Die vierte Welle rollt über Deutschland und auch Berlin ist ins Homeoffice zurückgekehrt. Die Arbeit zu Hause mag bequem sein, ist aber auch mit Herausforderungen verbunden. Zudem hat sich im Vergleich zum letzten Lockdown einiges geändert. Eine Fachanwältin für Arbeitsrecht hat uns die wichtigsten Fragen beantwortet: Bin ich im Homeoffice über meinen Betrieb versichert? Gilt mein positiver Coronatest als Krankschreibung? Und kann ich gekündigt werden, wenn ich mich nicht impfen lassen will?
Gesetzesänderung: „Beschäftigte müssen das Homeoffice-Angebot annehmen“
tipBerlin Frau Greve, Darf ein Unternehmen seine Angestellten derzeit zum Homeoffice „zwingen“, auch wenn es jemanden gibt, der partout lieber im Büro arbeiten möchte? Und umgekehrt: Gibt es einen gesetzlichen Anspruch auf Homeoffice?
Stephanie Greve Grundsätzlich gibt es für Beschäftigte keinen allgemeinen Rechtsanspruch auf Homeoffice. Umgekehrt können auch Arbeitgebende nicht gegen den Willen eines Angestellten Homeoffice zuweisen, da es sich um einen Eingriff in die Privatsphäre des Angestellten handelt und zudem ein Zugriff auf private Ressourcen des Beschäftigten erfolgt. Am 24. November 2021 traten aber bekanntlich diverse auf Bundesebene beschlossene Änderungen des Infektionsschutzgesetzes in Kraft. Am Arbeitsplatz wurde die sogenannte 3G-Regel eingeführt. Daneben müssen Arbeitgebende ihren Beschäftigten, zum Beispiel im Fall von Büroarbeiten oder vergleichbaren Tätigkeiten, anbieten, diese Tätigkeiten zu Hause auszuführen. Vorausgesetzt, dem steht nichts entgegen, zum Beispiel eine erhebliche Einschränkung der Betriebsabläufe.
Als Kehrseite müssen die Beschäftigten dieses Angebot annehmen, soweit ihrerseits keine Gründe entgegenstehen, zum Beispiel fehlende räumliche Gegebenheiten zu Hause oder Störungen durch Dritte. Diese Vorschrift gilt mit Vorbehalt bis zum 19. März 2022. Bleibt noch zu erwähnen, dass sich ein Anspruch auf Homeoffice aus einem Tarifvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder aber dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz ergeben kann – also dann, wenn andere Beschäftigte gänzlich im Homeoffice arbeiten, ohne dass dafür ein besonderer Grund vorliegt. Vereinbarungen zwischen der Chefetage und der angestellten Person sind im Individualfall immer möglich.
tipBerlin Muss ein Unternehmen die Arbeitsutensilien bezahlen, die man vom Büro nicht mit nachhause nehmen kann? Zum Beispiel einen Drucker, einen Schreibtisch, Schreibtischstuhl oder ein Festnetztelefon?
Stephanie Greve Verfügt eine Person zu Hause über keinen Arbeitsplatz, hat das Unternehmen die Kosten für die Einrichtung, zum Beispiel für Tisch oder Stuhl, in angemessener Höhe zu erstatten. Voraussetzung ist jedoch, dass der Arbeitsplatz nur für die betriebliche Tätigkeit genutzt wird. Die Kostentragungspflicht des Arbeitgebenden umfasst auch anteilige Kosten für die Einrichtung der „Bürofläche“ zu Hause, zum Beispiel Strom, Wasser, Gas, Telefon und Internet. Es bietet sich an, für Letzteres eine monatliche Pauschale zu vereinbaren, die dann steuerfrei ist.
Neue Verordnung: „Für Angestellte besteht jetzt auch zu Hause ein Versicherungsschutz“
tipBerlin Wenn die Arbeit im Büro irgendwann regulär weitergeht, gehören die neuen Arbeitsutensilien dann der beschäftigten Person oder dem Betrieb?
Stephanie Greve Die zur Verfügung gestellten Arbeitsmittel bleiben Eigentum des Unternehmens. Sie sind dann nach entsprechender Aufforderung zurückzugeben. Teilweise können die Arbeitsmittel jedoch auch noch nach Rückkehr an den Büroarbeitsplatz weitergenutzt werden – das hängt von der individuellen Absprache mit dem/der Vorgesetzten ab.
tipBerlin Ist man im Homeoffice auch über den Betrieb versichert? Wer haftet beispielsweise, wenn eine beschäftigte Person im Homeoffice einen Unfall hat?
Stephanie Greve Durch das während der Pandemie beschlossene Betriebsrätemodernisierungsgesetz wurde der Unfallversicherungsschutz ausgeweitet. Vorher galt der Weg innerhalb der Wohnung nicht als Betriebsweg, sodass faktisch kein Versicherungsschutz bestand. Nach der neuen Gesetzgebung besteht nunmehr für Angestellte im Homeoffice der gleiche Versicherungsschutz wie bei der Ausübung der Tätigkeit im Betrieb.
tipBerlin Darf ein Unternehmen Angestellte auf eine Dienstreise oder Fortbildung schicken, wenn diese aus Angst vor einer Corona-Infektion lieber zu Hause bleiben würden?
Stephanie Greve Nach der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales sind Dienstreisen während der Pandemie auf das für die Erfüllung der Arbeitsaufgabe notwendige Maß zu begrenzen. Bei der Anordnung einer Dienstreise handelt es sich um eine Weisung des Arbeitgebenden, die sogenanntem „billigem Ermessen“ entsprechen muss. Muss die Dienstreise in ein Risikogebiet erfolgen, gehört eine angestellte Person zu einer Risikogruppe oder kann die Dienstreise durch Besprechungen mittels elektronischer Kommunikationsmittel ersetzt werden, kann die Weisung „unbillig“ sein, mit der Folge, dass Beschäftigte dieser nicht nachkommen müssen.
tipBerlin Thema Ruhestörung im Homeoffice: Normalerweise darf man sich werktags, zum Beispiel durch Bauarbeiten in der Nachbarwohnung, nicht gestört fühlen. Was aber, wenn die eigene Wohnung zum Arbeitsplatz wird und man sich nicht konzentrieren kann, weil nebenan gebohrt wird?
Stephanie Greve Es handelt sich hierbei um Risiken des oder der Arbeitnehmer:in. Hier gilt, dass der beste Weg die Kommunikation ist: sowohl mit einem Nachbarn und wenn dieser nicht einsichtig ist, mit dem oder der Arbeitgeber:in.
Berlin im Homeoffice: „Nur wer geimpft ist, hat im Quarantäne-Fall Anspruch auf Entschädigung“
tipBerlin Frau Greve, gilt ein positives Corona-Testergebnis als Krankschreibung?
Stephanie Greve Nein. Für die Krankschreibung ist der Arzt zuständig. Sie muss gesondert erfolgen. Sofern jedoch ein positives Corona-Testergebnis vorliegt, muss sich die Person unverzüglich in Quarantäne begeben und das zuständige Gesundheitsamt informieren. Ist eine angestellte Person krank, erhält er oder sie Entgeltfortzahlung. Bei einer Quarantäne besteht für Geimpfte ein Entschädigungsanspruch nach dem Infektionsschutzgesetz, der vom Unternehmen ausgezahlt wird. Aktuell wird eine solche Entschädigung grundsätzlich nur Geimpften gewährt, sofern nicht ein Sonderfall vorliegt. Ausnahmen bestehen zum Beispiel für Personen, denen durch ein ärztliches Attest von einer COVID-19-Schutzimpfung abgeraten wird.
tipBerlin Das heißt, man kontaktiert im Falle einer Corona-Infektion am besten den Hausarzt telefonisch oder per Mail und bittet um eine Krankschreibung aus der Ferne? Verläuft das Ihrer Erfahrung nach immer reibungslos?
Stephanie Greve Bei Erkältungssymptomen sind telefonische Krankschreibungen weiterhin möglich. Das gilt noch bis zum Ende des Jahres. Regelmäßig lassen die Hausärzte Erkrankte, die entsprechende Symptome aufweisen, gar nicht mehr vor Ort in die Praxen hinein, sondern drängen auf die telefonische Darstellung der Symptome. Personen, die an leichten Atemwegserkrankungen leiden, können dadurch für bis zu sieben Tage arbeitsunfähig geschrieben werden, eine Verlängerung für weitere sieben Tage ist ebenfalls möglich.
tipBerlin Wenn sich eine angestellte Person in Corona-Quarantäne befindet, sich aber schon wieder gesund fühlt, darf er oder sie dann im Homeoffice arbeiten oder hat man während der Quarantänezeit eine „Schonpflicht“?
Stephanie Greve Sind Beschäftigte nicht zugleich arbeitsunfähig, sondern haben zum Beispiel einen symptomlosen Corona-Verlauf, müssen sie ihrer Arbeitsleistung im Homeoffice nachkommen – vorausgesetzt eine Tätigkeit kann vom Homeoffice aus erledigt werden. Hat ein Arzt jedoch eine Arbeitsunfähigkeit bis zu einem bestimmten Zeitpunkt attestiert, müssen Beschäftigte vor Ablauf dieses Zeitpunkts ihrer Arbeitsleistung nicht nachkommen. Wer sich dennoch in der Lage fühlt zu arbeiten, kann freiwillig, schon vor Ablauf der Krankschreibung, seine Arbeitskraft anbieten.
tipBerlin Mit Blick auf die Zeit nach dem Homeoffice: Darf mich mein:e Arbeitgeber:in entlassen, wenn ich eine Impfung generell ablehne und mich dauerhaft fürs tägliche Testen entscheide?
Stephanie Greve In Betrieben, in denen das Kündigungsschutzgesetz anwendbar ist, sind Kündigungen nur aus betriebsbedingten, verhaltensbedingten oder personenbedingten Gründen möglich. Solange die 3G-Regel gilt und also eine „Freitestung“ möglich ist, kann ein Unternehmen eine Kündigung grundsätzlich nicht auf eine Impfverweigerung stützen. Ausnahmen können in den Bereichen bestehen, in denen eine Impfung verpflichtend vorgesehen ist. In sogenannten Kleinbetrieben, mit weniger als zehn Beschäftigten, und während der ersten sechs Monate eines Arbeitsverhältnisses sind Kündigungen zudem ohne einen Kündigungsgrund möglich. Dennoch sind auch dort sogenannte „treuwidrige Kündigungen“ ausgeschlossen. Ohne eine gesetzliche Impfpflicht zählen dazu auch Kündigungen, die sich auf die Verweigerung der Impfung stützen. Dabei müsste dann im Zweifel der/die Arbeitnehmer:in in einem Prozess beweisen, dass Hintergrund für die Kündigung die Impfverweigerung gewesen ist, was regelmäßig schwerfallen dürfte.
Stephanie Greve ist Fachanwältin für Arbeitsrecht und in der Kanzlei Geiersberger Glas & Partner mbB tätig. Greve hat bereits zahlreiche Arbeitnehmer:innen und auch Unternehmen während der Corona-Krise beraten und News-Beiträge zu arbeitsrechtlichen Fragen verfasst.
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