Das Restaurant eins44 in Neukölln steht schon seit 2014 für Fine Dining. Es gehört seit Beginn zu unseren Favoriten in dieser Klasse. Und natürlich haben wir es schon mit unserem tip Weinmahleins besucht. Trotzdem: auch diesmal war der Raumeindruck – die sorgsam restaurierte Industriearchitektur mit der hohen Decke und der eingebauten Empore – wieder überwältigend. Um 1900 gebaut, wurden dort 70 Jahre lang Essenzen zur Herstellung von Likören destilliert. Verschiedene Nachnutzungen folgten, bis vor fünf Jahren das Restaurant eins44 einzog. Die grünen und weißen Fliesen, die auch das Deckengewölbe zieren, sind mit viel Liebe zum Detail ausgewählt worden. Schwere Eisenlampen beleuchten den Raum. Die Tische sind aus massivem Buchenholz. Eine Atmosphäre, in der man sich sofort wohlfühlt.
Wunderschön. Doch der Grund, warum wir mit dem Weinmahleins wiederholt im eins44 eingekehrt sind, war ein anderer: Küchenchef Tim Tanneberg. Seit eineinhalb Jahren verantwortet er, welche Teller die Küche über den Pass verlassen. Tanneberg hat 15 Punkte im Gault Milleau erkocht, mit nur 26 Jahren. Der Restaurantleiter Jonathan Kartenberg ist kaum älter. Und was Tanneberg uns an diesem Abend anbot: mit Understatement angekündigt und großartig. Auf der Menükarte las man nur Dreiklänge. 1. Gang: Gurke, Petersilie, Holunder. Ein extrem harmonisch abgestimmter Teller, in dem dennoch jedes Produkt zur Geltung kam. Spektakulär hingegen der Gang 2: Mit Austerneis. Weiß und muschelförmig thront es auf Sellerie und noch mehr Muschel, alles mit einer zitronigen Note abgestimmt.
Der Hauptgang, das von Havelland Express gelieferte Kalbfleisch, kam als sagenhaft zarter Tafelspitz mit Sauerrahmmolke. Auch hier wieder: Tanneberg haut nicht mit starken Aromen drauf, sondern lässt Produktqualitäten die Hauptrolle spielen – gern in überraschenden Konsistenzen. Und immer wohl abgestimmt. Was auch für das Dessert galt mit einem Karottenkuchen, Mandarinensorbet und Schaum von Buttermilch.
Und der Wein? Der junge Winzer Marcus Hees hatte uns Riesling und Weißburgunder aus einem Seitental der Nahe mitgebracht, das so kühl ist, dass die Trauben oft noch bis in den November hängen bleiben können. Doch Marcus Hees bestritt den Abend nicht alleine, sondern gemeinsam mit Tobias Fricke vom Gut Hermannsberg. Dieser läutete den Abend mit einem 23 Monate in der Flasche gereiften Rieslingsekt ein. Perfekt! Riesling ist die bevorzugte Rebsorte auf diesem Weingut. Doch der Weißweinabend passte hervorragend zum Menü. Auch hier wieder: eine Harmonie, in der jede Komponente zu ihrem eigenen Recht fand, das Leitthema des Abends. Tim Tanneberg, so unsere Prognose, ist ein Küchenchef, von dem man in Zukunft noch viel hören wird.
Text: Stefanie Dörre
Fotos: F. Anthea Schaap
Restaurant eins44, Elbestraße 28/29, 12045 Berlin-Neukölln, Di-Do ab 19 Uhr, Fr+Sa ab 18.30 Uhr, Tel. 030 62 98 12 12
Die Weine der Weingüter Hees und Gut Hermannsberg finden Sie in Berlin u.a. in den Filialen des Weinladens Schmidt.