Live-Musik

Die besten Open Stages in Berlin: Viele Wege führen ans Mic

Fast jede Nacht kann man in Berlin auf Open Stages Musik machen, und jede Bühne hat ihren eigenen Sound, ob „Open Mic Sunday“ in den Kindl Stuben, „Swag Jam“ im Badehaus oder „Tim’s Blues Shack“ im Bierhaus Urban. Unsere Autorin Lina Noll hat sich auf einen Streifzug durch die Szene begeben.

Mariya John beim „Open Mic Sunday“ in den Kindl Stuben. Foto: D.S. Ingleton

Open Stages in Berlin: Die Stadt ist nie leise

Ein silbernes Vintage-Mikro schimmert in einer Ecke. Mit ihrer Gitarre unterm Arm erhebt sich eine Frau inmitten neugierig dreinblickender Gäste, stöpselt ihr Instrument ein und beginnt den ersten von zwei selbstgeschriebenen Songs. Ihr Name und einige weitere stehen auf einer schwarzen Tafel. Auf offenen Bühnen verschmilzt die Grenze zwischen Publikum und Entertainer:innen, denn mitmachen kann jeder.

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Der „Open Mic Sunday“ in den Kindl Stuben an der Neuköllner Sonnenallee ist eine offene Bühne wie aus dem Bilderbuch. Das Miteinander ist respektvoll, die Zugänglichkeit unkompliziert. Dahinter steht der ehemalige Stuben-Barmann David Ingleton, selbst Musiker. „Folk, Cover-Songs, Rap, Poesie, alle Stile sind hier willkommen“, sagt er. Der Australier gründete 2015 die Bühne. „Es gab viele Open Mics mit richtig guten Musiker:innen, aber keine war gut organisiert und die Leute hörten nicht zu.“ Davids Konzept, bei dem man sich ab Punkt 19.30 Uhr vor Ort für den Auftritt registriert, kommt an. Und fördert den Frauenanteil auf der Bühne, der in der Berliner Szene manchmal etwas krankt. „Man kann schon sagen, dass wir die beliebteste Bühne der Stadt sind, so viele Leute wollen hier spielen. Es tat mir richtig leid, als ich kürzlich die Teilnehmerzahl auf 18 pro Abend beschränken musste.“ David empfiehlt allen, die mitmachen wollen, lieber ein paar Minuten früher zu kommen. Ein wöchentlich wechselnder Feature Act bereichert den Abend.

Bei der „Swag Jam“ traten schon viele Stars auf

Die Stadt hat ihre lebendige Open Mic- und Session-Szene unermüdlichen, engagierten Musiker:innen wie David zu verdanken, die wöchentlich in ihre Stammlocations einladen. Bei der klassischen Open Mic Night stehen Mikrofon und Lautsprecheranlage bereit. Beim größeren Format, den Sessions, kommt noch Band-Equipment dazu. Eine Berliner Session mit Legendenstatus ist die „Swag Jam“ im Friedrichshainer Badehaus, bei der schon mehr Stars am Mic freestylten, als hier aufzulisten wären: Erykah Badu, Kool Savas und auch öfter mal Marteria teilten sich hier das Mikro mit musikbegeisterten Locals. Jeden Dienstag vibriert der Boden unter mitgroovenden Gästen. Die Musiker der Band The Swag organisieren die Nacht. Nach einem Band-Set ist die Bühne für alle frei. Dann wird improvisiert. Rappen, singen oder ein Instrument spielen – hier geht alles.

Bei der „Swag Jam“, der ersten Berliner Session, die Hip-Hop gemacht hat, rappten schon einige Stars. Foto: Jacek Krupa

Auf die Frage, wie Gäste an eines der zwei verfügbaren Mics kommen, erklärt Swag-Bandleader und Freestyle-Meister R.A.H.: „Du stehst da, hörst zu. Wenn du es fühlst, komm hoch.“ Der richtige Beat ist nicht dabei? Die Band spielt auf Wunsch weicher, schneller und in allen Genres zwischen Soul, Funk, Afrobeat, Reggea und R‘n‘B. Aber: „Die Foundation ist Hip-Hop“, so R.A.H. Die Session wurde vor zwölf Jahren ins Leben gerufen: „Es gab viele Jazz Sessions. Und Open Mics, wo du dich am Anfang anmelden musst. Wir waren die erste Jam Session, die Hip-Hop gemacht hat“, erzählt R.A.H. Das Wichtigste am Format: „Die Open Mic soll so frei und so interaktiv wie möglich sein. Offen, international, so wie wir die Welt haben wollen.“

Open Stages in Berlin: Fans aller Musikrichtungen kommen auf ihre Kosten

Berlin ist auch die Stadt des Jazz. Für Sessions wird sich in dieser Szene beispielsweise dienstags bei der „Zig Zag Jazzed Up Jam Session“ im Schöneberger Zig Zag Club oder mittwochs bei „Robins Nest“ im B-Flat in Mitte getroffen. Noch müde von „Robins Nest“ und der daran anschließenden, stilübergreifenden „Twilight Music Show“ im Zum Böhmischen Dorf nahe Hermannplatz schlafen echte Session-Musiker am Tag, bevor es am nächsten Abend weitergeht. In Kreuzberg, bei Mundharmonikaklängen und gedämpften Vintage-Gitarren-Jaulern. Das Bierhaus Urban holt sich seit rund 15 Jahren spielbegeisterte Musiker:innen ins Haus.

Tim Kutschfreund aka Happy Dog Brown bei „Tim’s Blues Shack“ im Bierhaus Urban. Foto: Bierhaus Urban

Warum genau Blues? Tarek, der Kneipenchef, lehnt im Türrahmen: „Blues ist typisch für Alt-Berliner Kneipen. Schunkelmusik à la Kreuzberger Nächte und Blues. Gabʼs schon bei meinem Vater.“ Von ihm übernahm er den Laden und lädt jeden Donnerstag zum „Tim’s Blues Shack“. Tim Kutschfreund (aka Happy Dog Brown), ein überraschend junger Blueser, hostet die Session mit Leidenschaft: „Es geht uns um den Blues. Darum, die Musik, die wir so lieben, zu zelebrieren.“ Wer mitsingen oder -spielen will, kommt am besten gleich um neun und kann sich, wenn die Eröffnungsband fertig ist, an Tim oder die Gastband wenden: „Dann wird überlegt, wie man dich hier integriert.“ Bei „Tim’s Blues Shack“ wird ausschließlich Blues gespielt. Songs wie Muddy Watersʼ „Hoochie Coochie Man“ und die inoffizielle Hymne Chicagos „Sweet Home Chicago“ werden hier gefeiert. Dazu wird im Bierhaus getanzt, frisch Gezapftes getrunken, geraucht und mitgesungen – meist alles auf einmal.

Open Stages in Berlin: Die Open-Mix-Szene ist gut vernetzt

Berlin ist nie leise. Auf vielen Bühnen, quer durch die Stadt verteilt, finden sich Musiker:innen aller erdenklichen Stile die ganze Woche über zu später Stunde ein. Ein Blick auf die Webseite berlinersessions.de verrät, wo die Musik spielt und gespielt werden kann. Diese Orte geben Geborgenheit, Raum sich auszuprobieren und sie versprechen Erfüllung. Man begegnet Gleichgesinnten und Konkurrenz an der man wachsen kann. Hier wird das gemeinschaftliche Musizieren gelebt und der Berliner Sound von morgen geboren.

  • Open Mic Sunday Kindl Stuben, Sonnenallee 92, Neukölln, jeden Sonntag, Anmeldung: 19.30 Uhr, Live Musik: 20 Uhr, Eintritt: 5–10 €
  • Swag Jam Badehaus, Revaler Straße 99, Friedrichshain, jeden Dienstag, Bar: 20 Uhr, Live- Musik: 21.30 Uhr, Open Stage: 23.45–1.30 Uhr, Eintritt: 7 € bis 21 Uhr, danach 10 €
  • Tim’s Blues Shack Bierhaus Urban, Urbanstr. 126, Kreuzberg, jeden Donnerstag, 21 Uhr, Eintritt frei
  • Pinnwand für offene Bühnen in Berlin Übersicht online
  • Jazz-Sessions Übersicht online
  • Weitere Sessions Montags: Barkett, Schöneberg; Arkanoa, Kreuzberg; Fuks Bar, Neukölln; Ratzeputz, Neukölln. Dienstags: Donau115, Neukölln. Mittwochs: Prachtwerk, Neukölln; Laksmi, Kreuzberg; Sonntags: Madame Claude, Kreuzberg

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