In den Schlagzeilen tauchte Bushido zuletzt durch den Prozess mit seinem ehemaligen Manager Arafat Abou-Chaker auf. Marit Blossey und Jacek Slaski haben für die Februar-Ausgabe des tipBerlin ein Interview mit Bushido geführt – vor dem Ende des Abou-Chaker-Prozesses und zu einem Zeitpunkt, als noch längst nicht alles klar war über Bushidos neues Album. Anlässlich seiner Tour im März und April könnt ihr das Gespräch nun online lesen. Es geht um Bushidos neue Heimat Dubai, Capital Bra und Fake-News-Papageien.
Bushido ist von Berlin nach Dubai gezogen
tipBerlin Bushido, Sonny Black oder Herr Ferchichi, wie sollen wir Sie, dich ansprechen?
Bushido Das dürfen Sie sich aussuchen.
tipBerlin Dann nehmen wir doch das du. Wo bist du gerade überhaupt?
Bushido Ich bin in Dubai im Auto, richtig angeschnallt auf der Rückbank und mit meiner Frau und einem guten Freund unterwegs, wir haben noch ein paar Termine.
tipBerlin Du und deine Frau seid im letzten Jahr nach Dubai ausgewandert. Ist es nicht ein bisschen langweilig dort im Vergleich zu Berlin?
Bushido Wie kommt ihr denn auf so eine grandiose Frage, was soll denn hier langweiliger sein als in Berlin?
Bushido im Interview: „Ich führe eh schon ein sehr langweiliges Leben“
tipBerlin Eigentlich bist du als Lokalpatriot bekannt. Da dachten wir, vielleicht vermisst du Berlin ein wenig.
Bushido Berlin zu vermissen oder Dubai als langweiliger als Berlin zu definieren, das sind zwei Paar Schuhe. Der Punkt ist, ich führe eh schon ein sehr langweiliges Leben. Ich bin gerne zu Hause, ich bin gerne mit meiner Frau zusammen. Wir sind nicht die Typen, die ins Grill Royal gehen oder auf irgendwelche Empfänge. Natürlich bin ich Berliner und ich bin auch für diese Stadt eingestanden und das tue ich immer noch. Aber als 45-jähriger Ehemann mit acht Kindern kann ich mir keinen besseren Ort vorstellen als Dubai, an dem wir alle als Familie leben können.
tipBerlin Keine Lust auf den Trubel?
Bushido Kann man so sagen. Wir haben ein paar turbulente Jahre hinter uns gebracht und es war Zeit für eine Veränderung. Dubai ist einfach the best place to be, da kann Berlin nicht annähernd mithalten, leider. Das sage ich als Berliner, als absoluter Crack, der jede Ecke in Berlin kennt und nicht als Zugezogener. Ich bin froh, hier zu sein und vermisse Berlin kein Stück.
tipBerlin Du hast gerade dein Familienleben angesprochen, davon zeigst du relativ viel in der Öffentlichkeit. Gibt es irgendwas, was dir zu privat ist?
Bushido Ja, und das würde ich auch hier nicht erzählen. Ich will euch aber nicht abschmettern, natürlich ist es so, dass alles, was meine Frau und ich in der Öffentlichkeit kundgeben, eine freie und bewusste Entscheidung ist, die wir jedes Mal wieder treffen. Es gibt natürlich Dinge, die wir nicht teilen. Aber ich denke mal, wir geben den Leuten einen guten Einblick in das Leben, das wir so leben.
tipBerlin Kommen wir zum neuen Album: „Rex in Aeternum“ also „König für immer“, es soll im Februar erscheinen. Bleibt es dabei?
Bushido Das Album wird verschoben. Als wir es angekündigt haben, war die Tour noch nicht geplant, und als klar war, dass ich nochmal auf Tour gehen werde, habe ich mir überlegt, dass ich das Album dann in die Tour reinschiebe. Also kommt es eher im März oder April. Ansonsten kann ich sagen, dass das Album komplett in Deutschland produziert wurde, und dafür habe ich mich mit dem Produzenten Gorex zusammengetan, einem guten alten Freund. Wir werden dort anknüpfen, wo ich mit „Dark Knight“ (ein sogenannter Disstrack gegen den Berliner Rapper Capital Bra, Anm. d. Red.) aufgehört habe.
tipBerlin Wenn du wirklich König wärst, was wäre deine erste Amtshandlung?
Bushido Na ja, wäre ich ein König, der auch wirklich was entscheiden könnte, oder wäre ich ein König wie in England, der nur Pressetermine wahrnimmt und so ein bisschen auf cool macht?
tipBerlin Sagen wir ein König, der etwas entscheiden darf. Mit aller Macht.
Bushido Natürlich würde ich standesgemäß zu meinem Volk sprechen. Nein, dem Volk, nicht meinem Volk, dem Volk natürlich. Erstmal ein paar Ideen ankündigen. Ganz konkret würde ich mich mit Entscheidungen zurückhalten. Ich möchte mich nicht politisch äußern, aber ich hätte da schon einiges im Kopf. Wir haben momentan große Probleme in Deutschland und generell in Europa. Es gibt eine große politische Kluft und sehr viel Unzufriedenheit. Anscheinend haben wir zu wenig Geld für die wichtigen Sachen, aber irgendwie ist Geld für alles andere da. Wir haben eine Diskussion, wer in Deutschland sein darf und wer nicht. Wir haben eine Diskussion darüber, ob Parteien mit rechtem Gedankengut plötzlich regierende Partei werden könnten. Es müsste sich einiges verändern. Die Leute hätten, glaube ich, Glück, wenn ich König werden würde, weil ich viel verändern würde und weil mir Deutschland am Herzen liegt.
tipBerlin Und wenn du König wärst, würdest du Capital Bra in den Kerker werfen?
Bushido Nein, nein, nein. Du musst ein gerechter Herrscher sein und wenn du herrschen kannst und eh die komplette Macht in der Hand hast, dann wirkt das sehr unsouverän, solche kleingeistigen Entscheidungen zu treffen und irgendwelche belanglosen Drogenjunkies in den Kerker zu werfen. Ich würde positive Entscheidungen treffen, anstatt meine Feinde zu bestrafen.
tipBerlin Bleiben wir noch kurz bei Capital Bra, er hat gesagt, dass du inzwischen ein 45-jähriger Rentner bist, der nicht mehr das ist, was er rappt. Was sagst du dazu, ist da was dran?
Bushido Teilweise. Er hat recht damit, dass ich 45 Jahre alt bin. Er hat nicht recht damit, dass ich ein Rentner bin. Er hat vielleicht recht, dass ich nicht mehr alles bin, was ich rappe. Man muss aber nicht alles sein, was man rappt. Ich finde, dass man mit der Sache etwas ungezwungener umgehen sollte und dass man sagt, „okay, pass auf, auch Deutschrap, egal mit was für Idioten wir es dort zu tun haben, ist Kunst.“ Kunst ist nicht nur Banksy, wenn er irgendwo was an die Wand sprüht. Kunst ist nicht nur van Gogh oder keine Ahnung was, sondern Kunst ist auch Deutschrap. In Teilen auch Bushido, in Teilen natürlich auch Capital Bra und alle anderen, ob ich die jetzt mag oder nicht.
Um ehrlich zu sein, war ich leider ganz oft und ganz lange viel zu sehr genau das, was ich gerappt habe.
Bushido
tipBerlin Du hast also gar nicht mehr den Anspruch, das zu sein, was du rappst?
Bushido Ich finde, dass man ein bisschen was dazugeben sollte, und um ehrlich zu sein, war ich leider ganz oft und ganz lange viel zu sehr genau das, was ich gerappt habe. Das hat mir persönlich nicht gutgetan. Das hat meiner Familie nicht gutgetan und das hat meiner Geschichte nicht gutgetan. Deswegen bin ich froh darüber, dass ich mehr Abstand zu dem habe, was ich rappe.
tipBerlin Du sprichst Dinge an, die dir nicht gutgetan haben, neben der Musik gibt es auch immer wieder andere Schlagzeilen. Der Millionenstreit zwischen dir und deinem ehemaligen Manager Arafat Abou-Chaker; es geht um 1,8 Millionen Euro, die Abou-Chaker dir erstatten soll. Auch muss immer noch geklärt werden, was mit den Häusern in Brandenburg passiert, die ihr gemeinsam erworben habt. Der Prozess läuft mittlerweile seit dreieinhalb Jahren. Warum dauert das alles so lange und war’s das eigentlich wert?
Bushido Ich will mich nicht so sehr dazu äußern, das gehört hier eigentlich nicht hin. Aber eine Sache, erstmal ist es nicht der Prozess zwischen mir und ihm. Das ist ein Prozess zwischen ihm und dem deutschen Staat. Ich bin Geschädigter und Nebenkläger. Ich habe mit dem Prozess insoweit zu tun, als dass ich dort als Zeuge aufgetreten und meiner Aussagepflicht nachgekommen bin. Warum dieser Prozess so lange dauert, dazu habe ich mich nicht zu äußern.
Und hat es sich gelohnt? Das ist eine gefährliche Frage, die kann man lustig stellen, aber man sollte sich der Tragweite bewusst werden. Denn wenn man nicht zur Polizei geht und Dinge, die einem angetan wurden, nicht zur Anzeige bringt, dann gibt es nur noch die Selbstjustiz und das ist ein absolutes No-go. Das geht nicht und man sollte gar nicht dran denken. Vor allem in Deutschland wird viel zu oft und viel zu viel selbst geklärt und auch die Justiz in die eigene Hand genommen. Deswegen haben wir heute Parallelgesellschaften.
tipBerlin Kehren wir zur Musik zurück. Du bist ein Urgestein im deutschen Hip-Hop, über 25 Jahre im Geschäft. Wie blickst du heute auf das Business?
Bushido Es ist schon ein Unterschied zu damals, als wir, da meine ich die Generation mit Bushido, Sido und wie sie alle hießen, angefangen haben. Ob es nun besser, schlechter, schwieriger oder leichter geworden ist, kann man pauschal nicht sagen. Ich glaube, es hängt immer von der Person ab, die vorhat, sich in der Musik auszubreiten. Ich bin aber ein bisschen erschrocken, dass es immer noch so wenig erfolgreiche Geschäftsmänner in der Musik gibt, und Geschäftsfrauen! Ich möchte jetzt nicht die Gender-Keule auspacken müssen. Ich hoffe, ihr versteht, was ich meine. Jedenfalls glaube ich, dass es immer noch viel zu wenig Menschen gibt, die wirklich erfolgreich sind. Die haben vielleicht musikalisch Erfolg, aber sie nehmen ihr Geschäft nicht selbst in die Hand. Das ist ausgeblieben, und das finde ich sehr schade.
tipBerlin Was meinst du mit, das „Geschäft selbst in die Hand nehmen“?
Bushido Wir haben heute doch die besten Möglichkeiten, wir leben im digitalen Zeitalter, sind mit dem Internet überall auf der Welt gleichzeitig vertreten. Ich glaube, ich bin ein extremer Autodidakt und habe mir das wirklich alles selbst beigebracht und denke, es gibt zu wenig Menschen, die das auch machen.
tipBerlin Apropos andere Geschäftszweige. Eine Kollegin von uns hat gebeten, dich zu fragen, was aus deinen Papageien geworden ist?
Bushido Grüßt mal die Kollegin und sagt ihr, wenn sie so pseudoinvestigativ klingen wollte, dann hat sie es komplett nicht auf die Reifen gebracht, weil ich noch nie irgendwas mit einer Papageienzucht zu tun hatte. Da sollte sie besser informiert sein. Die Geschichte war schon immer Fake News. Ich finde es schade, dass Menschen denken, „Bushido, jetzt haben wir dich erwischt“ und dann kacken sie komplett rein. Das war auch so, als ich bei Markus Lanz in einer Talkshow war, und dort wollte er mich mit einem Text von mir konfrontieren. Den hat er mir so richtig selbstsicher vorgelesen und dann war der Text nicht von mir.
Mein Verhalten oder meine Herangehensweise lässt sich überhaupt nicht auf den deutschen Rap übertragen. Leider. Deutschrap ist sehr hinterm Mond. Was ich da so alles erlebt habe, das hat mich teilweise erschrocken.
Bushido
tipBerlin Vor 20 Jahren wäre es kaum vorstellbar gewesen, dass ein deutscher Rapper in einem Interview öffentlich darüber spricht, dass er dreimal die Woche zur Therapie geht. Du hast das gemacht. Ändert sich das Verständnis von Männlichkeit langsam auch im Rapgame?
Bushido Es hat sich wenig bis gar nichts verändert. Dieselben Vollidioten haben immer noch dieselben idiotischen Ansichten, und es ist ja nicht irgendein deutscher Rapper, der sowas sagt. Ich bin halt ich, und ich bin mir da nicht zu schade für. Ich stehe dazu und finde das nicht verwerflich. Aber man sollte hier aufpassen, denn mein Verhalten oder meine Herangehensweise lässt sich überhaupt nicht auf den deutschen Rap übertragen. Leider.
Deutschrap ist sehr hinterm Mond. Was ich da so alles erlebt habe, das hat mich teilweise erschrocken. Viele Rapper und viele Menschen im Hintergrund, gerade die ich auch teilweise vor Gericht treffe, versuchen in der Öffentlichkeit politisch korrekt zu agieren. Aber all die Dinge, die man denen vorwirft, antisemitisch, homophob etc. pp., das sind die alle – nur hinter vorgehaltener Hand. Deswegen möchte ich eigentlich auch gar nicht mit der Szene an sich in Verbindung gebracht werden. Meine Entscheidung, auch über meine Therapie zu sprechen, war meine eigene persönliche Entscheidung und hat nichts mit der Hip-Hop-Szene zu tun.
tipBerlin In der Pressemitteilung zu deiner Tour steht, das wird die letzte sein. Warum das denn?
Bushido Es scheint gut zu laufen, die meisten Konzerte sind ausverkauft und es gibt Zusatztermine. Das wusste man vorher nicht. Es ist jetzt so gekommen und ich freue mich auch mega drüber. Nach acht Jahren spiele ich wieder mal live. Man kann sich gar nicht vorstellen, dass ein Künstler, der so oft irgendwo auftaucht und so ein großer Begriff für die Leute ist, seit acht Jahren nicht mehr auf Tour war. Aber mir war das recht. Hätte mich der Veranstalter nicht so sehr genervt und wäre „Dark Knight“ nicht so erfolgreich gewesen, hätte ich es nicht nochmal gestartet. Jetzt haben wir es aber gemacht und ich bin froh drüber, aber offiziell haben wir keine Bestrebungen, da nochmal nachzulegen. Das wird die letzte große Zeit, das ist der aktuelle Stand.
tipBerlin Den Rest zeigt die Zukunft?
Bushido Ich habe jetzt über 100.000 Tickets weg und es ist schwierig, an so einem Punkt die Leute davon zu überzeugen, dass man aufhört. Selbst wenn man das eigentlich wollte, kommt man doch so ein bisschen ins Grübeln. Stell dir vor, das wäre die letzte Tour und es kämen 50 Leute, dann sage ich, okay, lohnt sich nicht mehr. Wenn ich jetzt sage, letzte Tour und es kommen 120.000 Leute, dann gibt es einem selbst so ein bisschen das Gefühl, dass die Leute noch Bock haben. Deswegen gucken wir mal.
Kinder und Familie gehen für Bushido vor
tipBerlin Und wenn es keine Tour mehr geben sollte und keine Musik, was sind deine Pläne für die Zukunft? Immobilienwirtschaft in Dubai?
Bushido Mal gucken. Ich habe sehr viele Geschäftsfelder und bin an vielen Dingen interessiert. Ich mache alles Mögliche von Aktien über Krypto, Immobilien, keine Ahnung was. Aber das ist alles total entspannt, und Dubai ist natürlich auch eine sehr unternehmerfreundliche Umgebung. Schauen wir mal, erst kommen meine Kinder und die Familie, und der Rest, der kommt, wie er kommt.
Zur Person
Bushido, Jahrgang 1978, geboren als Anis Mohamed Ferchichi, wuchs in Tempelhof auf. Er gehört neben Sido zu den wichtigsten Protagonisten der Berliner Hip-Hop-Szene und ist mit Millionen verkaufter Tonträger einer der erfolgreichsten deutschen Rapper aller Zeiten. 2004 gründete er die Plattenfirma ersguterjunge. 2021 erschien sein Album „Sonny Black II“, 2024 folgt ein neues Album.
- Mercedes-Benz Arena Mercedes-Platz 1, Friedrichshain, Do 21.3., ausverkauft
- Uber Arena Uber Platz, Friedrichshain, Mo 15.4., 20 Uhr, ab 59,50 €
Die Stadt im Fokus: Diese Berliner Orte tauchen in Rap-Texten auf. Vier Jahrzehnte: Berliner Hip-Hop-Geschichte in Bildern. Die Checkliste: Berliner Rapper, die ihr kennen solltet. Urgesteine und Durchstarterinnen: 12 wichtige Berliner Rapperinnen. Für ihn ist Moabit Heimat: Wir sprachen mit dem Rapper Apsilon. Was ist los in den Venues: Unsere wöchentlichen Konzert-Tipps für Berlin. Spontan was unternehmen? Morgen in Berlin: Die besten Veranstaltungen. Immer neue News und Geschichten findet ihr in unserer Rubrik für Konzerte, Partys und Musik in Berlin. Die Highlights im Musikjahr 2024: Die wichtigsten Konzerte in Berlin.