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Intendant Christian Spuck soll Staatsballett Berlin retten: Kunst statt Kontroversen

In den vergangenen Jahren war die Berichterstattung über das Staatsballett Berlin mehr durch Kontroversen als durch Kunstkritik geprägt. Viel Hoffnung wird nun in den neue Intendanten gesetzt. Christian Spuck will das Zusammengehörigkeitsgefühl in der Compagnie stärken. Für die erste Premiere der Saison adaptiert er Flauberts „Madame Bovary“.

Christian Spuck übernimmt die Erfolgsgaranten „Half Life“ von Sharon Eyal und „Lib“ von Alexander Ekman. Mit der Doppelaufführung beginnt die neue Spielzeit des Staatsballetts Berlin. Foto: Jubal Battisti

Christian Spuck soll das Staatsballett Berlin aus der Krise führen

Es sind sind vier, fünf Kieze, die Christian Spuck in Berlin besonders spannend findet. In diesen suchte er für seinen Umzug von Zürich in die Hauptstadt nach einer neuen Bleibe. Fündig wurde er in Mitte. Weil die Wohnung passte. Und wegen des Standortvorteils. Von hier aus seien die Opernhäuser am schnellsten zu erreichen, so Spuck, der sich ebenso pragmatisch gibt, wie er unprätentiös wirkt. 

Spucks Berufung im Sommer 2021 wurde in der Presse positiv aufgenommen. Nach Jahren, in denen die Berichterstattung über das Staatsballett mehr durch Kontroversen als durch Kunstkritik geprägt war, sehnt man sich nach Ruhe, nach Kontinuität und einen Fokus auf die Arbeit der Compagnie, die den Spagat zwischen klassischem Ballett- und modernem Tanzensemble wagt.

Das sind keine geringen Erwartungen, und Spuck weiß um sie. Sein neues Leben in Berlin kann er bisher kaum genießen. „Ich bin täglich zwölf Stunden in den Ballettsälen und im Büro“, sagt er. Vor allem führe er im Moment Gespräche. Mit Künstler:innen, Mitarbeiter:innen, Kolleg:innen und Gästen. Es geht um die Arbeit, aber auch um den richtigen Ton. Zwei Jahre habe er in der Beobachterrolle gesteckt. Die aktuelle Situation beschreibt er als Findungsmoment. „Es geht um die Frage, wie wir am effektivsten miteinander arbeiten und am besten miteinander kommunizieren. Über allem steht die Frage: Für was wollen wir stehen?“ 

Verdis „Messa da Requiem“ war eine Übernahme aus der Schweiz. Mit der Arbeit stellte sich Christian Spuck im April 2023 dem Staatballett Berlin und dem Berliner Publikum vor. Foto: Serghei Gherciu

Staatsballett Berlin: Neustrukturierung des Ensembles durch Christian Spuck

Christian Spuck stammt aus Marburg und lernte an der John Cranko Schule in Stuttgart. Als Tänzer wirkte er in internationalen Compagnien, ehe es ihn zum Inszenieren erneut nach Schwaben zog. Am Stuttgarter Ballett hatte er die Freiheit, seinen eigenen Stil zu finden und sich als Choreograf zu ­etablieren. 2012 wurde er Direktor des Zürcher Balletts, das er nach zehn Jahren für das bedeutend größere Ensemble in Berlin verlässt. Hier tritt er die Nachfolge von Christiane Theobald an.

Wie es für einen Intendantenwechsel üblich ist, wurde das 79-köpfige Ensemble durcheinandergewirbelt. Zur neuen Saison beginnen 24 Tänzer:innen beim Staatsballett. Mit Jan Casier, Matthew Knight, Meiri Maeda, Rafaelle Queiroz und Michelle Williams hat das Staatsballett Berlin fünf neue Solotänzer:innen gewonnen. 

Christian Spuck will vom Staatsballett Berlin auch klassische Arbeiten einstudieren lassen

Spuck wird auf die Arbeit der vergangenen Jahre aufbauen und gleichzeitig neue Akzente setzen. Die Spielzeit eröffnet mit der Wiederaufnahme von „Half Life“ von Sharon Eyal und „Lib“ von Alexander Ekman. Eyals Techno-Ballett war in der vergangenen Spielzeit immer ausverkauft. Auf eine Auslastung von 99,6 Prozent kam auch Verdis „Messa da Requiem“, eine Übernahme aus der Schweiz, mit der sich Spuck im April in Berlin vorstellte. Mit „Giselle“ und „Dornröschen“ übernimmt er auch zwei klassische Arbeiten. 

Der Hausherr selbst zeichnet für die erste Saisonpremiere verantwortlich. Die Uraufführung von „Bovary“ trägt im Titel die literarische Vorlage, auf der sie fußt: Flauberts Roman handelt von Emma, die sich permanent selbst belügt. Ein Phänomen, das, so Spuck, „in unserer Gesellschaft salonfähig geworden ist“. Die Social-Media-Welt sei wie die von Bovary eine einzige Eigeninszenierung, „die mit der harten Wirklichkeit clasht“. Spuckt sagt: „Das hat etwas Poetisches, das uns alle berührt.“ Allzu eng wolle er sich aber auch nicht am Roman abarbeiten. „Dieses literarische Meisterwerk können wir durch Tanz gar nicht darstellen. Aber eine Annäherung ist möglich.“ 

Die zweite Premiere ist eine Doppelarbeit von Sol León und, erneut, Sharon Eyal. 2024 studiert Marcos Morau als Artist in Residence eine ­„Overture“ ein. Zudem ist es Christian Spuck gelungen, sein Vorbild William Forsythe nach Berlin zu locken. Im Juli feiert das Staatsballett dann mit einer Gala das 20-jährige Bestehen. 

  • Bovary Deutsche Oper, Bismarckstr. 35, Charlottenburg, 20.10., 19.30 Uhr, Online

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