Die Bar Brass in der Bildgießerei Noack macht gerade nicht den Fehler, die Kulinarik mit der Kunst zu verwechseln. Zu Besuch an einem charismatischen, überzeugend vollmundigen Ort
Man könnte ob dieser Adresse glatt der Eitelkeit verfallen, von den Sphären der Kunst zu sprechen, in denen nun auch das Kulinarische angekommen sei. Der Koch als Künstler, jeder Teller ein Werk. Wäre ja naheliegend: Die Bar Brass, die entgegen des Namens ein sehr vollständiges Restaurant ist, gehört räumlich wie ideell zu Bildgießerei Noack, Familienunternehmen in der vierten Generation. Bildgießerei Noack? In betonrohem Ambiente werden hier im Norden Charlottenburgs nicht nur die Bronzen von Georg Baselitz oder Neo Rauch gegossen, sondern etwa auch die Berlinale-Bären. Und auch die reproduzierte Quadriga auf dem Brandenburger Tor wurde, noch am alten Standort in Friedenau, von einem Hermann Noack gegossen.
Einige scheinbar zufällig stehen gelassene Plastiken sind es denn auch, die die beiden lichten Gasträume mit der offenen Küche ganz unprätentiös bespielen. Ihre Botschaft: Hier muss sich niemand etwas beweisen. Die geschmackvollen Dinge, und mehr noch die Schmackhaften, leben ja gerade von der Leichtigkeit, mit der man sie inszeniert.
In diesem Sinne: Gastgeber Reza Daenabi und sein Küchenchef Oliver Frahm, der von Alfons Schuhbeck das Handwerk und aus dem Lumière in der Potsdamer Straße eine frankophile Lässigkeit mitgebracht hat, haben das vibrierende Konzept der Künstlergastronomie in die Gegenwart einer achtsamen Produktküche überführt. Oskar Wieners Exil, die Paris Bar, später das Grill Royal, ohnehin kann ja nicht genügend gewürdigt werden, wie sehr es gerade das Milieu der Kunst war, die das kulinarische Berlin durch jene Brot&Butter-Jahre gerettet hatte, die eigentlich erst mit diesem Jahrzehnt zu Ende gegangen sind. Gut und aufmerksam zu essen, das ist in dieser Stadt ja noch nicht allzu lange ein Thema.
In der Bar Brass – Brass wie das Messing, das in der Bildgießerei verarbeitet wird – erinnert man sich daran, dass der Restaurantbesuch doch immer auch eine soziale Bühne ist. Wie, um nicht von diesem Miteinander abzulenken, gibt es also Klassiker wie Steak Frites (28 Euro), Venusmuscheln (13 Euro) und Austern. Allesamt kommen sie an die schon jetzt patinösen Holztische heran, nicht ohne doch viel mehr zu sein als bloß wohlfeile Statusteller. Diese Feinheit (einerseits) und das immer auch Vollmundige (andererseits) setzen sich auch in der fast täglich wechselnden Abendkarte fort, wobei uns die Bar Brass dankenswerterweise vom Diktat eines kuratierten Menürestaurants befreit. À la carte gibt es neben den „Klassikern“ jeweils drei bis fünf wechselnde Vor-, Haupt- und Nachspeisen. Zu erwähnen sei kurz: Man wird selig satt.
Noch immer am Gaumen kitzelt uns ein Onsen-Ei, das samt Röstkartoffeln und Kartoffelschaum ein geradezu herzlicher Teller war. Unbedingt erwähnt gehört auch der Umgang der Küche mit allem Gemüsigen: die Süße, das Bittere, auch Röstaromen, Chicoree oder Rosenkohl sind hier Hauptdarsteller, egal ob als Beilage oder auf den vegetarischen Tellern.
Inspirierte, abwechslungsreiche, aber eben nie übermotivierte Wein- und Getränkeauswahl, handwerklich-hauptstädtischer Lunch (15 Euro inkl. Salat, Wasser und Kaffee), überzeugende Patisserie. Schließlich hat dieses neue, tolle Lokal in einem toten Winkel Charlottenburgs ja tatsächlich beinahe immer auf. Sie lohnt sich aber, diese Reise an den Rand mitten in der Stadt. Eine Wasserlage ist es noch dazu.
Bar Brass, in der Bildgießerei Noack, Am Spreeboard 9, Charlottenburg, Mo-So 10-23 Uhr, www.barbrass.de