Interview

Können wir in Berlin bald wieder auf richtige Live-Konzerte gehen?

Endlich wieder richtige Konzerte in Berlin? Die neuen Lockerungen des Senats lassen hoffen. Wie der Ein-Mann-Veranstalter Ran Huber mit der Krise umgeht.

Bald gibt es wieder draußen Konzerte in Berlin.
Bald gibt es wieder draußen Konzerte in Berlin. Aber mit mehr Abstand bestimmt. Foto: imago images/POP-EYE

Die neuen Corona-Lockerungen des Berliner Senats sehen vor, dass Veranstaltungen draußen, als auch in geschlossenen Räumen mit stufenweiser Erhöhung der Zuschauerzahl unter Einhaltung der Hygieneregeln ab Juni möglich sein werden. Können wir uns also bald auf Konzerte abseits des Bildschirms freuen? Ran Huber bringt mit seiner Agentur amSTARt erfolgreich seit Jahren kleinere Acts und vielversprechende Newcomer auf die Berliner Bühnen. Wir haben mit dem Ein-Mann-Veranstalter über die Schwierigkeiten und Chancen dieses Berliner Konzertsommers gesprochen.

tipBerlin Konzerte sollen unter bestimmten Einschränkungen wieder möglich sein. Hattest du für diesen Fall schon Konzepte in petto?

Huber Nicht direkt. Ich habe mir in den vergangenen Monaten Konzepte ausgedacht für meine Veranstaltungen, aber auch für das Festival Down by the River, wo ich Teil des Teams bin. Das hätte Ende Mai im Garten des About Blank stattfinden sollen. Wir haben uns jedoch schon recht früh dafür entschieden, es komplett ins Netz zu verlegen. Damals war uns noch nicht klar, dass solche Events wieder möglich sein werden, aber wir wussten, dass wir selbst dann womöglich noch viel mehr Arbeit hätten. Zum einen geht es um die Sicherheit der Gäste und zum anderen auch um uns als Veranstalter, die letztlich die Verantwortung tragen. Denn so eine Situation wie am Urban-Hafen wollten wir nicht erleben. Das About Blank lässt natürlich nur eine bestimmte Anzahl von Gästen zu, aber wir wollten kein Risiko eingehen.

Alternative Konzepte statt Konzertstreams

tipBerlin Wie wird das Down by the River-Festival online aussehen?

Huber Wir freuen uns, dass die bereits gebuchten Künstler auch bei der neuen Version zugesagt haben. Das fand ich überraschend, denn viele Künstler, mit denen ich arbeite, hatten gar keine Lust auf Livestreams. Das ist ja auch verständlich, denn das ist einfach nicht vergleichbar mit einem echten Konzert. Wir haben bei Down by the River die Künstler beauftragt, ein neues Werk zu schaffen. In der Wahl des Formates sind sie sehr frei. Wir wollen damit Streams aus einem Wohnzimmer oder von einer Bühne in einem leeren Club umgehen. Das hat zwar auch seinen Reiz, aber wenn die Veranstaltung live und analog geplant war, dann hat es für uns in diesem Fall eben keinen Reiz.

tipBerlin Wie können diese alternativen Beiträge denn aussehen?

Huber Es könnte ein Musikvideo sein oder ein geschriebenes Manifest. Aber wir halten uns sehr zurück mit Vorschlägen, denn das soll allein von den Künstlern kommen. Eine wirklich originelle Idee ist von einer Künstlerin, die ein „Sleep-over“ bei sich machen möchte. Sie veranstaltet mit ihren Freunden quasi eine Pyjamaparty und man kann per Stream den Abend und die Nacht über dabei sein, was auch immer dort passieren wird.

tipBerlin Also es steht nicht mehr so sehr die Musik im Vordergrund, sondern die Künstler*innen und ihr/sein jeweiliger kreativer Output?

Huber Genau. Der große Konflikt ist ja, dass die Künstler und Veranstalter in einer scheiß Position sind. Denn es geht ja um Live-Konzerte und die Stimmung, die dabei aufkommt. Und das ist absolut nicht übertragbar ins Netz. Jemand, der auf’s Konzert gehen wollte, schaut sich nicht per se auch den Stream an. Vielleicht noch bei größeren oder bekannteren Künstlern. Ich arbeite aber meistens mit Newcomern oder kleineren Bands. Also wussten wir, dass Konzert-Livestreams nicht sonderlich sexy sind, vor allem wenn jetzt der Sommer kommt – wer setzt sich dann noch um acht Uhr abends vor seinen Rechner oder sein Handy? Klar, geht alles. Aber meine Aufgabe als Veranstalter und Promoter ist es, das allen Beteiligten schmackhaft zu machen.

tipBerlin Hast du solch alternative Formate bei denen Veranstaltungen bereits erprobt?

Huber Ich habe gerade alles abgewickelt für mein erste virtuelle Veranstaltung. Das wird eine Show mit Dane Joe, einer Berliner Musikerin und shishi, einem litauischen Trio. Die sollten eigentlich am 25. Juni im Urban Spree spielen. Jetzt wird es eben gestreamt. Dafür hat Dane Joe extra eine Art langes Video gedreht, was eine Mischung ist aus Konzert und Musikvideo. Sie hat sich in einem speziellen Studio eingemietet, Setdesign machen lassen, befreundete Musiker eingeladen und will nur neue Lieder von ihrer Platte spielen, die nächstes Jahr erscheint. Solch ein Alternativformat macht da für mich Sinn, weil es eine andere Atmosphäre hat als ein Livekonzert und einen eigenen Reiz entwickeln kann.

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Huber veranstaltet wieder Konzerte in Berlin

tipBerlin Gab es nicht die Überlegung, es jetzt doch spontan im Urban Spree stattfinden zu lassen oder auf einen späteren Zeitpunkt zu verlegen?

Huber Bei aller Flexibilität kamen die neuen Lockerungen für mich jetzt zu kurzfristig. Urban Spree hat ja bereits darauf reagiert, indem sie ihren Biergarten aufgemacht haben. Den Club können sie bisher noch nicht nutzen. Wie bei allen geht es jetzt erstmal darum, die Umsatzverluste wieder reinzubekommen. Aber wir haben eine Möglichkeit gefunden, wie ich zwei Konzerte veranstalten kann, die im August in der Berghain Kantine hätten stattfinden sollen.  

tipBerlin Wie sieht diese aus?

Huber Das werden Outdoor-Konzerte im Biergarten sein. Der ist ziemlich großzügig und da passen 200 Leute rein, wie in die Kantine. Natürlich wird es da Beschränkungen geben. So kann ich zum Beispiel keinen Eintritt verlangen. Für die Künstler und mich ist das dennoch eine sehr befriedigende Lösung.

tipBerlin Wieso ist es nicht möglich, Eintritt zu verlangen?

Huber Der Betrieb des Biergartens geht vor. Allerdings wird von den Besuchern eine Spende erbeten und diese Einnahmen werden geteilt. Die eine Hälfte bekommen die Künstler und ich, die andere bekommt Urban Spree. Darauf muss man sich einlassen. In Anbetracht der aktuellen Umstände ist das schon eine korrekte Lösung. Die verlangen dafür keine Miete, die normalerweise fällig wird. Ich muss nur darauf achten, dass das Konzert um 10 Uhr beendet sein muss. Das hat mir Lärmschutz zu tun.

tipBerlin Und wie steht es um das Einhalten der Hygieneregeln? In einem Biergarten sitzt man zusammen, bei einem Konzert möchte man ja auch tanzen, nah an die Bühne ran.

Huber Das Gelände ist ziemlich groß und ich setze auf die Vernunft der Leute. Konkrete Regelungen, auch bezüglich der Verantwortung klären sich in den nächsten Tagen. Klar ist bereits jetzt, dass ich und die Künstler darauf achten müssen, unsere Leute möglichst pünktlich in den Laden zu bekommen.  Der Biergarten steht natürlich allen Besuchern offen und ich gönne jedem, der da einfach sein Bier trinken möchte, noch ein Konzert mitnimmt. Die Schwierigkeit für uns hierbei ist allerdings, dass da Leute sein werden, die wirklich nur Bier trinken quatschen wollen und die eigentlichen Fans nicht mehr reinkommen, weil die Kapazitäten schon voll sind. Das sind die Haken an so einem Format.

Konzerte mit Hygienekonzept lohnen sich finanziell nicht

tipBerlin Hoffst beziehungsweise denkst du, dass die neuen Lockerungen zu einer Verbesserung der angespannten Lage für Konzertveranstalter beitragen können?

Huber Bei dem Modell, das ich beschrieben habe, fließt etwas Geld, aber nur ein Bruchteil des normalen Umsatzes. Es hilft natürlich, aber auf Dauer ist es nicht genug. Die Netzformate bringen zwar Geld durch Spenden rein aber sind wohl unterm Strich auch nicht mit dem vergleichbar, was man sonst generieren würde. Modelle zu entwickeln, die jetzt unter den gültigen Beschränkungen wieder ganz normales Geld reinbringen – daran zweifle ich.

tipBerlin Kannst du dir vorstellen, dass in absehbarer Zukunft auch drinnen wieder Konzerte stattfinden werden?

Huber Ich und andere in meinem Umfeld sind der Ansicht, dass da gar nichts geht. Geschlossene Räume begünstigen die Verbreitung des Virus am meisten. Klar ist es in den letzten Wochen alles lockerer geworden und es scheint, als wäre es den Leuten mittlerweile auch recht egal. Natürlich ist es möglich, dass mal im Astra, wo eineinhalb tausend Leute reinpassen, vierhundert Leute reinlässt. Aber wie werden die Leitsysteme aussehen, muss man auf den Boden Schachmuster zeichnen, wo die Leute sich reinstellen? Natürlich, wenn das ein Dauerzustand sein wird, werde ich mich da tiefer reinstürzen. Da gehört allerdings schon eine Portion Idealismus dazu, denn da kann es nicht um Geld gehen.

Förderung hält Huber über Wasser

tipBerlin Und wie hältst du dich und deine Agentur momentan über Wasser?

Huber Ich habe alle Shows gestrichen, bei denen ich weiß, dass es keinerlei Einnahmen gibt. Ich mache nur noch die, die ich gefördert bekomme. Das Musicboard Berlin fördert ca. ein Fünftel meiner Shows pro Jahr. Und da ist es so, bevor man das komplette Geld für bereits geförderte Projekt komplett zurückzahlt, kann man ein Alternativkonzept vorschlagen. Insofern sind die Künstler der Urban Spree-Lösungen und bei meinem Onlinekonzept abgesichert. Auf der anderen Seite habe ich keine Eintrittsgelder und muss meine Kalkulationen umstellen. Dennoch bin ich in einer leicht privilegierten Situation. Das hat mich gerettet. Bei den anderen Shows, die ich sonst mache, habe ich momentan kein großes Bedürfnis, Modelle zu entwickeln. Das werde ich wahrscheinlich früher oder später schon machen. Es geht um die zwar um die Existenz, aber ich möchte ja auch für die Leute Konzerte veranstalten.

tipBerlin Was hältst du von der Idee des Kultusenators Klaus Lederer, öffentliche Plätze wie zum Beispiel Parks vermehrt für Kulturveranstaltungen zur Verfügung zu stellen?

Huber Ich habe schon lange darüber nachgedacht, Konzerte im öffentlichen Raum zu machen. Mit einer Pritsche, wo man Equipment draufstellt. Normalerweise ist es wahnsinnig schwierig, für solche Sachen eine Genehmigung zu erhalten. Wenn das jetzt einfacher gehen sollte, halte ich es für eine gute Idee. Ich bin zwar momentan gut ausgelastet, aber wenn die aktuelle Situation ein Dauerzustand sein sollte, werde ich auch da nach Möglichkeiten suchen.

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Efterklang spielten am 10. Februar ein Record-Release-Konzert im Admiralspalast. Für alle Fans der dänischen Indierock-Band zeigen wir einen Höhepunkt der Show noch einmal exklusiv – den Song „Modern Drift“ vom Album „Magic Chairs“. Clubs wie das Sisyphos und About Blank öffnen ihre Türen für den Outdoor-Betrieb. Hier bekommt ihr etwas Clubfeeling. Und was sagen eigentlich Theatermacher und Schauspieler*innen über die Zeit nach der Krise? Wir haben nachgefragt.

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