Isabell Bungart campt seit dem 30. August auf einer Wiese in der Nähe des Reichstags in Berlin und unterstützt ihre Freund:innen, die in den unbefristeten Hungerstreik für das Klima getreten sind. Damit wollen sie die Kanzlerkandidat:innen unter Druck setzen und zu einem Kurswechsel hin zu radikaleren Maßnahmen gegen den Klimawandel bringen. Wir haben mit ihr über ihre Forderungen, die Reaktionen von Politiker:innen und die kalten Nächte gesprochen.
Hungerstreik vor dem Bundestag: Baerbock hat schon angerufen
tipBerlin Euer Streik geht jetzt seit gut zwei Wochen. Haben schon Politiker:innen reagiert?
Isabell Bungart Bisher waren einzelne Abgeordnete von den Linken und den Grünen hier. Und alle drei Kanzlerkandidat:innen wissen, dass es uns gibt und welche Forderungen wir haben. Annalena Baerbock hat uns auch schon angerufen. Da hat sie aber hauptsächlich gesagt, dass sie das gefährlich findet und möchte, dass wir aufhören. Scholz hat so ziemlich dasselbe auf Twitter gesagt. Und Armin Laschet hat beim Empfang vor dem Triell einmal kurz zu uns rüber geguckt und dann schnell wieder weggeguckt.
tipBerlin Was geht dir durch den Kopf, wenn Baerbock sagt, sie möchte nicht, dass ihr euch in Gefahr bringt?
Isabell Bungart Ich denke mir: Eure Politik ist viel gefährlicher. Also ich hätte auch nicht so gerne, dass meine Freund:innen hier hungern und 16 Tage nichts essen. Gerade in den letzten Tagen sind sie nämlich deutlich schwächer geworden. Es geht ihnen nicht gut. Aber genau darum geht es ja bei einem Hungerstreik. Außerdem: Im Vergleich dazu, was uns mit der Klimakrise erwartet durch den mörderischen Kurs, den wir jetzt fahren, ist das sehr wenig Leid. Schon jetzt sterben Menschen im globalen Süden durch die Folgen des Klimawandels und uns erwartet das auch.
tipBerlin Wie ist die Stimmung im Camp?
Isabell Bungart Es ist extrem stressig, besonders für die Hungerstreikenden. Die werden immer schwächer und halten Belastungen nicht mehr so lange aus. Manchmal setzen wir uns zusammen und sprechen darüber, wie es allen geht. Aber eigentlich eher selten, weil wir extrem viel zu tun haben.
tipBerlin Wie übersteht ihr die kalten Nächte?
Hungerstreik fürs Klima: Jetzt sogar ohne Saft durch die kalten Nächte
Isabell Bungart Wir haben alle Wärmflaschen, dicke Matratzen und natürlich Schlafsäcke und ganz viele Decken. Manchen von Streikenden ist trotzdem kalt, ist ja klar. Seit Montag haben die Hungerstreikenden die Säfte abgesetzt, um den Druck zu erhöhen. Unsere Forderung ist so einfach zu erfüllen: Ein Gespräch mit allen Bundestagskandidat:innen, in dem sie jeweils über unsere Forderungen sprechen und in dem wir sie konfrontieren können damit, dass ihre bisherige Politik nicht ausreicht.
tipBerlin Ihr fordert einen Bürger:innenrat, der über die Maßnahmen gegen den Klimawandel entscheidet.
Isabell Bungart Ja, eben weil keine Partei ein Programm hat, dass dem Klimawandel gerecht wird. Der Bürger:innenrat wäre losgelöst vom Einfluss der Großkonzerne und Lobbyismus. Dort entscheiden dann nämlich Menschen aus der Bevölkerung, die von Wissenschaftler:innen beraten werden.
tipBerlin Was ist, wenn in dem Klimarat Menschen sind, die den Klimawandel leugnen oder sich nicht für das Wohlergehen der Menschen im globalen Süden oder nachfolgender Generationen interessieren?
Isabell Bungart Das kann natürlich passieren. Aber zum Beispiel in Frankreich hat es ja schon einen Bürger:innenrat gegeben. Der war leider nicht verbindlich, Präsident Macron musste sich also nicht daran halten. Aber es war auch eine gemischte Gruppe aus der Bevölkerung. Und da war man überrascht, was für radikale Maßnahmen der Rat letztlich beschlossen hat. Ich bin davon überzeugt, dass Menschen, denen bewusst gemacht wird, wo wir uns jetzt befinden und was wir dagegen unternehmen können, sich für radikalere Klimaschutzmaßnahmen entscheiden.
tipBerlin Wie reagieren die Menschen, die hier vorbeikommen?
Viele haben das Gefühl, sie müssen sich mit unserem Protest auseinandersetzen, eben weil wir dieses radikale Mittel anwenden. Viele kommen dann auch zu dem Ergebnis, dass der Hungerstreik angesichts der Lage angemessen ist.
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