Produktküche

Das Barra in Neukölln

Die Essenz der Dinge: Ohne Allüren und Zubereitungsschabernack: So unspektakulär gut wie im Barra hat kulinarische Zeitgenossenschaft in Berlin noch nicht geschmeckt

C. Freeman Photography

Und plötzlich sitzen wir vor Tellern, die keiner Erklärung mehr bedürfen. Chicorée, Birne und Young Buck, ein nordirischer Blauschimmelkäse. Oder Sellerie, Quitte und geräucherter Aal von der Fischerei am Stechlinsee. Diese beiden Gerichte stehen exemplarisch für das, was es im Barra zu essen gibt. Eine Küche, die ganz leise, ja unaufgeregt daherkommt. Und die doch sehr selbstbewusst so schmeckt, als seien die ganzen Verwirrspiele, der Zubereitungsschabernack und all die erklärungs- oder zumindest doch erzählungsbedürftigen Fermentations-, Röst- oder Garverfahren einer neuen oder eben nordischen Küche nur das notwendige Vorspiel gewesen für einen Geschmack, der nun ganz bei sich selbst angekommen ist. Mag man in Kopenhagen (oder anderswo in Berlin) doch Moose extrahieren oder mit Ameisen süßen. Im Barra gibt es Chicorée, Birne und Young Buck. Oder Sellerie, Quitte und geräucherten Aal.

Jedes Produkt wird ernst genommen und nicht bloß zum Crumble, Schaum oder gar zur Geste reduziert. Vor allem aber ist jedes Produkt ex­trem sorgsam kuratiert. Die Eier von Hühnern etwa, die ein Bauer an der Oder so lange leben lässt, wie es die Hühner eben wollen. Deutlich kleiner werden diese Eier mit den Jahren. Vor allem: deutlich geschmacksintensiver.

Barra, das sind Daniel Remers und Neil Paterson in der Küche, wobei Remers fast drei Jahre Küchenchef im Industry Standard war. Zwei Briten also, was nebenbei auch die Vollmundigkeit dieser Küche erklärt. Und das ist Kerry Westhead an der Bar und den Flaschen mit entdeckungsdurstigen Naturweinen. Denn auch im Glas gilt, was über die Teller schon gesagt wurde: keine Exzentrik nur um der bloßen Exzentrik willen, sondern eine im (noch) kleinen sehr große Karte. Da passt es, dass auch das Interieur die Phase des Improvisierten galant ausgelassen hat. Holz aus Schottland, schlicht verarbeitet. Lampen, die nicht nur sehr schön sind (vor allem die keramischen über dem Tresen), sondern auch schönes Licht machen. Und zwar genau dort, wo man es haben möchte. An einem Lieblingsplatz im gegenwärtigen gastronomischen Berlin.

Barra Okerstr.2, Neukölln, Do–Mo ab 18.30 Uhr, www.facebook.com/barraberlin/

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