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Kampf gegen Corona

Impfstart in Praxen: Aller Anfang ist schleppend

Während die deutsche Impfkampagne in langsamen Schritten voranschreitet, markiert der April einen neuen Meilenstein: 35.000 Praxen fangen ihrerseits mit dem Impfen an – vorbei der Stress mit dysfunktionalen Hotlines, Websites und endlos viel Papierkram, nun geht alles ganz schnell. Oder?

Impfstart in Praxen: Jetzt geht alles schneller. Oder? Foto: Imago/Westend61

Impfstart in Praxen: Verschleppte Offensive

Der Anfang verläuft, wieder einmal, schleppend. So berichten unter anderem die Berliner Morgenpost und der SWR über viel zu geringe Lieferungen an Impfstoff. Und auch im Empörungsuniversum Twitter regt sich Unmut: Der Mediziner Jochen Schellmann gibt an, bereits im Vorfeld 500 Patient*innen geimpft zu haben, die er nun nicht abgerechnet bekommt, weil die Abrechnungsziffern erst ab 01.04. gelten.

Bei pro Impfung veranschlagten 20 Euro brutto ein deutlicher Ausfall – die Userin mit dem Namen Doc Frauke zählt auf, was davon alles bezahlt werden muss: „Praxisunterlagen ausdrucken, Anamnese erheben, untersuchen, impfen, dokumentieren, alle Einzelheiten an den Bund senden, 15 Minuten nachbeobachten, Nebenwirkungen behandeln.“ In einem Impfzentrum hingegen wird eine Impfung mit bis zu 150 Euro berechnet.

„The masked Doctor“ berichtet von annähernd 300 Anmeldungen gegenüber 48 vergebenen Terminen. Und von Mehraufwand: „[All das]hat meine beiden Kolleginnen, unsere Sekretärin und mich ca. 20 Stunden Zeit gekostet.“ – Er möchte zusätzliches Personal einstellen, um den Regelbetrieb aufrecht erhalten zu können. Und weist auf seine Steuerpflicht hin, die in Impfzentren oft nicht gilt.

„Wir kommen schnell an unsere Leistungsgrenzen“

Nun wird im Internet manch ein Sachverhalt gern etwas heißer gekocht. Daher ein Anruf beim Hausarzt, der lieber nicht namentlich genannt werden will, wie seine Eindrücke vom Impfstart in Praxen sind. Seine erste Lieferung umfasste 12 Dosen Biontech, also zwei Fläschchen. Bestellt hatte er 18. Auch andere Praxen in seiner Umgebung haben weit weniger geliefert bekommen, als bestellt.

Lieferungen erfolgen einmal wöchentlich, zumindest im Moment. Und Bestellungen sind nicht nur mengentechnisch eine Lotterie: Welchen Impfstoff man geliefert bekommt, erfährt man erst kurz vor Lieferung. „Eine Erhöhung der Lieferungen ist geplant, aber wir kommen dann schnell an unsere Leistungsgrenzen“, prognostiziert er.

Impfstart in Praxen: Zwischen Pflichtbewusstsein und latenter Frustration

Gegenüber anderen Impfungen seien die Covid-Vakzine komplizierter, allein die 15 Minuten Nachbeobachtung pro Patient*in rauben viel Zeit. Auch müssen – zumindest die mRNA-Stoffe – die Dosen in einem Zeitraum von ein bis sechs Stunden verimpft werden. „Selbst wenn es genügend Impfstoff gibt, wird das eine lustige Geschichte“, sagt er, die Umstände erfordern eine enge Taktung und viel Telefondienst fürs Personal. Zudem melden sich allzu impfwillige alte Bekannte, „Telefonterror aber bleibt bisher aus.“

Zusätzliches Personal kann und will er sich nicht leisten, die Impfungen müssen in Pausen, an freien Tagen und nach Feierabend erfolgen. Denn: Der Regelbetrieb muss aufrechterhalten werden. Und die geringe Entlohnung der Impfungen würde die zukünftige Budgetierung der Praxis ansonsten beschneiden.

Vieles klappt noch nicht: „Vielleicht waren wir einfach ein bisschen früh“

Und die Bürokratie? „Wir müssen nicht den ganzen Papierkrieg der Impfzentren leisten, das ist tatsächlich unkomplizierter.“ Terminkarten gab es sogar zu den Dosen dazu, an der Zahl drei. Nachbestellbar sind sie theoretisch bei Biontech, derzeit aber vergriffen. Die Organisation der Nachfolgetermine sei ohnehin schon ein immenser Verwaltungsaufwand.

Die Sticker für den Impfpass wurden aber nicht zusammen mit dem Impfstoff geliefert. Selbst ausdrucken ist die Devise. Und das nötige Dokument war am ersten Tag nicht abrufbar – inzwischen geht es aber: „Vielleicht waren wir einfach ein bisschen früh.“ 

Ein Satz, der nach einem Jahr Vorausplanung mit Blick auf die Regierung schwer nachhallt.


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