Parfümdesigner David Roelen über Luxus und den Berliner Duft

Roelen Perfume gehört zu den ambitionierten Nischenparfüm-Brands, die sich in den vergangenen Jahren in Berlin gegründet haben. Wir sprachen mit David Roelen darüber, wie man sich als Quereinsteiger in einer exklusiven Branche etabliert, wie Parfüm hilft, die Persönlichkeit zu entfalten, und wonach Berliner:innen riechen.

Der Parfüm Designer David Roelen hält nichts von Geschlechtertrennung bei Düften. Foto: Julian Melzer

David Roelen: „Generell riechen die Menschen in Berlin nach kalkhaltigem Wasser“

tipBerlin Herr Roelen, welchen Duft tragen Sie heute?

David Roelen Ich trage Flower Boy. Damit fühle ich mich mir selbst am nächsten. Damit fühle ich mich balanciert, so sicher, dass ich für alles offen bin.

tipBerlin Und wie riechen Berliner:innen?

David Roelen Das unterscheidet sich tatsächlich in den Stadtteilen. Generell riechen die Menschen in Berlin nach kalkhaltigem Wasser. Es gibt immer wieder Wellen von Düften, die beispielsweise in der kreativen Szene angesagt sind. Molecule One war so ein prägender Duft und man riecht es immer noch, dann Santal 33 von Le Labo. Als nächstes wird The Door von Roelen groß (lacht).

tipBerlin Sie haben zuvor in der Werbung gearbeitet. Was hat Sie in die Parfümbranche geführt?

David Roelen Vor ungefähr acht Jahren hatte ich eine Lebenskrise, hinzu kam ein Haarausfall. Der hat mich neben der Zukunftsfrage mit meiner Persönlichkeit und den normativen, ausschließenden Schönheitsidealen der Beauty-Industrie konfrontiert. Nicht dazuzugehören, erleben so viele Menschen täglich, in welcher Form auch immer. Für mich war die Radikal-Rasur der Switch vom Hinnehmen zur Ownership, also aktive Identitätsentwicklung. Das wurde dann zu meinem Thema, mit dem Ziel, Menschen bei der Entwicklung von Persönlichkeit und Selbstbewusstsein zu unterstützen. Parfüm kam da irgendwie ganz von selbst auf.

tipBerlin Was reizt Sie am Duftwasser?

David Roelen Das Besondere, das Unsichtbare. Ich finde, dass Parfüm Identität im sozialen Kontext vermittelt. Es ist auch ein Ausdruck der Selbstliebe, sich etwas zu gönnen. All das macht es als Medium für mich spannend.

tipBerlin Wie kann ein Parfüm zur Persönlichkeitsentwicklung beitragen?

David Roelen In der Sprache und in den Düften geht es darum, Menschen in ihrem Entwicklungsprozess zu unterstützen. So steht beispielsweise hinter Broken Bouquet die Idee, aus einer harten Zeit mit einem neuen Selbstbewusstsein herauszukommen. Dieses „New You“ ist für die Menschen um mich herum in einem Duft manifestiert.

tipBerlin Und was steckt hinter Namen wie „Flower Boy“ und „Daddy“?

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David Roelen In den Konzepten zu allen Düften habe ich mich von Geschlecht gelöst. So wie Flower Boy die Sensibilität und Sinnlichkeit eines Mannes anspricht, ist Daddy eine Hommage an alle Frauen, die Herrendüfte tragen, und das sind laut Studien immerhin 30 Prozent. Beide Geschlechter können die ihnen zugesprochen typischen Eigenschaften verkörpern.

David Roelen setzte alles auf eine Karte

tipBerlin Sie nennen ihre Düfte auch nicht unisex, sondern multisex.

David Roelen Mit Calvin Klein CK One kam erstmals ein Duft, der ein ganz anderes olfaktorisches Profil hatte und die Message: Wir können alle dasselbe tragen. Und jetzt komme ich und sage: Können wir das nochmal anders denken und Düfte nicht neutralisieren? Es gibt starke Duftprofile, aber die richten sich nicht an Geschlechter, sondern an Persönlichkeiten.

tipBerlin Wie konnten Sie als Quereinsteiger in der Branche Fuß fassen?

David Roelen Ich habe 2017 in einer Bar jemanden kennengelernt, der sich als Leiter eines der größten Parfümwerke in Europa herausgestellt hat und von meinen Konzepten überzeugt war. Ich buchte noch in derselben Nacht den Flug. Die Branche ist extrem exklusiv, nicht nur zum Konsumenten hin, sondern auch intern. Dass ich da reindurfte, war überwältigend, und mir war klar: Diese Chance bekomme ich nur einmal im Leben. Also habe ich alles auf eine Karte gesetzt. Bisher war es die beste Entscheidung meines Lebens.

tipBerlin: Wie läuft Ihre Schaffensprozess ab?

David Roelen Name, Konzept und Message sind in der Regel gleichzeitig da. Ich weiß, worum es geht, und dann weiß ich, dass es zum Beispiel bittersüß und floral riechen muss. Dann geht die Zusammenarbeit mit der Parfümeurin im Labor los. Ab da kann es zwischen vier Wochen und neun Monaten dauern. Ich fühle, wenn es passt.

tipBerlin Was unterscheidet ein Parfüm, wie ich es im Kaufhaus finde, von teuren Düften?

David Roelen Der Preis wird bestimmt von der Qualität, der Quelle und Menge der Inhaltsstoffe, was wiederum Haltbarkeit und Performance beeinflusst. Kleine Produktionen wie bei Nischenparfüms sind auch teurer. Bei den „Sniff and Buy“-Düften im Kaufhaus ist man zuerst von dem leckeren Duft begeistert, greift zu und merkt dann nach einer gewissen Zeit, dass der neue Duft wie einer riecht, den man schon mal hatte. Viele Basisstoffe werden immer wieder in allen Parfüms genutzt. Das hat etwas mit den Kostenstrukturen zu tun. An der Kopfnote, die dir zuerst in die Nase schießt und dich begeistert, wird mehr herumgefeilt. Die trägt aber nicht. Bei hochwertigen Düften ist das eben anders.

tipBerlin Ist Parfüm ein essentieller Luxus?

David Roelen Ja. Man braucht kein Parfüm. Aber man sollte es sich gönnen. Es tut gut, macht Spaß und bereitet auch anderen Menschen Freude.

tipBerlin Warum steht auf den Flakons ihre Telefonnummer?

David Roelen Für mich ist es eine konsequente Weiterführung meiner Philosophie. Wenn ich will, dass sich Menschen selbstbewusst fühlen und sich besser mit der Umwelt verbinden können, dann können sie direkt mit mir anfangen.