Das Globe Berlin eröffnet seine Freilufttheatersaison mit dem Familienstück „Ameley, der Biber und der König auf dem Dach“, einer Adaption des Aschenputtel-Motivs. Das Publikum sitzt im Zentrum der ringsum ablaufenden Action – die für Kinder ein großer Spaß ist. Unser Autor hat Tankred Dorsts Stück gesehen.
„Ameley, der Biber und der König auf dem Dach“ auf der Rundum-Bühne im Globe
Nanu, kein Shakespeare zur Eröffnung? Nicht nur mit seinem Namen verweist das Berliner Globe Ensemble schließlich auf den berühmten Elisabethaner, der das originale Londoner Globe Theater 1599 mit seiner Schauspieltruppe eröffnet hatte und der Hausautor war. Auch in Berlin wird ja ein Globe Theater entstehen. Die Einzelteile zumindest sind inzwischen alle da. Auf dem Standort auf der Mierendorff-Insel in Charlottenburg wird der zerlegte hölzerne Rundbau des Globe Theaters noch zwischengelagert, bis im nächsten Jahr hoffentlich alle nötigen Genehmigungen endlich beisammen sind und das „Wooden O“ errichtet werden kann.
Die mächtigen fünf Meter hoch aufeinandergestapelten Holzbalken begrenzen ringsum den Spielort. Einige der Einzelteile – Balken, Planken, zusammengezimmerte Stege – dienen nun als Rundum-Bühne, das Publikum sitzt in der Mitte, allseitig spielt sich das Geschehen ab. Wie bei Shakespeare im 16. Jahrhundert soll es im Innenraum des Globe Berlin später übrigens nur Stehplätze geben.
Singer-Songwriterin Maike Rosa Vogel vertonte alle Lieder
Doch eben nicht wie sonst mit einer Shakespeare-Inszenierung (die folgt am 16.6. mit „Wie es Euch gefällt“), sondern mit dem Familienstück „Ameley, der Biber und der König auf dem Dach“ von Tankred Dorst startet das Globe Berlin in seine nunmehr vierte Freiluftsaison. Mathias Schönsee hat das Stück für Menschen ab sechs Jahren inszeniert, die wunderbare Singer/Songwriterin Maike Rosa Vogel vertonte die zahlreichen Lieder, die Dorst bereits vorgesehen und getextet hat. Das Stück geht auf ein Rheinmärchen von Clemens Brentano zurück, aber auch Motive aus „Aschenputtel“ klingen deutlich durch.
Ameley trifft auf einen ziemlich vergesslichen König
So wird das Findelkind Ameley (Helena Krey) von der chronisch schlecht gelaunten Frau Wirx (Saskia von Winterfeld) und deren Tochter Murxa (Astrid Köhler) schikaniert und als Dienstmagd ausgebeutet, die gutmütige Ameley erträgt diese Willkür erstaunlich geduldig. Immerhin kann sie die Sprache der Tiere verstehen. Als sie ihren Schinderinnen die Prophezeiung einer Amsel übersetzt, dass „eine Krone“ kommen wird, was als Prinz auf Freiersfüßen gedeutet wird, will die miese Frau Wirx Ameley als mögliche Konkurrentin für Murxa ausschalten.
Sie schickt sie in den Wald, angeblich, um einen Topf Honig für die Hochzeitstorte zu holen. Doch den bewacht des Nachts eine fürchterliche Eule; Ameley muss sich also beeilen, um den Honig vor Einbruch der Dunkelheit zu erreichen. Dummerweise halten sie unterwegs allerlei seltsame Wesen auf, die Ameley aus diversen Notlagen befreit, darunter sind auch die titelgebenden Figuren Biber (Rahul Chakraborty) und ein ziemlich vergesslicher König (Peter Beck).
Sämtliche Instrumente werden vom Ensemble live gespielt
Regisseur Schönsee nutzt geschickt die umgebende Natur, Bäume, Blattwerk, singende Vögel, als willkommene Mitspieler. Wenn die Amsel singt, dann zwitschert irgendwo tatsächlich ein Vogel im Geäst. Das sechsköpfige Ensemble, das sämtliche Instrumente live selbst spielt, tritt wie eine anarchische Gauklertruppe gut gelaunt im Song-Prolog als Chor und Orchester in Personalunion auf und führt in bester epischer Theatertradition in die Handlung ein. Mit viel Lust an komödiantischer Übertreibung steigen die Schauspielenden in ihre eindimensional vorgezeichneten Charaktere ein, die zur klareren Skizzierung meist auf eine emotionale Zuordnung beschränkt sind: das Hündchen ist ängstlich, der Biber forsch, der König herrlich verpeilt. Eine Feier der Charge.
Ironische Kommentare auf einer Metaebene gibt auch das Kostümbild (Katherina Piriwe), etwa indem dem Mädchen Ameley ein rotes Käppchen verpasst wird. Sie trifft im Wald dann aber auf keinen Wolf, sondern auf Werte: Freundschaft, Solidarität und Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Und am Ende wartet auch kein Prinz auf Ameley, sondern ein wiedergefundener Vater und eine bunte, selbstgewählte Familie.
- Ameley, der Biber und der König auf dem Dach Open-O-Bühne, Sömmeringstr. 15, Charlottenburg, So 12.6.+19.6., 15 Uhr (+ weitere Termine), 12,50–25/ 9,50–16 €, online
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