Kunst

Aktuelle Ausstellungen in Berlin: Neue Kunst-Tipps und letzte Chancen

Die wichtigsten Ausstellungen in Berlin: Die Kunstwelt ist immer in Bewegung. Was es Neues gibt, was sich weiter lohnt und wo ihr noch unbedingt hin müsst, bevor es zu spät ist, lest ihr hier. Claudia Wahjudi und Ina Hildebrandt geben Tipps für neue Kunst und aktuelle Ausstellungen in Berlin – und für letzte Chancen, bevor es zu spät ist.


Neue Ausstellungen

Welche Ausstellungen sind gerade neu? Hier lest ihr, was in der Kunstwelt neu eröffnet wurde und was wir kürzlich besucht haben.


„Fernbeziehungen“ bei KVOST

Foto: Bogna Kociumbas Courtesy: Aykan Safoğlu und KVOST, Berlin
Alicja Rogalska: Monument To Precarious Workers, 2015, Performance / Foto: Bogna Kociumbas Courtesy: Aykan Safoğlu und KVOST, Berlin

Nach der deutschen Vereinigung forderten Politiker junge Menschen auf, aus den neuen in die alten Bundesländer zu ziehen, den Jobs hinterher. Heute freut sich die nächste Politikergeneration über Rückkehrende, die ostdeutsche Kleinstädte beleben und die Alten pflegen. Das Thema der Gruppenausstellung „Fernbeziehungen“ ist hierzulande bekannt und wird im Kunstverein KVOST am Beispiel von EU-Staaten und der Türkei durchgespielt. Pendeln, leere Stühle am Esstisch daheim, vereinsamte Senioren, die um das Dorf der Vergangenheit trauern: Das sind einige Motive aus den Arbeiten von Lesia Pcholka & Uladzimir Hramovich, Zofia nierodzińska (sic!), Alicja Rogalska und Aykan Safoğlu. Von Zofia nierodzińska und KVOST-Leiter Stephan Koal konzentriert kuratiert, fächern ihre Installationen, Gemälde, Texte, ein Film und sogar ein Puzzle ein großes Spektrum individueller und gesellschaftlicher Folgen von Arbeitsmigration auf. Und verdichten sie.

  • KVOST Kunstverein Ost Leipziger Str. 47 / Eingang Jerusalemer Str., Mitte, Mi–Sa 14–18 Uhr, Website, bis 18.1.2025

„Passing Data – Upcycling the Digital“  auf den Internetseiten der Prater Galerie

© Yehwan Song
Yehwan Song, Song Body in Ditital Prasitism, © Yehwan Song

Die Eröffnung fand analog im Silent Green statt, mit Projektionen und Performances, doch für ihre Dauer ist die Ausstellung im Internet zu erleben. „Passing Data – Upcycling the Digital“ handelt von den Unmengen Datenmüll, die wir täglich produzieren (und die, so ließe sich ergänzen, Server blockieren, Strom fressen und zur Erderwärmung beitragen). Veneta Androva, Raphaël Bastide,  Bruno Gola, Kathrin Hunze, Yehwan Song (Abb.) und  Shinji Toya versuchen allerdings weniger, die Erzeugung des Mülls zu drosseln, als ihn  zu recyceln und zu veredeln.  Verglichen mit anderen digitalen Ausstellungen wirkt „Passing Data“, von Tobias Wenig and Karolina Pietrzyk gestaltet, ansprechend wenig gamifiziert. So thematisiert Kathrin Hunzes „Art Swap“ mit Veneta Androva Verbindungen zwischen digitalem und anlogem Raum in zurückhaltend pastellfarbener Maschinenästhetik und nutzt für das Voiceover eine filmreife Männerstimme. Das Team der kommunalen Prater Galerie des Bezirk Pankow betreut die Seiten vier Tage in der Woche – und hofft derweil, dass in real life der Berliner Prater an der Kastanienallee mit den analogen Ausstellungsräumen eines Tages fertig saniert ist.

  • Prater Galerie digital Website, Betreuung der Seite Mo–Do 10–18 Uhr, bis 28.2.

 „An den Rändern taumelt das Glück. Die späte DDR in der Fotografie“ in der Station urbaner Kulturen / NGBK Hellersdorf

Foto: Nihad Nino Pušija
An den Rändern taumelt das Glück, Teil 2, Ausstellungsansicht, 2024, neue Gesellschaft für bildende Kunst (nGbK). Foto: Nihad Nino Pušija

Fünf Fußminuten hinter dem U-Bahnhof Cottbusser Platz beginnt eine Zeitreise: Die Station urbaner Kulturen der NGBK zeigt den zweiten Teil einer Ausstellung mit Fotografie unter anderem von Matthias Leupold, Wolfgang Gregor und Ute Mahler aus den letzten Jahren der DDR. Die Schau kommt aus der Galerie des ACC Kunstvereins in Weimar und wurde hervorragend in die Hellersdorfer Station der Kunstvereins NGBK eingepasst. In den zwei Räumen hängen, stehen, liegen und laufen Aufnahmen meist als analoger Abzug, teils als projizierte Dias, vor allem in Schwarz-weiß, manchmal farbig, mal konventionell an der Wand gereiht, mal unkonventionell über Eck geordnet. Sie zeigen Momente der Arbeit in Fabriken und auf Äckern, speziell Pausen und kollegiale Begegnungen. Kontrapunkte setzen Porträts rebellischer Punks, Stadtansichten und eine zeitgenössische Installation von Anke Heelemann und ihrer „Fotothek für vergessene Privatfotografien“. Letztere thematisiert die Möglichkeit, dass sich das Vergangene nur unscharf sehen lässt, egal, wie scharf die Fotos sind.

  • Station urbaner Kulturen/ NGBK Hellersdorf Auerbacher Ring 41, Hellersdorf (U5 Cottbusser Platz), Do + Sa 14–19 Uhr, www.ngbk.de, bis 15.2.

Nan Goldin: „This Will Not End Well“ in der Neuen Nationalgalerie

Nan Goldin, Fashion show at Second Tip, Toon, C, So and Yogo, Bangkok (Modenschau im Second Tip, Toon, C, So and Yogo, Bangkok), 1992, Photographie, aus der Serie “The Other Side” © Nan Goldin. Courtesy the artist

Von den Rändern der Gesellschaft mitten hinein in ihre Kulturtempel: Nan Goldin (71) wird gefeiert als Fotografin, als Künstlerin, als streitbare Aktivistin. Dabei hat die US-Amerikanerin für ihre Kunst da hingeschaut, wo der Großteil der Gesellschaft, und noch mehr das Establishment, lange nur schiefe oder gar angewiderte Blicke übrig hatte. Queere Menschen, Transvestiten, Drag-Queens, Drogen-Party-People. Und Goldin hat da nicht nur hingeschaut, sondern sie hat da gelebt und alles, ja, wirklich alles, mit ihrer Kamera festgehalten. Ihr Lebenswerk tourt mit einer spektakulären Ausstellung durch Europa und macht Halt in Berlin in der Neuen Nationalgalerie. Endlich hat man die Möglichkeiten, ihre verschiedenen Werkreihen so zu erleben, wie Goldin das selber konzipiert und gezeigt hatte: als Diashows, unterlegt mit einem eklektischen Soundtrack. Alles sehr nah, alles sehr subjektiv, alles sehr emotional – und darin liegt auch die Kraft ihrer Arbeit.

  • Neue Nationalgalerie Potsdamer Str. 50, Tiergarten, Di–So 10–18 Uhr, 12/ 6 €, bis 6.4.25

Simon Starling: „Project for an Exhibition, Part 1: Time Takes (Scenario for a Conversation)“ bei Neugerriemschneider

Simon Starling, Project for an Exhibition, Part 1: Time Takes (Scenario for a Conversation), 23. November 2024 – 1. Februar 2025, neugerriemschneider, Berlin © Simon Starling. Courtesy the artist and neugerriemschneider, Berlin. Photo: Jens Ziehe, Berlin

Eine sonderbare Runde ist das: Wesen, die mal halb Mensch, mal halb Tier, mal halb Besen sind. In diesen faszinierenden Chimäre hat Simon Starling Personen vereint, die seine künstlerische Laufbahn geprägt haben – von Architekten über Meeresbiologen bis hin zu Künstlern und Restauratoren. Die lebensgroßen Figuren, ergänzt durch Fotografien und gemeinsame Werke, stehen für den interdisziplinären Ansatz des britischen Künstlers, der seit über drei Jahrzehnten forschungsintensive Projekte hervorbringt.

  • Neugerriemschneider Linienstr. 155, Mitte, Di 1–18 Uhr, bis 1.2.25

Thomas Scheibitz „WÜSTE—DSCHUNGEL / Omega UND Tunnel“ bei Sprüth Magers

Installationsansicht:Thomas Scheibitz, WÜSTE — DSCHUNGEL / Omega UND Tunnel, Sprüth Magers, Berlin, November 22, 2024—January 11, 2025. © Thomas Scheibitz / VG Bild-Kunst, Bonn 2024 Courtesy the artist and Sprüth Magers. Foto: Ingo Kniest

Hie geht's ab: Formen und Farben und Materialien, an der Wand und auf dem Boden, statisch und in Bewegung! Thomas Scheibitz hat die großzügigen Galerieräume in eine Art Spielplatz verwandelt, aber nicht für die Besucher:innen, sondern für die Kunstwerke. Bei allem visuellen Spaß steckt hinter den Malerein und Skulpturen des gebürtigen Dresdners viel Nachdenken und Forschen. Genauer, sie sind Ausdruck des Denk- und Forschungsprozesses selbst. Scheibitz versteht seine Werke dabei nicht als Lösungen, sondern als offene Modelle, die den Betrachter in einen fortwährenden Dialog zwischen Struktur und Wandel, Festhalten und Loslassen führen sollen.

  • Sprüth Magers Oranienburgerstr. 18, Mitte, Di–Sa 11–18 Uhr, bis 11.1.25

Franka Hörnschemeyer/ Nancy Haynes in der Galerie Thomas Schulte

Nancy Haynes: Fernando Pessoa (Library Series), 2020, oil on linen. Courtesy the artist

Nur keine Scheu, dieses Kunstwerk darf man betreten und sich darin bewegen, nach dem Weg suchen, sich verlaufen und wieder herausfinden. Die große Raumskulptur „Blindtext“ (2009) von Franka Hörnschemeyer erscheint von Außen recht übersichtbar, doch es erstaunt, wie viel Raum entsteht, sobald man in diesem Labyrinth aus engen Gängen und Aluminum-Türen drin ist. Innen und Außen scheinen sich aufzulösen, auch das Innen der Galerie und das Außen hinter den bodengroßen Fenstern. Parallel dazu erwecken die Gemälde von Nancy Haynes ein ganz anderes Raumgefühl: In kleine Formate malt sie sehr viel Atmosphäre. Als wären es Ausschnitte der Unendlichkeit. Die Werkreihe der US-Amerikanerin, benannt nach einflussreichen Schriftsteller:innen wie Hannah Arendt und Fernando Pessoa, entfaltet sich wie eine persönliche Bibliothek.

  • Galerie Thomas Schulte Charlottenstr. 24, Mitte, Di–Sa 12–18 Uhr, bis 11.1.25

„Wertewirtschaft“ von Andrea Pichl im Hamburger Bahnhof

„Andrea Pichl. Wertewirtschaft“, Ausstellungsansicht Hamburger Bahnhof – Nationalgalerie der Gegenwart, 8.11. – 4.5.2024 © Andrea Pichl / VG Bild-Kunst, Bonn 2024 / Nationalgalerie – Staatliche Museen zu Berlin / Jacopo La Forgia
„Andrea Pichl. Wertewirtschaft“ im Hamburger Bahnhof. Foto: @Jacopo La Forgia

Kosten und Wertschöpfung der deutschen Vereinigung sind das Thema der Solo-Ausstellung, die die Berliner Künstlerin Andrea Pichl im Hamburger Bahnhof zeigt. Die Schau ist etwas Besonderes, nicht nur, weil Pichl die erste in der DDR geborene Künstlerin ist, die in diesem Haus der Nationalgalerie eine Einzelpräsentarion hat. Sondern auch, weil sie mit ihrer Kritik an Architektur und Gestaltung in der DDR die Funktionsweise einer Diktatur offenlegt. Das macht sie unter anderem, indem sie die nebenan ausliegenden Arbeiten von Joseph Beuys und deren didaktisch-individuelle Selbstgewissheit konterkariert: mit genormten Ornamenten und Bauformen aus der sozialistischen Produktion. Das weckt Aufmerksamkeit für all jene Details aus Wirtschaft und Gesellschaft, die Pichl recherchiert, gezeichnet und fotografiert hat. Und hier in beklemmenden Pavillons präsentiert.

  • Hamburger Bahnhof – Nationalgalerie der Gegenwart  Invalidenstr. 50/51, Mitte, Di, Mi, Fr 10–10, Do bis 20 Uhr, Sa+So 11–18 Uhr, bis 18 J., TLE + 1.So im Monat frei, smb.museum, bis 4.5.

„Die Mauer: vorher, nachher, Ost und West“ bei der Stiftung Brandenburger Tor

Ellen Fuhr: ohne Titel © Nachlass Ellen Fuhr, Foto: Peter Adamik
Ellen Fuhr: Ohne Titel, 1989, Mischtechnik auf Papier, Kunstsammlung der Berliner
Volksbank K1533, © Nachlass Ellen Fuhr, Foto: Peter Adamik

Darstellungen der deutsch-deutschen Grenze aus der Sammlung der Berliner Volksbank, Gemälde, Zeichnungen und Drucke von Annemirl Bauer, Rainer Fetting, Ellen Fuhr (Abb.) und vielen anderen. Die Arbeiten aus Ost und West unterschieden sich in Vielem, vor allem aber in einem: Im Osten war die Darstellung der tödlichen Grenze verboten. Mutige Künstler:innen taten es dennoch. Daher zeigt die Ausstellung Arbeiten, die vor 1989 entstanden, getrennt nach Ost und West. Doch auch im Nebeneinander der Arbeiten nach Mauerfall lassen sich Differenzen erkennen. Mit der Freiheit kam im Osten auch Unsicherheit, wie Wolfgang Mattheuers bereits 1988 entstandenes Tuschbild „Ausbruch“ vorwegnimmt. Da drängt eine Menge zu einer Öffnung, ohne sich hindurch zu wagen. In der ersten Reihe ist ein Mann gestürzt, dem niemand  aufhilft.  Informationen zur Mauer und Aufnahmen des Fotografen Michael Wesely von der Grenze in einem Seitenkabinett runden diese vorzügliche Schau ab.

  • Max Liebermann Haus Stiftung Brandenburger Tor Pariser Platz 7, Mitte, Do–So 11–18  Uhr, 6/4 €, bis 18 J. + 1. So im Monat frei, stiftungbrandenburgertor.de, 8.11.24–2.3.25

Rineke Dijkstra in der Berlinischen Galerie

Rineke Dijkstra, Kolobrzeg, Poland, July 25, 1992, © courtesy of the artist, Galerie Max Hetzler, Marian Goodman Gallery and Galerie Jan Mot

Was für ein Wiedersehen: Rineke Dijkstra, 1998 Stipendiatin des Berliner Künstlerprogramms beim DAAD, zeigt im Museum Berlinische Galerie eine Auswahl ihrer Porträtserien. Prominent platziert hat Kurator Thomas Köhler die Porträts  Jugendlicher, die die niederländische Fotografin während ihres Berlin-Aufenthaltes im Tiergarten aufnahm. Weiter hinten in der großzügig gehängten Schau geht es schmerzhafter zu: Dijkstra porträtierte auch junge Mütter direkt nach der Geburt mit dem Neugeborenen und portugiesische Stierkämpfernach dem Verlassen der Arena.   Rineke Dijkstra interessiert sich für Menschen in Übergangssituationen. Sie wählt aber auch andere Themen wie in dem Video mit den britischen Schulkindern, die in einem Museum ein Gemälde von Picasso (das nicht zu sehen ist) beschreiben und deuten. Und so ihre Alltagserfahrungen preisgeben. Sehr berührend.

  • Berlinische Galerie Alte Jakobstr. 124-128, Kreuzberg, Mi-Mo 10-18, 10/6 €, bis 18 J., Geflüchtete + 1.So/Monat frei, bis 10.2.2025

Ulrike Ottinger: „25 Filme - Screening The Archive“ in Contemporary Fine Arts

Ausstellungsansich „25Filme - Screening The Archive“ in CFA, 2024. Courtesy Contemporary Fine Arts. Photo: Nick Ash

Zweifellos ist Ulrike Ottinger eine der coolsten Frauen, die in Berlin gelegt und gearbeitet haben. Die Filmemacherin prägte gemeinsam mit ihrer kongenialen Hauptdarstellerin Tabea Blumenstein, zugleich für die grandiosen  Kostüm- und Make-up verantwortlich, die 80er Jahre Berlins. In ihren Filmen verwoben sie Punk und Glamour, Camp und Conditio Humana. Die Ausstellung „25 Filme - Screening The Archive“ breitet ihr großes filmisches Oevre aus, das bis in die Gegenwart reicht. Künstlerbücher und Fotografien, Plakaten, Filmen und Requisiten geben einden Eindruck von Ottingers Filmkunst, die ein Stück Berlin Geschichte und zugleich absolut gegenwärtig.

  • CFA Grolmanstr.32/33, Charlottenburg, Mo–Fr 10–18, Sa 10–17 Uhr, bis 21.12.

Rene Matić: „As opposed to the truth“ bei CCA Berlin

Rene Matić, Untitled (No Place for Violence), 2024. Foto:  courtesy Rene Matić and Arcadia Missa, London

Als wären diese Fotos gar nicht so wichtig, nur so da, gerade hier abgestellt, in den Räumen von CCA neben der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche. Zwischen große Glasplatten gefasst, in unterschiedlicher Größe, erscheinen sie in einem Nebeneinander, Übereinander - nur nie Gegeneinander. Eine reizvolle ästhetische Form, die zugleich die inhaltliche Auseinandersetzung widerspiegelt. Rene Matić fächert anhand von Fotografie, Skulpturen und Installationen die Spannungen zwischen Identität, sozialer Zugehörigkeit und politischen Symbolen auf. Die Ausstellung im CCA Berlin zeigt persönliche Werke, die die Verflechtungen von Körpern, Zugehörigkeit und politischer Macht hinterfragen, insbesondere vor dem Hintergrund des globalen Rechtsrucks.

  • CCA Berlin Breitscheidplatz, Charlottenburg, Di-Sa 11–18 Uhr, bis 25.1.25

"Franek – The Spirits of Vanishing Animals. Die Rote Liste“ im Gutshaus Steglitz

Foto: Frieder Zimmermann © VG Bild-Kunst, Bonn 2024
FRANEK, Soulmates 2, 2023, Mischtechnik auf Leinwand, Foto: Frieder Zimmermann, © VG Bild-Kunst, Bonn 2024

Nashorn und Wiedehopf, Grauspecht und Gorilla, Kolkrabe und Faultier: Sabine Franek-Koch, kurz FRANEK, ehrt bedrohte und bereits ausgerottete Tierarten – in Gemälden, Zeichnungen, Künstlerbüchern und Radierungen. Drei Säle und ein Kabinett des Gutshauses Steglitz füllen sie, kombiniert mit früheren kleinen Skulpturen von Fabelwesen, die entfernt an Arbeiten Valérie Favres und Leiko Ikemuras denken lassen. FRANEK, 1939 in Potsdam geboren und (West-)Berlinerin, hat sich lange Motiven und Ideen aus indigenen Kulturen gewidmet. Hier ist sie ganz figürlich geworden. Ihre Enzyklopädie der aussterbenden Arten bezeugt einen langen Abschied von der Welt, wie wir sie kannten.

  • Gutshaus Steglitz Schloßstr. 48, Steglitz, Mo–So 10–18 Uhr, Website, bis 2.3.25

„Zeitungsleser:innen“ von Eddy Posthuma de Boer und „Nachrichten“ im Museum für Kommunikation

© Eddy Posthuma de Boer
„Budapest Ungarn 1988“ © Eddy Posthuma de Boer

Griechen im Café, Japanerinnen an der Ladenkasse: Der international tätige niederländische Pressefotograf Eddy Posthuma de Boer (1931–2021) reiste viel. Und überall nahm er Zeitungslesende auf: konzentriert oder entspannt, ernst oder amüsiert – und ganz vertieft in die Nachrichten einer Zeit, in der sich mit dem Trägermedium der Meldungen noch nasse Schuhe ausstopfen ließen. Berührend. Die kleine Fotoschau, leider sehr nebensächlich an Haus- und Stellwände im zweiten Obergeschoss gehängt, bildet die Fußnote zu einer größeren Schau: einer interaktiven Präsentation zu Fake News und geprüften Nachrichten. Hier können Besucher:innen unter anderem ihre Medienkompetenz prüfen. Super gemacht.

  • Museum für Kommunikation Leipziger Str. 16, Di 9–20, Mi–Fr 9–17, Sa + So 10–18 Uhr, 8/4, bis 18 J. + 1. So im Monat frei, mfk-berlin.de, bis 12.1.2025

„Was ist Aufklärung?“ im Deutschen Historischen Museum

Foto: David von Becker
Blick in die Ausstellung „Was ist Aufklärung? Fragen an das 18. Jahrhundert“ © Deutsches Historisches Museum, Foto: David von Becker

Menschenrechte und  Sklavenhandel, Rationalität und üppiger Barock: Die Großausstellung „Was ist Aufklärung?“ veranschaulicht auf zwei Etagen des Deutschen Historischen Museums Widersprüche einer Epoche. Bücher, Dokumente, Modelle, Spiele, Filme und immer wieder Kunst kommen zum Einsatz. Hier kontrastieren Gemälde halb vergessener Künstlerinnen mit einem Ölbild, auf dem ein Mann seiner Frau den Zugang zu Texten verwehrt, hier entlarvt eine Seekarte mit den Routen von Sklavenschiffen die blinden Flecken der amerikanischen Verfassung. Der Parcours wirkt so abwechslungsreich, dass trotz der Fülle niemand ermüden muss. Auch Kinder kommen gut hindurch: mit Hilfe eines Rätselheftes, das unter anderem ausgestellte Gemälde unter die Lupe nimmt. Mehr über die DHM-Ausstellung „Was ist Aufklärung?“ lest ihr hier.

  • Deutsches Historisches Museum Hinter dem Gießhaus, Mitte, tgl. 10–18 Uhr, 7/3,50 €, bis 18 J. frei, dhm.de, 18.10.2024–6.4.2025

„FOTOGAGA. Max Ernst und die Fotografie“ im Museum für Fotografie

Max Ernst: Lichtrad / la roue de la lumière, aus: Histoire Naturelle, Blatt 29, 1926. Lichtdruck nach Frottage, 32,5 x 50 cm. Sammlung Würth © VG Bild-Kunst, Bonn 2024

Augen, zunächst und überall Augen. Betritt man den Ausstellungsraum zu „FOTOGAGA. Max Ernst und die Fotografie“ im Museum für Fotografie, erblickt man viele Zeichnungen von Augen. Max Ernst, seines Zeichens einer der wichtigsten Künstler des Surrealismus und der Moderne überhaupt, war fasziniert vom Auge, natürlich. Denn über das Auge nehmen wir die Umgebung nicht nur war, das Auge konstruiert sie regelrecht für uns und dann kann man dieses Sinnesorgan auch noch schön austricksen. Und wirklich spannend wird es sowieso jenseits des Sichtbaren. Mit der Kamera kam quasi ein weiteres, technisches Auge dazu. Auch wenn Max Ernst selber nicht als Fotograf tätig war, posierte er doch gerne mal alleine oder mit Künstlerkollge:innen. Diese Dokumente der Kunstgeschichte im Backstage der Kunst machen diese Ausstellung unterhaltsam und nahbar. Ernsts Arbeit wurde stark durch die technischen und künstlerischen Entwicklungen der Fotografie beeinflusst, die ihm als Inspirationsquelle und Arbeitsmaterial für seine Collagen diente. Mit fotografischen Reproduktionstechniken wie Vergrößerungen und Fotopostkarten gelang es ihm, die Bildwirkung seiner Werke zu steigern und ihre Verbreitung zu fördern. Neben seinen Werken befinden sich unter den rund 270 Exponaten auch Arbeiten seiner surrealistischen Zeitgenoss:innen.

  • Museum für Fotografie Jebensstr. 2, Tiergarten, Di–So 11–19/ Do bis 21 Uhr, 12/ 6 €, bis 27.4.

„The Very First Edition Künstler:innenbücher aus der Sammlung Marzona“ in der Neuen Nationalgalerie

Mel Bochner, Working Drawings, Installationsansicht, New York 1966, © Mel Bochner und Peter Freeman, Inc. Foto: unbekannt

Wenn man will, sind Künstler:innenbücher kleine Ausstellungen im handlichen Format. Der US-Amerikanische Künstler Mel Brochner wollte es so– der Kunst und dem Pragmatismus wegen. Für die Ausstellung „Working Drawings and Other Visible Things on Paper Not Necessarily Meant To Be Viewed as Art“ (1966) bat er zahlreiche Kolleg:innen um Entwurfszeichnungen, Skizzen, Notizen und weiteres Material. Es gab jedoch keine Möglichkeit, das in den Galerieräumen passen zu präsentieren, also kopierte Brochner die Exponate, sammelte sie in vier schwarzen Ordnern und zeigte sie auf vier Sockeln. Konzeptkunst at its best. Ein Exemplar dieses Buches ist in der Schau zu sehen, ebenso wie weitere Bücher von Künstler:innen der 1960er und 1970er Jahre, die der Sammler und Mäzen Egidio Marzona erworben hat. In der Mitte des Raumes läuft auf einer Leinwand eine kleine Doku, in der Marzone über seine Leidenschaft und Pionierleistung in Sachen Künstler:innenbüchersammeln berichtet. Leider sind die ausgestellten Bücher in Glaskästen, natürlich, und das sinnliche Erlebnis ist recht beschränkt. Über QR-Codes ist es möglich, mit dem Smartphones Videos aufzurufen, in denen das jeweilige Buch durchgeblättert wird. Immerhin. Eine feine Schau für Kunstnerds.

  • Neue Nationalgalerie Potsdamer Str. 50, Tiergarten, Di–So 10–18 / Do bis 20 Uhr, 14/ 7 € (Eintritt für alle Ausstellungen in der NN), bis 26.1.

„Parrot Terristories: Hörner/ Antlfinger“ im Tieranatomischen Theater

Foto: Höerner/ Antlfinger
Hörner/Antlfinger: "Karl am Strand", 2016, Fotografie, Foto: Hörner/Antlfinger

Es hat sich im Kunstbetrieb herumgesprochen: Der Mensch ist – trotz seiner kulturellen Leistungen –keinesfalls Krönung der Schöpfung. Eher ihr Vernichter. Auch „Parrot Terristories“ greift diesen Topos auf. Im Tieranatomischen Theater auf dem Campus der Humboldt-Universität stellen Ute Hörner und Mathias Antlfinger Papierarbeiten, Klangaufnahmen, Installationen und Videos aus, die ihre beiden Graupapageien Karl (Foto) und Clara entweder angeregt oder sogar ausgeführt haben. Unterhaltsam ist das und ästhetisch anspruchsvoll. Ebenso erregt es Besorgnis. Denn Graupapageien waren nicht nur koloniales Handelsgut, heute stehen sie auf der Roten Liste vom Aussterben bedrohter Arten. Fang und Export sowie die Vernichtung von Wäldern gefährden ihr Überleben in freier Wildbahn. Wieder etwas gelernt.

  • TA T – Tieranatomisches Theater Philippstr. 13/ Haus 3, Mitte, Di–Sa 14–18 Uhr, Eintritt frei, tieranatomisches-theater.de, bis 29.3.25

„Über Grenzen: Künstlerischer Internationalismus in der DDR“ im Humboldt Forum

© Su-Ran Sichling / Foto: Nathalie Bleyl
Su-Ran Sichling, "Zaun (altrosa)", 2022, © Su-Ran Sichling/ Foto: Nathalie Bleyl

Im dritten Stock des Humboldt Forums unterstreicht die kleine Sonderausstellung „Über Grenzen“, dass die Deutsche Demokratische Republik weniger deutsch war, als ihr Name und der Geschichtskanon vermuten lassen. Arbeiten der Künstler:innen Maithu Bùi, Seiichi Furuya, Mio Okido, Minh Duc Pham und Su-Ran Sichling (Abb.) sowie Dokumentarmaterial thematisieren Leben und Arbeit von Migrant:innen in der DDR sowie internationale Perspektiven auf das kleine Land. Etwas seelenlos abgestellt und aufgehängt, entfalten die Beiträge dennoch Wirkung: Fotografien, Plastiken und Videos beleuchten kollektiv ausgeführtes Design im Sozialismus und individuelle Perspektiven auf die Arbeit dahinter. So bildet „Über Grenzen“ eine schlüssige Fußnote zu den großen Ausstellungen über die Migrationsgeschichte der DDR, die seit 2022 in Dresden, Leipzig und Berlin stattgefunden haben.

  • Humboldt Forum Schloßplatz 1, Mitte, 3. OG, Mi–Mo 10-30–18.30 Uhr, Eintritt frei, Website, bis 16.2.25

“Every Single Thing That Exists in This Infinite Universe Is Either…” in der Galerie im Körnerpark

Foto: Gloria Jurado
Blick in die Ausstellung der Galerie im Körnerpark, Foto: Gloria Jurado

„Zurück zur Natur”, soll es schon Ende des 19. Jahrhunderts geheißen haben. Doch ein Zurück gibt es nicht. Wenn Rußpartikel noch in den hintersten Winkel der Arktis fallen, ist alle Natur Kultur. Vor diesem Hintergrund positioniert sich die umständlich betitelte Ausstellung „Every Single Thing That Exist in This Infinite Universe is Either…“. Sieben Künstler:innen suchen – teils ins Zusammenarbeit mit Wissenschaftler:innen – nach Wegen, sich mit Sphären und nichtmenschlichen Lebewesen zu verbinden. Viren, Bakterien und ganze Ökosysteme zählen zu ihren Wunschpartner:innen. Wie wir mit ihnen womöglich kooperieren können, ist das Thema der Arbeiten: etwa von ALEKsandra Sarnas kinetischer Installation zu Biosynthese oder Pei-Ying Lins humorvollen Brettspiel. Anregend und abwechslungsreich.


Marco Brambilla

Marco Brambilla, from Heaven’s Gate, 2022 © Marco Brambilla

Was ist denn hier los? Irgendwie alles. Marco Brambilla verwurstet in seinen Collagen Gegenwart und Vergangenheit, Popkultur und Politik zu einem visuellen Overload. Ein Drunter und Drüber eines Zeitgeistes, in dem eh keiner mehr durchblickt. In seiner Ausstellung bei Fotografiska zeigt der Regisseur und Künstler mit den Videokollagen „Heaven's Gate“ (2022) und „Civilization“ (2008) eine opulente Kritik an der Unterhaltungsindustrie. Mit psychedelischen Bildwelten, die von Hollywoods goldenen Zeiten inspiriert sind, nimmt er Betrachter:innen mit auf eine Reise durch Himmel und Hölle und fordert dabei auf, die unhaltbaren Versprechen und den Exzess der Medienkultur neu zu hinterfragen.

  • Fotografiska Berlin  Oranienburger Str. 54, Mitte, Mo–So 10–23 Uhr, Mo–Mi 14, Do + Fr 15/ Sa+So 16, erm. 8 €, bis 2.3.25

Gulia Groenke: „Minus 10“ in den Kant Garagen

Gulia Groenke, „Minus 10“, 2023. Foto: © Bettina Liebrecht, Artur Kupreev

Wie es sich wohl lebt in der nördlichsten Großstadt der Erde, wo es ein halbes Jahr lang dunkel und ein halbes Jahr lang hell ist, wo Permafrost die Temperaturen selbst im Hochsommer unter 20 Grad hält? Norilsk ist nicht nur die nördlichste Stadt der Welt, der russische Industriestandort hat auch noch eine düstere Vergangenheit als Gulag zu bieten sowie durch Nickelproduktion verursachte enorme Umwelt- sowie Luftverschmutzungen. Inmitten dieser Extreme leben Menschen. Die Künstlerin Gulia Groenke war eine von ihnen, bevor sie als junge Erwachsene ihre Heimat gen Westen verließ. Den Ort ihrer Kindheit und Jugend hat sie in collageartigen Gemälden verarbeitet, geprägt von Grau und Rot. Atmosphärisch, berührend, aber auch mal absurd und apokalyptisch.

  • Kant Garagen Kantstr. 127, Charlottenburg, Di–So, 12–20 Uhr, bis 29.12.

Letzte Chance: Diese Ausstellungen enden bald

Diese aktuellen Ausstellungen in Berlin sind nicht mehr lange zu sehen. Nutzt die Chance, sie an den letzten Tagen zu besuchen.


 
Theo Eshetu: „Veiled Woman on a Beachfront“ in der Galerie Barbara Thumm

Foto: Galerie Barbara Thumm/ Theo Eshetu
Theo Eshetu: View from Bar Olympia, 2012, Videostill, Stereo, Foto: Galerie Barbara Thumm/Theo Eshetu

Bis 8. Dezember zeigt Theo Eshetu im Haus der Kulturen der Welt ornamentale Animationen, da stellt er in der Galerie von Barbara Thumm mehrheitlich gegenständliche und figürliche Bilder aus. Die Aufnahmen sind schon älter, doch Eshetu hat sie frisch arrangiert: zu Farbfotografien im Doppelpack und einem Video-Triptychon (Abb.). Es sind intime Aufnahmen aus den Straßen und von einer Familie auf der Insel Lamu vor Kenia. Dank des Standorts der Videokamera könnten Betrachtende meinen, vor Ort in einem Café zu sitzen und dem Treiben auf der Uferpromenade zuzusehen. Ohne jeden Immersionsanspruch wirkt Eshetus Ausstellung so ganz immersiv. Und katapultiert, auch wenn Lamu nicht Sansibar ist, Betrachtende gleichsam in Romane des Literaturnobelpreisträgers Abdulrazak Gurnah. 

  • Galerie Barbara Thumm Markgrafenstr. 68, Kreuzberg, bthmumm.de, Mi–Sa 12–18 Uhr, bis 19.12.

„THEATER“ von Calla Henkel und Max Pitegoff bei Fluentum

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"New Theater Hollywood" bei Fluentum, Foto: Calla Henkel & Max Pitegoff

Aus Berlin, wo sie die TV-Bar betrieben, sind Calla Henkel und Max Pitegoff nach Los Angeles gezogen. Dort haben sie ein altes Theater wiederbelebt – und sich davon zu einem dreiteiligen Film für die Berliner Videosammlung Fluentum anregen lassen. „THEATER“ handelt von den Mühen und Überraschungen einer Theatergründung in Kalifornien und den Motiven der Menschen, die daran mitwirken wollen. Etliche der unterhaltsamen Szenen dürften also autofiktional sein. Interesse für Bühnenkunst muss jedoch niemand mitbringen, um sich an „THEATER“ zu erfreuen. Witzige Dialoge, überspitzte Figuren und ein lebensnahes Set ergeben ein Porträt von Los Angeles als Stadt des so ewigen wie unerfüllbaren Versprechens von Reichtum und Ruhm. Fotos von Mitwirkenden aus der Berliner und der kalifornischen Zeit des Künstlerduos hängen im Durchgang, als gehe es hier zu einer Casting-Agentur, und runden die sympathische Schau geradezu soziologisch ab. Leicht lässt sich erraten, wer aus Berlin und wer aus L.A. kommt.

  • Fluentum Clayallee 174, Zehlendorf, Fr 11–17, Sa 11–16 Uhr, 12.–15.9. 11–18 Uhr, fluentum.org, 12.9.–14.12.

Aktuelle Ausstellungen: Diese Schauen laufen gerade

Hier kommt der große Überblick über alles, was wir derzeit in der Berliner Kunstwelt empfehlen: die Ausstellungen, die noch eine Weile laufen und sich lohnen.


„Fallow Ground“ in Spaced Out/Gut Kerkow in der Uckermark

Sie war bereits zur Berlin Art Week in den Wilhelm Hallen ein Hingucker: die Gruppenausstellung „Fallow Ground“ mit Beiträgen von 22 Künstler:innen, die in Südafrika arbeiten. Kuratiert hatte sie die Galerie Reservoir aus Kapstadt in Zusammenarbeit mit der Berliner Galerie PSM. Jetzt sind die Arbeiten in Brandenburg zu sehen: in der Reihe „Spaced Out“ auf Gut Kerkow in Angermünde. Unter anderem der Maler Mongezi Ncaphayi, die Textilkünstlerin Bulumko Mbete und Inga Somdyala, der Hinterlassenschaften der Apartheid untersucht, stellen hier aus.

  • Gut Kerkow Greiffenberger Str. 8, 16278 Angermünde, Uckermark, tgl. 10–18 Uhr, bis 29.12.

„Der andere Impressionismus“ im Kupferstichkabinett

Eugène Carrière, Der Schlaf (Jean-René Carrière), 1897, Lithographie © Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett / Dietmar Katz

Der Impressionismus hat eine lange Geschichte mit Berlin, die 1896 mit dem Erwerb von Édouard Manets „Im Wintergarten“ durch die Nationalgalerie begann. Doch bereits 15 Jahre zuvor hatte eine Ausstellung 740 impressionistische Druckgraphiken nach Berlin gebracht, was das Sammeln moderner Kunst in der Stadt einleitete. Mit der Ausstellung „Der andere Impressionismus“ wird dieser vergessene Moment jetzt wiederbelebt. Künstler wie Manet und Renoir schufen dabei in der Druckgraphik einzigartige Originale, indem sie die Kupferplatten oft direkt in der Natur bearbeiteten. Der Impressionismus hat die Druckgraphik zu ihrem, nach Rembrandt, nächsten Höhenflug geführt.

  • Kupferstichkabinett Matthäikirchplatz Tiergarten, Mi–Fr 10–17, Sa+So 11–18 Uhr, 8/ 4 €, bis 18 J. und TLE frei, bis 12.1.25

„Forgive Us Our Trespasses“ im Haus der Kulturen der Welt

Rebecca Pokua Korang, video still from Verwoben & Vergessen (2023). Courtesy of the artist

Das dreijährige Programm „heimaten“ am Haus der Kulturen der Welt stellt die Vielfalt der Gesellschaft als Quelle staatlicher Macht in den Fokus. Es umfasst Gespräche, Festivals und Ausstellungen im deutschsprachigen Raum und zielt darauf ab, die Pluralität gegen rechtsextreme Kräfte zu verteidigen. Die Ausstellung „Forgive Us Our Trespasses“ zeigt Werke von 45 internationalen Künstler, die sich mit dem Thema „Überschreitungen“ auseinandersetzen, darunter Mariana Castillo Deballs aztekischer Kalender und Sim Chi Yins Großdias zur Unabhängigkeit Malaysias. Die Ausstellung behandelt Themen wie Spiritualität, Körper und Schuld, mit vielen Werken auf Weltniveau. Sie überzeugt mehr durch die inhaltlichen Vielfalt, als durch eine tiefgehende Auseinandersetzung mit den Themen.

  • HKW John-Foster-Dulles-Allee 10, Tiergarten, Mi–Mo 12–19 Uhr, 8/ 6 €, bis 18 J. + 1. So im Monat frei, bis 8.12.

„After Nature Prize“ im C/O Berlin

Die Natur holt sich ihren Raum wieder zurück beim After Nature Fotopreis. Foto: Sarker Protick

Die Arbeiten des Fotografen Sarker Protick und der Filmemacherin Laura Huertas Millán, die aktuell bei C/O Berlin ausgestellt sind, beleuchten auf beeindruckende Weise den Zerfall der Industrialisierung und die Rückkehr der Natur. Proticks Fotografien zeigen verlassene Industrielandschaften in Indien und Bangladesch, wo Natur langsam die Überreste menschlicher Infrastruktur zurückerobert. Die zweite Preisträgerin, die kolumbianische Filmemacherin Laura Huertas Millán, widmet sich in ihren Filmen der kulturellen Bedeutung der Kokapflanze und den Spuren des Drogenhandels in Kolumbien. Ihre Werke spannen einen Bogen von indigenen Heiltraditionen bis hin zur Dekadenz eines Drogenbarons, der mitten im Amazonas eine Villa aus der Serie "Denver Clan" nachbauen ließ. Der After Nature Prize, verliehen von der Crespo Foundation, ist mit 80.000 Euro dotiert und wird von der Frankfurter Crespo Foundation vergeben.

  • C/O Berlin Hardenbergstr. 22–24, Charlottenburg, tägl. 11–20 Uhr, 12/ 6 €, bis 22.1.25

Preisträgerin GASAG 2024: "Mariechen Danz. edge out“ in der Berlinischen Galerie

Ausstellungsansicht „Mariechen Danz. edge out“, Berlinische Galerie, © Foto: Benjamin Pritzkuleit

Fußspuren zieren die großen, weißen Wände der Eingangshalle der Berlinischen Galerie und führen zu handgefertigten Lehmziegeln, daneben hängen an Sternkarten erinnernde Schablonen, gläserne Organe und ein gigantisches Messinstrument – In der Grundzusammenstellung schon beeindruckend, bemerkenswert wird es aber vor allem durch die Nutzung des Lichtes und die daraus entstehenden Schatten in der hohen Halle. Die in Dublin geborene und in Berlin arbeitende Künstlerin Mariechen Danz ist diesjährige Preisträgerin des Kunstpreises GASAG, der künstlerische Positionen an der Schnittstelle zwischen Kunst, Wissenschaft und Technik auszeichnet. Zum Gewinn des Preises gehört eine Ausstellung in der Berlinischen Galerie. „edge out“ erzählt mit futuristischen Fossilien von den (zukünftigen) Spuren des Menschen, von Danz geschaffen mit einer einzigartigen Mischung aus Anatomie und Kartographie.

  • Berlinische Galerie Alte Jakobstr. 124-128, Kreuzberg, Mi-Mo 10-18 Uhr, 10/6€, bis 31.3.2025

„O Dzieleniu/ Vom Teilen“ im Zentrum für Aktuelle Kunst

ZAK – Zentrum für Aktuelle Kunst © Kulturamt Spandau, Jürgen Baumann

Polen ist von Berlin nur 80 Kilometer entfernt, aber die Grenzregion spielt im öffentlichen Leben der deutschen Hauptstadt nur eine kleine Rolle. Es gibt jedoch Künstler:innen, die ausgewiesene Expert:innen für sie sind, und einige von ihnen stellen im Zentrum für Aktuelle Kunst aus, unter ihnen Heike Gallmeier, Jerzy Hejnowicz, Georgia Krawiec, Pawel Kula, Michael Kurzwelly sowie Anne Peschken und Marek Pisarsky. Ihre Ausstellung „Vom Teilen“ ist eine Zusammenarbeit mit dem Nationalmuseum in Poznań.

  • Zentrum für Aktuelle Kunst Zitadelle Spandau Am Juliusturm 64, Spandau, Fr–Mi 10–17, Do 13–20 Uhr, bis 5.1.

Maurice de Vlaminck: „Rebell der Moderne“ im Museum Barberini

Maurice de Vlaminck, Bougival, um 1905 Öl auf Leinwand, 82,6 x 100,6 cm, Dallas Museum of Art, The Wendy and Emery Reves Collection Foto: © VG Bild-Kunst, Bonn 2024

Der in Paris geborene Maurice de Vlaminck (1876–1958) gilt als einer der wildesten Fauvisten, vielleicht, weil er Autodidakt war und keine Hemmungen im Umgang mit Farbe aus der Tube kannte. Mit seinen Landschaften von der Seine machte er international Karriere. Das Museum Barberini widmet de Vlaminck in Zusammenarbeit mit dem Wuppertaler Von der Heydt-Museum eine Retrospektive mit rund 70 Werken aus der Sammlung sowie von 50 internationalen Leihgebern. Der Schwerpunkt der Ausstellung liegt auf dem Fauvismus (1905-07, die erste und kürzeste Avantgarde des 20. Jahrhunderts), aber auch spätere Werke de Vlamincks sind zu sehen.

  • Museum Barberini Alter Markt, Potsdam, Mo, Mi–So 10–19 Uhr, 18/ 16/10 €, bis 18 J. + TLE frei, bis 12.1.2025

„Träum weiter – Berlin, die 90er“ – Jubiläumsausstellung zu 35 Jahre OSTKREUZ im C/O Berlin

Annette Hauschild, Verhüllter Reichstag, letzte Nacht, Berlin, 1995 © Annette Hauschild/OSTKREUZ. Für den verhüllten Reichstag: Christo und Jeanne-Claude, Verhüllter Reichstag, Berlin, 1971–1995 © Christo and Jeanne-Claude Foundation, VG Bild-Kunst, Bonn, 2024

Vom Mauerfall bis zur Eröffnung des Bundeskanzleramts, von ausrangierten sowjetischen Militärflugzeugen im Innenhof des Kunsthaus Tacheles bis zu Porträts des Neonazis „Bomber“ am Familientisch vor Reichskriegsflagge: Die Fotograf:innen der Agentur OSTKREUZ rund um Sibylle Bergemann, Ute und Werner Mahler, Thomas Sandberg und Co. lieferten als fotografische Zeitzeugen das visuelle Begleitprogramm zum turbulenten Berlin der 1990er Jahre. Die DDR-Fotograf:innen gründeten OSTKREUZ 1990, zum 35. Geburtstag widmet das C/O Berlin ihnen nun eine große Ausstellung. Darin wird mit Fotoserien der einzelnen Künstler:innen in Etappen etwa von Währungsunion, Aufstieg und Fall des Ibrahim Böhmes und dem Aufkeimen einer neuen Kulturszene zwischen Technobässen und Frank Castorf erzählt. Schön wäre es gewesen, wenn in der Ausstellung mehr auf die Geschichte von OSTKREUZ selbst eingegangen worden wäre - so erzählt „Träum weiter – Berlin die 90er“ vor allem vom Berlin, aber nicht den Fotograf:innen der 1990er. Das ist nicht unbedingt neu, in der komprimierten Qualität der Fotografien aber gut genießbar. 

  • C/O Berlin Hardenbergstr. 22-24, Charlottenburg, Mo-So 11-20 Uhr, 12 / 6€,  bis 22.1.2025

Tracey Snelling – „How We Live“ im Haus am Lützowplatz

Installation „How We Live“ at Haus am Lützowplatz (HaL), Berlin. Fotos: Tracey Snelling

Im Miniatur-Mäusebunker tanzt Mickey Mouse und in der Fassade eines trostlosen amerikanischen Gewerbegebäudes interviewt Borats Tochter Rudy Giuliani – eine Szene aus dem Kultfilm „Borat 2“. Die in Berlin arbeitende Künstlerin Tracey Snelling paart in „How We Live“ popkulturelle Referenzen mit äußerst detailverliebten Puppenstuben. Im Haus am Lützowplatz ist nun die bisher umfangreichste Solo-Schau ihrer Werke zu sehen, mit vielen Berliner Nachbauten – neben dem „Mäusebunker“ werden auch die „Südblöcke“ am Kottbusser Tor oder das Haus Badstraße/Ecke Pankstraße mit dem berühmten Boateng-Graffiti gezeigt – und Gebäuden aus den USA, Italien, China oder Japan. Meist sind es gigantische Wohnblöcke und in vielen der unzähligen kleinen Fenstern läuft ein Video – genauso wie in echt hinter jedem Fenster der Betondörfer ein Menschenleben steckt. Snelling möchte mit ihren dreidimensionalen Wimmelbildern so auf soziale Fragen des Zusammenlebens hinweisen und wirkt der Anonymisierung der riesigen Sozialwohnanlagen entgegen. Ein besonderer Fokus liegt neben Berliner Gebäuden übrigens auf Tokio – dort entführt uns Snelling in einem lebensgroßen Nachbau in ein "Love Hotel".

  • Haus am Lützowplatz Lützowpl. 9, Tiergarten, Di-So 11-18 Uhr, kostenlos, bis 9.2.2025

Alfredo Jaar und Nina E. Schönfeld im Kindl

Nina E. Schönefeld, RIDE OR DIE, 2024,Videostill Foto: © Nina E. Schönefeld

Der Ausstellungstitel verheißt nichts Gutes: „The End of the World“, das Ende der Welt, will man eigentlich nicht sehen, neugierig macht es aber schon, wie sich Künstler Alfredo so ausmalt. Und das überrascht. Warum? Wollen wir an dieser Stelle nicht verraten. Nur so viel:E geht um die wichtigsten kritischen Rohstoffe wie Lithium und Kobalt, ohne die unsere digitalisierte und umwelttechnologisierte Zukunt nicht aufgeht, was wiederum verheerende Auswirkung jetzt schon hat. Düstere Zukunftsaussichten präsentiert uns auch Nina E. Schönfeld in der Videoinstallation„RIDE OR DIE“: Im Jahr 2039 regiert ein totalitärer und undemokratischer Staat die Gesellschaft mit dem Schlagstock. Die Protagonist:innen sind ein Journalist:innen-Ehepaar und sind entschlossen, kompromisslos für einen freien Staat zu kämpfen.

  • Kindl – Zentrum für zeitgenössische Kunst Am Sudhaus 3, Neukölln, Mi 12–20/ Do–So 12–18 Uhr, 7/4 €, bis 1.6.25

„Hip-Hop: Conscious, Unconscious“ im Fotografiska Berlin

Mehr als hitverdächtig: „Salt n Pepa Lower East Side NYC (1986)“, Fotografie von Janette Beckman.

„Hip-Hop war sich anfangs seiner selbst nicht bewusst. Es ging einfach darum, dass junge Menschen ihr Leben lebten, sich so kleideten, wie sie es taten, versuchten, sich mit begrenzten Mitteln zu unterhalten und eine Ästhetik zu schaffen, die unter ihnen Anklang fand“, sagt Kurator Sacha Jenkins über die aktuelle Ausstellung im Fotografiska Museum. Es geht um die legendären Gründungszeiten, beschränkt sich aber längst nicht darauf. Den Porträts der frühen Acts, allesamt auf der Straße aufgenommen, folgen aufwendige Studioproduktionen. Queen Latifah etwa ist 1990 als royale Schönheit mit viel Schmuck und in einer Haltung inszeniert, die an die legendäre ägyptische Königin Nofretete erinnert. Die Ausstellung war zuvor in New York zu sehen und wird in Berlin, wo sie kurz nach der Art Week beginnt, um einen lokalen Teil unter anderem mit Beiträgen des einstigen Labels Aggro Berlin erweitert. Sie schlägt den Bogen von den wilden Anfängen bis zur maximalen Vermarktung. Von der Stadt, also dem New York der 1970er- und 1980er-Jahre, sieht man jenen Ausschnitt, der damals die Heimstatt der Gangsta wie der Rapper war: die Straßen, auf denen sie sich bewegten, und die Fenster, aus denen sie auf die Straßen blickten. Mehr über „Hip-Hop: Conscious, Unconscious“ im Fotografiska Berlin lest ihr hier.

  • Fotografiska Berlin  Oranienburger Str. 54, Mitte, Mo–So 10–23 Uhr, Mo–Mi 14, Do + Fr 15/ Sa+So 16, erm. 8 €, 20.9.24 –26.1. 25, weitere Infos und Tickets hier

Rohini Devasher :„Borrowed Light “ im Palais Populaire

Rohini Devasher: Borrowed Light Deutsche Bank “Artist of the Year” 2024, One Hundred Thousand Suns, 2023. Foto: Rohini Devasher

Es gibt Menschen, die nehmen jeden Tag ein Foto von der Sonne auf und das seit 1904. Mitarbeiter:innen des Kodaikanal Solar Observatory in Südindien kennen ihre im wahrsten Sonne- als auch Schattenseiten und erzählen ihre Eindrücke, Empfindungen und Gedanken in der bezaubernden Vierkanal-Filminstallation „One Hundred Thousand Suns“ der Künstlerin Rohini Devasher. Die Stiftung Deutsche Bank ehrt ihre „Artist of the Year 2024“ mit einer Einzelausstellung. Devasher stammt aus Neu-Dehli und ist als Amateurastronomin war zu künstlerisch-forschenden Aufenthalten am Max-Planck-Institut und dem CERN. Im Zentrum der Schau steht ihre langjährige Auseinandersetzung mit Astronomie, bei der Licht und das Verhältnis zwischen Ort, Beobachter:in und Beobachtung zentrale Rollen spielen.

  • Palais Populaire Unter den Linden 5, Mitte, Mi–Mo 11–18/ Do bis 21 Uhr, 5/3 €, bis 10.3.25

„After Image“ bei Julia Stoschek Foundation

Carsten Nicolai, telefunken anti, 2004, installation; CD-Player, CD, LCD Televisions, two parts. Installation view, AFTER IMAGES, JSF Berlin. Photo: Robert Hamacher.

Zur Eröffnung zur Berlin art Week konnte es die Warteschlange locker mit den belibtesten Clubs oder Bäckereien der Stadt aufnehmen: Wenn die Julia Stoschek Foundation ihre neue Jahresausstellung zeigt, kommen viele, sehr viele. Zu Recht, denn JFS hat nicht nur eine eindrucksvolle Videokunstsammlung, auch ist diese Kunst der sogenannten zeitbasierten Medien zugänglicher als andere Formen der Bildenen Kunst. Nun will die Ausstellung „After IMAGES“ mit über 30 Werken, darunter sechs neuen Auftragsarbeiten, selbst das bewegte Bild allein hinter sich lassen. Statt sich nur aufs Sehen zu konzentrieren, lädt die Schau zu einem multisensorischen Erlebnis ein, mit kinetischen Skulpturen, Klang- und Lichtinstallationen sowie Duftkunst. Dass Installationen, Sound- und Lichkunst sich länger einer größeren Beliebtheit erfreuen ist nichts neues, überrascht jedoch in diesen sonst sehr mit Videkunst verbundenen Räumen.

  • Julia Stoschek Foundation Leipziger Str. 60, Mitte, Sa+So 12–18 Uhr, 5 €, jeden 1. Donnerstag im Monat von 18–22 Uhr Eintritt frei, bis 27.4.25

Sigmar Polke, Atemkristall, 1997, Sammlung Speck, Köln / Installationsansicht: Sigmar Polke. Der heimische Waldboden. Höhere Wesen befahlen: Polke zeigen!, Schinkel Pavillon, Berlin, 2024/25,
Foto: Frank Sperling;VG Bild-Kunst, Bonn 2024

Sigmar Polke: „Der heimische Waldboden. Höhere Wesen befahlen: Polke zeigen!“ im Schinkel Pavillon

Polke lohnt sich immer. Erst Recht, wenn die Ausstellung von der wunderbaren Polke-Expertin Bice Curiger kuratiert wurde! Sigmar Polke (1941–2010) ist Mitbegründer des “Kapitalistischen Realismus“, ein Fixpunkt der jüngeren deutschen Kunstgeschichte und einer, bei dem Witz und Ernst richtig gut aufgehen. So etwa beim großformatigen Bild „Gangster“ von 1988, das einen Mann mit Schlapphut, Ziggarre im Mund un in Boxershorts zeigt, der gerade seinen Mantel öffnet um wie ein Schmuggler die an der Innenseite hängende Ware zu präsentieren – ein ironisches Künstlerporträt. Überraschend in der Schau sind die Bezüge Polkes zu Berlin und die kaum bekannten Fotografien aus den 1960er- und 70er Jahren.

  • Schinkel Pavillon Oberwallstr. 32, Mitte, Do+Fr 14–19, Sa+So 11–19 Uhr, 6/4 €, bis 2.2.25

„Mark Bradford: Keep Walking“ im Hamburger Bahnhof

© Mark Bradford Courtesy der Künstler und Hauser & Wirth
Mark Bradford: "I Don’t Know What I Am", 2024, Mixed Media auf Leinwand, 305 x 530,9 cm / 120,1 x 209 in, © Mark Bradford Courtesy der Künstler und Hauser & Wirth

Die Rieck Hallen am Hamburger Bahnhof der Nationalgalerie sind nun sicher in öffentlicher Hand. Sie wurden renoviert und haben ein neues Konzept erhalten. Die erste der Solo-Ausstellungen, die in den vorderen Hallen stattfinden werden, gehört Mark Bradford. Der Maler, Videomacher und Bildhauer aus Los Angeles thematisiert Schwarze Geschichte, Stadtentwicklung unter dem Druck von Immobilienfirmen und Gewalterfahrungen queerer Schwarzer. In seiner ersten musealen Einzelschau in Deutschland gibt Bradford einen Überblick über sein Werk. Im Mittelpunkt steht seine ungewöhnliche Methode, Bilder zu schaffen: Mark Bradford sammelt Fundpapier wie alte Plakate von Straßen, zerreißt, schneidet, flämmt, klebt, übermalt und bindet sie. So ergeben riesige Tableaus übereinander geschichteter und bearbeiteter Papiere nahezu abstrakte Bilder (Abb.), in denen sich Geschichten von den Straßen gespeichert findet. Schade nur, dass einige Säle labyrinthisch zugestellt wurden.

  • Hamburger Bahnhof Invalidenstr. 50/ 51, Mitte, Di, Mi, Fr 10–18 Uhr, Do 10–20, Sa/ So 11–18 Uhr, 14/ 7 €, bis 18. J., TLE + 1. So/ Monat frei, smb.museum,  bis 26.1.2025

„Metakosmia“ von Nina Fischer & Maroan el Sani in der Schwartzschen Villa

© Nina Fischer & Maroan el Sani /VG Bild-Kunst, Bonn 2024
Nina Fischer & Maroan el Sani: “Metakosmia“, 2024 © Nina Fischer & Maroan el Sani /VG Bild-Kunst, Bonn 2024

Vom Überleben in der Klimakrise handelt die neue Arbeit von Nina Fischer und Maroan el Sani. Das Berliner Künstlerduo hatte während seines Stipendienaufenthalts an der Villa Aurora in Kalifornien Gelegenheit, in der Biosphere 2 zu drehen. In dem legendären, riesigen Gewächshaus (Filmstill), gelegen in der Wüste von Arizona, wurde im 20. Jahrhundert menschliches Überleben auf dem Mars simuliert – ein Versuch, der mehrmals Thema in der US-amerikanischen Literatur war, auch, weil er scheiterte. Heute forschen hier Geowissenschaftler:innen zum Überleben von Pflanzen im Klimawandel. Fischer und el Sani drehten einen fiktionalen Film über eine junge Frau, die allein in der Biosphere 2 überleben muss. Eindrücklich setzten sie Treibhaus und Protagonisten in einer 2-Kanal-Installation in Szene. Eine dokumentarische Arbeit dagegen, eine Sonification, lässt die heutigen Experimente hören: Sie verwandelt wissenschaftliche Grafiken zur Entwicklung der Gase in dem Treibhaus in verstörenden Klang. Größenwahn und Verzweiflung westlicher Zivilisation sind hier auf den Punkt gebracht.


„Museum in Bewegung“ – die vierte Sammlungspräsentation im Hamburger Bahnhof

Foto: Stefan Stark
Jasmin Werner: „The Wheel of Life“, 2018, Installationsansicht Kunstverein Braunschweig, 2018, Courtesy die Künstlerin und Friedrich-Mielke-Institut für Scalalogie, OTH Regensburg, Foto: Stefan Stark

In den wiedereröffneten Rieck-Hallen zeigt das Team vom Hamburger Bahnhof der Nationalgalerie den vierten Teil seiner Sammlungspräsentation. Im Mittelpunkt stehen große Fotoserien, Skulpturen und Installationen. „Museum in Bewegung“, so der Titel, soll nach der heutigen Funktion von Kunstmuseen fragen. Was heben sie warum auf? Ist es sinnvoll, Performances mit ihren Überresten als Skulptur präsentieren? Wie konserviert man technisch schnell veraltete Medienkunst? Die Beispiele sind treffend gewählt: etwa Ricarda Roggans Fotografien aus Provinzmuseum, die Reliquien von Persönlichkeiten wie Beethoven oder Bach aufbewahren. Den Anfang macht allerdings überdeutlich eine Großskulptur von Elmgreen & Dragset. Sie stellt einen Ausstellungsraum dar. Je nach Standpunkt erhebt er sich entweder aus einem Haufen Schutt oder versinkt darin wie die Titanic im Eismeer.

  •  Hamburger Bahnhof Invalidenstr. 50/ 51, Mitte, Di, Mi, Fr 10–18 Uhr, Do 10–20, Sa/ So 11–18 Uhr, 14/ 7 €, bis 18. J., TLE + 1. So/ Monat frei, smb.museum, bis 26.1.2025

Noah Davis im Minsk, Potsdam

© The Estate of Noah Davis. Courtesy The Estate of Noah Davis Und David Zwirner
Noah Davis: “Pueblo Del Rio: Arabesque”, 2014. Miguel Pimentel © The Estate of Noah Davis. Courtesy The Estate of Noah Davis Und David Zwirner

Das Kunsthaus Minsk in Potsdam zeigt die erste Einzelausstellung von Noah Davis in Deutschland. Der Maler aus Los Angeles, der 2015 mit 32 Jahren an Krebs starb, malte Schwarzen Protagonist:innen in alltäglichen Situationen: in Interieurs, auf der Straße, im Schwimmbad. Mit diesen Bildern widersprach er dem Klischee von Schwarzen als Verkörperung sozialer Probleme oder als Subjekt, das sich Tag und Nacht um Menschenrechte kämpft. Bezaubernd lebensnah sind seine großen Formate, die er nach alten Farbfotos aus den Alben seiner Mutter schuf. Und von kritischem, scharfem Witz zeugt der Nachbau einer Ausstellung aus dem von ihm mitbegründeten Kulturzentrum. Da Museen Davis und seinen Mitstreiter:innen keine Kunst ausleihen wollten, baute er sie kurzerhand nach, etwa Duchamps berühmten Flaschenhalter. Heute dagegen befinden sich Davis’ eigene Arbeiten in großen Museen der USA. Seine Potsdamer Ausstellung geht im Anschluss ans Londoner Barbican Center.

  • Das Minsk Max-Planck-Str. 17, Potsdam-Zentrum, Mi–Mo 10–19 Uhr, 10/ 8 €, bis 18 J., ALG + letzter So im Monat frei, dasminsk.de, bis 5.1.2025

Rirkrit Tiranvanija: “Das Glück ist nicht immer lustig” im Gropius Bau

In seinen Berliner Jahren brachte Rirkrit Tiravanija dem Kunstpublikum Geselligkeit durch gemeinsames Essen frisch zubereiteter Speisen bei. In Thailand, woher seine Familie kommt, gründete er ein ökologisches Landbauprojekt. In den USA, wo er studierte, nahm er die westliche Sicht auf Kunst auseinander, mitunter buchstäblich, etwa, wenn er eine alte asiatische Schale unter ihrer gläsernen Abdeckhaube hervorholte. Rund 30 Jahre umfasst die Rückschau des 1961 geborenen Künstlers, die der Gropius Bau unter der neuen Leitung von Jenny Schlenzka unter dem Titel „Das Glück ist nicht immer lustig“ zeigt. Ein anspruchsvolles Vorhaben angesichts der vielen künstlerischen Formen. Hinzu kommen partizipative Werke wie der Proberaum, den Bands auf den Internetseiten des Ausstellungshauses buchen können. Dessen Saalflucht und Lichthof bieten Platz genug für die Arbeiten, und doch wirkt ein Teil in dem ehemaligen Museum aus dem 19. Jahrhundert fehl am Platz. Tiravanijas Mitmachkunst braucht auch die offene Straße.

  • Gropius Bau   Niederkirchnerstr. 7, Kreuzberg, regulär Mo, Mi–Fr 12–19, Sa+So 11–19 Uhr, 9/ 6 €, bis 18 J., TLE + Zugang zum Lichthof frei, berlinerfestspiele.de/gropius-bau, 12.9.24–12.1.25,

Gisèle Vienne: "The Causes Cionciousness to Fracture – A Puppet Play" im Haus am Waldsee

Foto: Estelle Hanania
Gisèle Vienne: „L`Etang“, 2020 Foto: Estelle Hanania

Ein letztes Mal hat der Senat bei der Berlin Art Week eine Kooperation von Ausstellungshäusern gefördert. Und drei Institutionen haben diese letzte Chance äußerst produktiv genutzt: Haus am Waldsee, Georg-Kolbe-Museum und Sophiensaele stellen das Werk der 1976 geborenen Puppenbauerin und -spielerin Gisèle Vienne vor. Im Haus am Waldsee lassen sich Viennes kindergroße Teenagerfiguren studieren: auf Porträtfotos der verschiedenen Charaktere, in einem Jugendzimmer und in gläsernen Kästen. In jedem liegt eine Puppe wie Schneewittchen. So lässt sich genau sehen, wie Vienne sie bemalt und mit welchen Attributen ausgestattet hat: verpickelt oder blass, mit Energiedrink in der Hand oder mit einem Verband ums Handgelenk, als habe die Puppe versucht, ihre Pulsadern zu öffnen. Selten wird so deutlich, dass das Teenageralter eine Zeit voller Gefahren für Körper, Geist und Seele ist. Wer Kinder hat, die der Pubertät gut entwachsen sind, kann tiefe Dankbarkeit spüren. Dennoch bleibt der Verdacht, dass die Kunstwelt hier eine Sehnsucht nach Figürlichkeit und emotionalen Erzählung über den Umweg des Theaters stillt.

  • Haus am Waldsee  Argentinische Allee 30, Zehlendorf, Di–Sa 11–18 Uhr, 2. Fr im Monat bis 20 Uhr, 8/ 5 €, bis 18 J., TLG + 1. So im Monat frei, hausamwaldsee.de, 12.9.24–12.1.25

„Punk in der Kirche“ bei der Stiftung Stadtmuseum im Humboldt Forum

Foto: Phil Dera
Blick in die Ausstellung „Punk in der Kirche“, Stiftung Stadtmuseum im Humboldt Forum 2024, Foto: Phil Dera

„Was soll ich mit einer Weltanschauung, wenn ich mir die Welt nicht anschauen darf“: Bittere Sprüche konnten Punks gut, auch in der DDR, deren Bürger:innen keine Reisefreiheit genossen. Die Unzufriedenheit mit Staat und Regierung förderte ungewöhnliche Allianzen. Vor allem in Ost-Berlin und Leipzig gaben Kirchengemeinden Oppositionsgruppen ein Dach, darunter auch Punk-Bands, die in Gotteshäusern auftraten. Davon erzählt „Punk in der Kirche“, eine neue Wechselschau der Stiftung Stadtmuseum, mit historischen Fotos, Grafiken, Zitaten sowie Objekten wie Kassetten und Kleidung.  „Punk in der Kirche“ ist Teil der interaktiven Dauerausstellung „Berlin Global“, die das Stadtmuseum im Humboldt Forum zeigt. Zu den Wechselschauen, die von Gastkurato:rinnen gestaltet werden, gehört seit Juni auch weitere Fläche zur Präsenz polnischer Freiheitskämpfe in Berlin und zur Solidarnosc-Bewegung.

  • Stiftung Stadtmuseum im Humboldt Forum Schloßplatz, Mitte, Mi-Mo 10-30-18.30, regulär: 7/0 €, stadtmuseum.de, bis 2026

Preis der Nationalgalerie im Hamburger Bahnhof – Nationalgalerie der Gegenwart

@Jacopo La Forgia
Preis der Nationalgalerie. Dan Lie im Hamburger Bahnhof: Foto: Jacopo La Forgia

Erstmals geht der Preis der Nationalgalerie an vier Künstler:innen gemeinsam. Die vier Preisträger:innen stellen im Hamburger Bahnhof je eine neue Arbeit aus, die für die Sammlung des Museums angekauft wird, und diese Ausstellung am Freitag, den 7. Juni, zu Beginn eines eintrittsfreien Wochenendes der offenen Türen mit Familienprogramm.

Die Neuerungen sind nicht nur für das Publikum erfreulich: In der Publikation zum Preis äußern sich die prämierten Künstler:innen erleichtert darüber, nicht gegeneinander konkurrieren zu müssen. Tatsächlich wäre schwer zu entscheiden, wer einen ersten Preis hätte bekommen sollen: Pan Daijing, Dan Lie, Hanne Lippard oder James Richards. Sie alle sind um die 40 alt, sie alle arbeiten multimedial. Dan Lies üppige Installation aus Blumen, Stroh und Erde (Abb.) besticht mit Gerüchen, Hanne Lippards minimalistische Installation mit der Stimme der Künstlerin. James Richards überzeugt mit der Geduld, mit der er, auch in Zusammenarbeit mit Kolleg:innen, Fundbilder sucht, zerlegt und neu kombiniert.

Und Pan Daijing macht mit einer Komposition und gefilmten Choreografien Gefühle körperlich erfahrbar, beispielsweise die Angst vor Berührung bei gleichzeitigem Verlangen danach. Zwei kleine Makel hat die Ausstellung: Die Säle im ersten Stock wirken zu verschachtelt für die großen Arbeiten. Und die Gewinner:innen kommen – mal wieder - aus Berlin. Da stimmt doch etwas nicht: entweder mit dem Preis oder mit der Chancenverteilung im Lande.

  • Hamburger Bahnhof – Nationalgalerie der Gegenwart Invalidenstr. 50/51, Tiergarten, Di, Mi, Fr 10–18, Do 10–20, Sa/So 11–18 Uhr, 14/ 7 €, bis 18 J, TLE + 1. So im Monat frei, Website, 7.6.–5.1.25

"Hin und weg – Der Palast der Republik ist Gegenwart" im Humboldt Forum

Foto: picture alliance / zb | Dieter Palm
Ausflugsboot auf der Spree vor den Resten der Aufzugsschächte und Treppenaufgänge des abgerissenen Palasts der Republik. Foto: picture alliance / zb | Dieter Palm

An keinen Berliner Gebäuden spiegelt sich deutsche Ideologiegeschichte so deutlich wie am Palast der Republik, seinem Vorgänger und seinem Nachfolger, Hohenzollern-Schloss und rekonstruiertes Hohenzollern-Schloss mit dem Humboldt Forum darin. Dessen Team arbeitet nun diese Geschichte in der Ausstellung „Hin und weg“ auf. Sie zeigt Architekturzeichnungen, Modelle, Kunst und Design aus dem Palast, Fotos und Plakate von Veranstaltungen und politischen Versammlungen sowie Audio- und Videointerviews mit Zeitzeug:innen. Die Kurator:innen haben sich um Distanz bemüht, lassen jeweils Pro und Contra zu Wort kommen. Doch eine gründliche Dokumentation der umstrittenen Spenden aus rechten Kreisen für die Fassadenteile des rekonstruierten Schlosses fehlt. „Hin und weg“ ist nicht schön, weil kleinteilig und sperrig, aber informativ und vor allem eines: bedrückend. Das Publikum hat zahlreiche Gelegenheiten, Erinnerungen und Meinungen zum Palast niederzuschreiben. Viele sind der Ansicht, dass Abriss (Foto) keine Lösung war, sondern eine kritische Aufarbeitung am bestehenden Gebäude gutgetan hätte. Aber zu spät.

  • Humboldt Forum Schloßplatz 1, Mitte, Mi–Mo 10.30–18.30 Uhr, 12/ 6 €, bis 18 J. frei, online, bis Februar 2025

„Profitopolis“ im Werkbundarchiv – Museum der Dinge an neuem Ort

Foto: Werkbundarchiv – Museum der Dinge/ Armin Herrmann
Museum der Dinge - neuer Standort Der neue Standort in der Leipziger Straße 54 vor dem Einzug. Foto: Werkbundarchiv – Museum der Dinge/ Armin Herrmann

Das Werkbundarchiv – Museum der Dinge hat wiedereröffnet, in der Leipziger Straße gegenüber dem Spittelmarkt, in einem Gebäuderiegel aus sozialistischer Zeit. Die klaren Formen und die große Fensterfront passen gut zu einem Museum, das sich der Geschichte des Werkbunds widmet, jener 1907 gegründeten „Vereinigung von Künstlern, Architekten, Unternehmern und Sachverständigen“, die eine Verbesserung von Wohnsituation und Gebrauchsdesign zum Ziel hatte.

Das Programm am neuen Ort hat mit der  Wechselausstellung „Profitopolis“ begonnen. Modelle, Dokumente, Fotos, Bücher und künstlerische Arbeiten lassen rund 100 Jahre Mieterproteste lebendig werden, beleuchten deutsche Wohnpolitik und die Rolle des Werkbunds dabei, inklusive seiner Anpassung an das nationalsozialistische Regime. Die Beiträge der Gegenwartskünstler:innen bereiten Freude. Daniela Brahm hat  Zeichnungen zum Thema Wohnungsnot im Stil einer Satirezeitschrift beigesteuert,  Tracey Snellings beleuchtete Plastiken in Gestalt umstrittener Wohnviertel wie dem Neuen Kreuzberger Zentrum (Kotti. Und eine Filmdokumentation erinnert an die von Martin Kaltwasser mitinitiierte Demonstration, die 2018 unter dem satirischen Motto „Platz da für meinen SUV“ durch den Bezirk Mitte führte. Zur Ausstellung gehören Führungen, Workshops und Stadtspaziergänge.

  • Werkbundarchiv – Museum der Dinge Leipziger Str. 54, Mitte, 6/ 4 €, bis 18. J., ALG II + 1. So im Monat frei, Do-Mo 12-19 Uhr, Di+Mi geschlossen, Website, bis 28.2.2025

Kunst als Beute. 10 Geschichten

Foto: Stiftung Humboldt Forum
Blick in die Ausstellung „Kunst als Beute. 10 Geschichten“, Foto: Stiftung Humboldt Forum

Die neue Sonderausstellung im Humboldt Forum, die aus dem Den Haager Museum Mauritiushaus kommt, handelt von Raubkunst – geraubten Kulturgütern aus kolonialen Kontexten, Kriegsbeute und von den Nationalsozialisten beschlagnahmten Gemälden. Doch ehrlich gesagt: Besonders viel ist nicht zu sehen. Zehn geraubte Objekte sind im Original oder als Replik ausgestellt, und über VR-Brillen sollen sich deren Provenienzgeschichten vermitteln. Freundliche Mitarbeitende setzten den Besuchenden die Geräte auf. Ob die Quadriga vom Brandenburger Tor, die unter Napoleon zeitweise in französischem Besitz war, oder der magische Dolch, den niederländische Kolonialisten nach einem Gemetzel von Bali nach Europa brachten: Die 3D-Panoramen wirken wie aus einem stimmungsvollen Computerspiel, Informationen aber enthalten sie kaum.

  • Humboldt Forum Schloßplatz, Mitte, Mi–Mo 10.30–18.30 Uhr, Eintritt frei, humboldtforum.org, bis 26.1.2025

Fokus Schinkel. Ein Blick auf Leben und Werk

© Staatliche Museen zu Berlin / David von Becker
Friedrichswerdersche Kirche Dauerausstellung "Ideal und From. Skulpturen des 19. Jahrhunderts aus der Sammlung der Nationalgalerie"© Staatliche Museen zu Berlin / David von Becker

Friederike und Luise sind ja zurück in der Friedrichswerderschen Kirche am Auswärtigen Amt: Hold, lieblich, stolz und frisch restauriert lächeln die preußischen Prinzessinnen in Johann Gottfrieds Schadows Gipsmodell Besuchenden entgegen (Foto, Mitte). Seit 24. November informieren die Staatlichen Museen nun genauer über den Erbauer der Kirche: Auf der Empore führen 14 Tafeln in Leben und Werk von Karl Friedrich Schinkel ein – seine wichtigsten Bauten in Berlin zeigen wir euch hier.

  • Friedrichswerdersche Kirche Werderscher Markt, Mitte, Di–So 10–18 Uhr, Eintritt frei, bis auf Weiteres

Neue Nationalgalerie: „Zerreißprobe. Kunst zwischen Politik und Gesellschaft“

Wolfgang Mattheuer: Brasker Landschaft, 1967, Staatliche Museen zu Berlin, Neue Nationalgalerie. Foto: Roman März

In der Neuen Nationalgalerie zeigt sich der nächste Teil der Sammlung neu sortiert: Die Ausstellung
„Zerreißprobe“ präsentiert Kunst nach 1945. Ost und West finden hier zusammen – genauso wie Kunst
und Politik. Unter den 170 Arbeiten der Ausstellung gibt es jede Menge bekannte Werke. Neben Werken der üblichen Verdächtigen von Marina Abramović bis Andy Warhol aus der ehemaligen Nationalgalerie-West an der Potsdamer Straße hängen jetzt Arbeiten bekannter Ostgrößen wie Wolfgang Mattheuer Harald Metzkes oder Werner Tübke, die die  auf der Museumsinsel gelegene Nationalgalerie-Ost sammelte.

Verantwortlich für die Schau sind der für die Sammlung zuständige stellvertretende Direktor Joachim Jäger, die wissenschaftliche Mitarbeiterin Maike Steinkamp sowie die Kunsthistorikerin Marta Smolińska von der Universität der Künste in Poznań. „Zerreißprobe“ ist laut Joachim Jäger der Versuch einer Darstellung, die den Entwicklungen von Meinungen und Werten in der Gesellschaft folge. Die Gesellschaft entscheidet über die Kriterien der Kunst. Das war schon immer so, nur obsiegen nun offenbar Gesinnung, Moral und Geschlecht über Ästhetik.

Die Geschichte schreiben immer die Sieger. „Die Einfühlung in den Sieger kommt demnach den jeweils Herrschenden allemal zugut“, formulierte 1940 Walter Benjamin. Denn die im Dunkeln, die Ausgeschlossenen und Vergessenen, sieht man ja nicht – und sie sind auch in der Neuen Nationalgalerie nicht zu sehen, beispielsweise Werke der Art brut, Werke der oft autodidaktischen Kunst gesellschaftlicher Außenseiter, die, wie Jäger sagt, nicht in der Sammlung vertreten  sind.

  • Neue Nationalgalerie Potsdamer Str. 50, Tiergarten, Di/ Mi, Fr–So 10–18, Do 10–20 Uhr, 14/ 7 €, bis 18 J. + 1.  So/ Monat frei, bis 28.9.2025

Gerhard Richter – 100 Werke für Berlin

Blick in die Ausstellung „Gerhard Richter. 100 Werke für Berlin“, Staatliche Museen zu Berlin, Foto: David von Becker

100 Arbeiten leiht der berühmte Maler Gerhard Richter der Neuen Nationalgalerie auf lange Zeit, und sie alle passen in das Grafikkabinett im Untergeschoss des Museums. Denn unter den Abstraktionen befinden sich viele kleine übermalte Fotos – Spitzenstücke, eine Wucht. Im Zentrum jedoch hängt der „Birkenau“-Zyklus, mit dem Richter die Grenzen der Kunst im Angesicht von Verbrechen der Nationalsozialist:innen thematisiert. Als Vorlage dienten Fotografien, die Häftlinge unter Lebensgefahr in Auschwitz-Birkenau aufgenommen und aus dem Konzentrationslager geschmuggelt hatten.

  • Neue Nationalgalerie Potsdamer Str. 50, Tiergarten, Di–Mi, Fr–So 10–18, Do bis 20 Uhr, 14/ 7 €, bis 18 J., Do ab 16 Uhr + 1. So/ Monat frei, Tickets hier, bis September 2026

Ts’ uu – Zeder. Von Bäumen und Menschen

Ansicht der temporären Ausstellung "Ts'uu – Zeder. Von Bäumen und Menschen" im Humboldt Forum. Foto: © 2020 by Alexander Schippel

Was länger währt, wird womöglich besser: Die Ausstellung „Ts̓  uu – Zeder“ des Ethnologischen Museums konnte pandemiebedingt nicht  mit den Sälen eröffnen, die im Herbst das Humboldt Forum komplettiert haben. Doch nun ist die Schau über Regenwälder an der Westküste Kanadas fertig, eine Koproduktion mit dem hochmodernen Haida Gwaii Museum auf gleichnamigem Archipel vor der Küste British Columbias. Sie zeigt, wie erhellend und publikumsfreundlich transkontinentale und transdisziplinäre Zusammenarbeit sein kann. Nur einen Saal mit 130 Exponaten umfasst die Schau, die genauso Ruhe wie Abwechslung bietet, dank einer Sitzecke und des Einsatzes verschiedener Medien. Selbstverständlich gibt es klassische Objekte wie Wappenpfähle. Daneben aber hängen Reportagefotos und bedruckte T-Shirts. Sie bezeugen Proteste Indigener gegen die Abholzung der Regenwälder durch euro-kanadische Firmen.

  • Humboldt Forum Schlossplatz 1, Mitte, Mi–Mo 10.30–18.30, Eintritt frei, bis 12.1.2025

Mehr Kunst und Ausstellungen in Berlin

Blick nach vorn: Die wichtigsten Ausstellungen im Kunstjahr 2024. Überblick verloren? Sobald die Infos da sind, steht hier das Wichtigste zur Berlin Art Week. Geht immer: Wir zeigen euch wichtige Ausstellungshäuser, Galerien und Museen für Kunst in Berlin. Abschied: Der beliebte Museumssonntag wird eingespart. Eintauchen in andere Welten: Tipps für immersive Ausstellungen in Berlin.

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