Velvetundergroundig: Kevin Morby will nach Leonard Cohen klingen und tut es kein bisschen. Egal!
Songwriter gibt es so häufig wie Phil-Collins-CDs in 1-Euro-Grabbelkisten. Alleinstellungsmerkmale sind rar in einer Berufsgruppe, deren Phänotypus – Mann/Frau mit Gitarre/Klavier singt selbst verfasste Lieder – eher Ähnlichkeiten als Unterscheidbares betont. Da ist es von Vorteil, wenn man sich auf Kernkompetenzen seiner Zunft verlassen kann. Die Songs. Und die Stimme. Damit ist Kevin Morby bislang nicht schlecht gefahren. Der 31-Jährige, geboren in der texanischen Stadt Lubbock (der einst der Countrysänger Terry Allen ein musikalisches Denkmal setzte), bekennt sich zu wenig überraschenden Vorbildern wie Bob Dylan, Leonard Cohen und dem frühen Lou Reed. Aber was er daraus macht, ist beeindruckend.
Auf seinem vierten Album „Oh My God“, das, der Titel deutet es an, vage und eher skeptisch um die Idee einer zeitgenössischen Religiosität kreist, hat sich Morby als Komponist und Interpret konsequent weiterentwickelt. Unterstützt von handverlesenen Begleitern (darunter Meg Duffy, famos an den Gitarren, und Elvis Perkins am Moog-Synthesizer) entwickeln die Stücke eine beachtliche Komplexität. Die Arrangements strecken Fühler in Richtung Gospel (naheliegend), Progrock (interessant) und velvetundergroundigem Radau (verblüffend) aus. Und Morby intoniert seine Lieder mit einer Stimme, die niemals an Cohen, selten an Dylan (circa 1976), öfter an Reed und fast immer an einen der geschmeidigsten Sänger seiner Generation denken lässt.
Festsaal Kreuzberg Am Flutgraben 2, Treptow, Sa 15.6., 20.30 Uhr, ausverkauft