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Das große Abenteuer: Der 1. FC Union Berlin spielt in der Bundesliga. Geht das gut?

Das große Abenteuer: Wird sich der 1. FC Union Berlin in der höchsten deutschen Spielklasse halten können? Eine Analyse von Thomas Winkler

Große Bühne statt Heidenheim und Fürth: Union will die Erste Liga aufmischen. Zum Auftakt gegen RB Leipzig wollen die Fans jubeln wie während der Aufstiegsfeier im Mai, Foto: Sarah Bergmann

Manch einer mag es morbide finden, für die Fans des 1. FC Union Berlin ist es Ehrensache: Am 18. August, zum ersten Spiel des Vereins in der Fußball-Bundesliga, wollen die Anhänger ihre toten Kumpels ins Stadion An der Alten Försterei mitnehmen. Nach dem Motto: Ach, hätte der das doch noch erleben können. Echte Treue zu Union, die geht bis in den Tod und sogar darüber hinaus.

Aber wir können Entwarnung für Friedhofsgärtner geben: Bislang gibt es keine Pläne, die Gebeine von verblichenen Fans auszubuddeln, um sie zum Saisonauftakt ins Stadion zu schmuggeln. Stattdessen haben Aktivisten aus der fidelen Union-Fanszene eine Aktion gestartet: Unter stadionbanner.vierc.de kann man ein Foto hochladen und für den Preis einer Stehplatzkarte wird dann ein 70 mal 70 Zentimeter großes Banner ausgedruckt, das auf der Tribüne präsentiert werden kann.

Wie viele Banner dann an jenem Sonntag zu sehen sein werden, das ist noch nicht klar. Es könnten mehrere Hundert werden. Schließlich hat der Verein lange genug gewartet, um endlich einmal in der Bundesliga zu spielen. 1989 war man zum letzten Mal erstklassig, da stieg man aus der DDR-Oberliga ab.

Was aber sicher ist: Die Tote-ins-Stadion-Aktion wird sich einreihen in die reiche Union-Folklore, in der die Fans ein ganz spezielles, zwischen sanfter Selbstironie und hemmungsloser Sentimentalität schillerndes Verhältnis zu ihrem Klub pflegen. Vom Blutspenden für Union bis zur Eigenleistung beim Stadion-Umbau: Die einzigartige Hingabe der Unioner ist längst legendär.

Trotzdem könnte der Aufstieg zu früh kommen für Union, zumindest geschäftlich. Schon in der zweiten Liga war die Alte Försterei allzu oft zu klein, die Auslastung schon mal 95 Prozent. Je erfolgreicher der Klub wurde, je bekannter die spezielle Fan-Kultur, desto schicker wurde ein Besuch in Köpenick. Schon zuletzt war es nicht immer einfach für altgediente Fans, ein Ticket zu ergattern. In der Bundesliga, fürchten manche, könnte es bei bestimmten Spielen unmöglich werden. Und der Ausbau des Stadions von aktuell gut 22.000 Plätzen auf knapp 37.000 ist erst für das Jahr 2020 geplant. Dann feiert der Verein seinen 100. Geburtstag.
In der höchsten Spielklasse freut man sich trotzdem schon jetzt auf den Klub, der zwar nie wirklich etwas gewonnen hat, aber mit seiner langen und besonderen Tradition dem Produkt Bundesliga eine weitere, willkommene Facette hinzufügen wird. Mit Union kehrt die Romantik zurück ins Oberhaus.

Zum schon jetzt historischen ersten Bundesliga-Spiel am 18. August schicken die Spielplan-Planer allerdings ausgerechnet RB Leipzig in die Alte Försterei. Der Verein aus der sächsischen Hipstermetropole wird bekanntlich von einem österreichischen Aufputschbrauseproduzenten finanziert und kontrolliert – und gilt mithin noch vor Hoffenheim als prominentester Vertreter der Kommerzialisierung des Fußballs und all seiner unguten Begleiterscheinungen. Die Antithese zum Selbstverständnis der Union-Fans und ihres Klubs: Leipzig will sich im Milliardenbusiness Champions League etablieren – Union möchte auf lange Sicht zu den besten 36 Klubs in Deutschland gehören und sieht den Aufenthalt in Liga Eins als herausfordernden Aktivurlaub.

Union hatte deshalb schon kurz, nachdem der Aufstieg feststand, darum gebeten, nicht gleich zum Auftakt Leipzig empfangen zu müssen. Ein Ansinnen, das die Deutsche Fußball-Liga (DFL) allerdings ignorierte. Nun befürchtet man bei Union, dass das Aufeinandertreffen der beiden fußballideologischen Antipoden im besten Falle dazu führen könnte, dass die geplante Freudenfeier unschöne Untertöne erhält – und im schlechtesten die Gefahr besteht, dass es zu handfesten Auseinandersetzungen zwischen den Fangruppen kommt. Union-Präsident Dirk Zingler hat sich als Kritiker von RB etabliert und verfügt, dass Union keine Spieler aus Leipzig verpflichten darf. Solche Profis, so Zingler, der einst selbst im Fan-Block groß geworden ist, wären „unseren Menschen, unseren Mitgliedern nicht vermittelbar“.

Tatsächlich hat keiner der sage und schreibe neun Neuzugänge zuvor in Leipzig gekickt. Die neuen Profis sollen das Team wettbewerbsfähig machen. Und tatsächlich finden sich unter ihnen einige prominente Namen: Der Nigerianer Anthony Ujah schoss für Bremen, Mainz und vor allem Köln schon 51 Bundesliga-Tore. Christian Gentner kommt ausgerechnet vom VfB Stuttgart, der von Union in der Relegation in die Zweitklassigkeit befördert wurde. Gentner ist immerhin fünf Mal für die deutsche Nationalmannschaft aufgelaufen, das letzte Mal allerdings im Jahr 2010. Und der ehemalige serbische Nationalspieler Neven Subotic spielte zehn glorreiche Jahre für Borussia Dortmund und galt zeitweise als bester Innenverteidiger der Bundesliga.

All diese Spieler sind nicht mehr die Jüngsten und haben ihre besten Tage hinter sich, aber sie bringen Erfahrung mit. Erfahrung, die man in Köpenick zu brauchen glaubt, wie Manager Oliver Ruhnert verkündete. Tatsächlich hat das Team in der Relegation nur denkbar knapp den Aufstieg geschafft, sportlich wird man sich in der Bundesliga – auch mit den Neuzugängen – sicherlich strecken müssen. Subotic, der mit seinen 30 Jahren schon viel erlebt hat, sieht das Unternehmen Klassenerhalt, so erzählte er der „Bild am Sonntag“, als „vielleicht die schwierigste Aufgabe meiner Karriere“.

Wenn Union nicht nur ein einjähriges Gastspiel in der Bundesliga geben will, wird Subotic zu alter Form finden und generell jeder Spieler an seine Leistungsgrenze gehen müssen. Dazu allerdings sind die Voraussetzungen gegeben, denn wo, wenn nicht in der Alten Försterei vor den besten Fans der Welt, sollten Spieler über sich hinauswachsen? Wenn es nämlich um die Anhänger geht, ob tot oder lebendig, war Union schon immer erstklassig. Und wird es immer bleiben, egal in welcher Liga.

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