973.
Dieses Zufallsprinzip findet sich beispielsweise ab Mitte der 1980er Jahre in den Arbeiten wieder, in denen Richter die Rakel als Malmittel einsetzt. Die Rakel, das ist eine Art Riesenlineal, das er in einem Zug über die Leinwand zieht und so die zuvor aufgebrachten, noch feuchten Farbschichten in Teilen ablöst und miteinander neu vermischt. „Durch den Zufall wird mir etwas geschenkt“, hat Gerhard Richter zu diesem Verfahren einmal gesagt.
Diese von Dietmar Elger, dem Leiter des Gerhard Richter Archivs an den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, gemeinsam mit der Barberini-Direktorin Ortrud Westheider hervorragend kuratierte Ausstellung konzentriert sich allein auf Richters abstrakte Arbeiten und führt in neun Räumen durch das Werk Richters, zeigt Prinzipien auf und macht Bezüge klar. So kommt das Kapitel „Detail und Geste“ noch einmal darauf zurück, wie Richter das Abstrakte und das Figurative denkt, diesmal Anfang der 1970er Jahre. Er fotografierte ein Detail seiner Malerpalette, auf der sich Farbschlieren vermischen, vergrößert dieses Detail mehrfach im Blow-up-Verfahren, und malte es dann – nach einem mehrfachen Vermittlungsprozess – großformatig auf die Leinwand. Was er sich bei so einer Arbeit denkt, wird Richter immer wieder gefragt. Seine Antwort: „Ich denke nicht, ich male ja.“
„Richters Gemälde haben eine bildeigene Schönheit, die nicht in Sprache übersetzt werden kann“, sagte die Kunsthistorikerin Gesine Harms sehr treffend, die mit einer phantastischen Führung den Richter-Kosmos nahe brachte. Über 90 Werke werden gezeigt, viele davon sind aus Privatsammlungen und daher kaum bekannt. Eine Ausstellung, für die sich der Weg nach Potsdam auf jeden Fall lohnt.