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Menschliche Nähe vs. Künstliche Lust: Die Debatte um Sexpuppen und Masturbatoren

Sex in Berlin. Menschliche Nähe oder Künstliche Lust. Foto: Jon Tyson / unsplash

Wenn man über die sexuell liberalsten Städte der Welt berichtet, ist Berlin auf jeden Fall auch dabei. So ist es kein Wunder, dass es an fünfter Stelle im „Sexuality Liberal City Index 2023“ steht. Unsere Berliner LGBTQI-Szene ist riesig mit 15 international beliebten LGBTQI-Veranstaltungen im Jahr. Es gibt über 40 Sexshops, über 30 Schwulenbars und eine blühende BDSM- und Fetischszene. In Berlin müsst ihr euch nicht verstecken, wenn ihr offen mit deiner Sexualität umgehen wollt, was einen Teil des Reizes der Stadt ausmacht.

Deswegen ist es auch auch kein Stück verwunderlich, dass letztes Jahr das „Cybrothel“, Berlins erstes Puppenbordell, eröffnete. Das Thema erfährt immer mehr Aufmerksamkeit und löst auch umso mehr Kontroversen aus. Viele fragen sich, was dies für die Entwicklung unseres Verständnisses von sexueller Intimität bedeutet.

Was ist der Unterschied zwischen Masturbatoren und Sexpuppen?

Hier liegt der Unterschied klar bei der Art der Intimität, die sie bieten. Mit einer Sexpuppen soll eine intensivere emotionale und physische Bindung nachgeahmt werden, indem versucht wird so nah wie möglich an das echte Gefühl heran zu kommen. Masturbatoren hingegen sind auf die pure Bereitstellung von sexueller Befriedigung ausgerichtet, ohne die Tiefe. Hier geht es schlichtweg um Spaß.

Unheimliche Ähnlichkeit: Das Uncanny Valley und die Faszination von Sexpuppen

Masturbatoren werden mehr oder weniger akzeptiert, vor allem unter Männern, die nun einmal deren Zielgruppe sind. Lebensechte Sexpuppen hingegen sehen viele als etwas anrüchiges, seltsames an. Aber warum ist das so? Ist eine Sexpuppe nicht auch nur ein Sextoy? Ein Grund dafür könnte das sogenannte „Uncanny Valley“ sein.

Das „Uncanny Valley“ ist eine Idee, die besagt, dass je realistischer menschliche Kopien werden, sei es in Form von Robotern, Animationen oder eben Sexpuppen, wir sie umso positiver wahrnehmen – aber nur bis zu einem gewissen Punkt. Nach einem steilen Anstieg, folgt der rasante Abfall in das Valley (Tal). Wenn die Kopien zu realistisch werden, wird es kompliziert. Wir empfinden ein gewisses Unbehagen, da sie menschlich wirken, aber eben nicht ganz menschlich sind. Dieses Unbehagen kann durch verschiedene Aspekte ausgelöst werden, darunter das Aussehen, das Tastgefühl und die Bewegungen der Puppen.

Deshalb finden viele von uns Sexpuppen seltsam oder gar gruselig, weil sie sich in dieser unheimlichen Zone des Uncanny Valley befinden. Gemischt mit dem Kontext von Sexualität und Intimität, was für einige als Tabu oder gesellschaftlich unangemessen gilt, entsteht bei einigen das Gefühl von Anrüchigkeit.

Doch nicht jeder empfindet so. Für viele sind die Puppen faszinierend und ein Weg, Intimität und Lust zu erfahren. Menschen, insbesondere Männer, treffen die Entscheidung, eine Sexpuppe zu kaufen, aus einer Vielzahl von Gründen, die oft tiefgreifende psychologische Aspekte umfassen. Diese Entscheidung ist keineswegs eindeutig und variiert von Person zu Person. Für einige Männer bietet eine Sexpuppe die Möglichkeit, Intimität und körperliche Nähe zu erleben, ohne die Komplexität zwischenmenschlicher Beziehungen. In einer hektischen Welt kann dies als eine Form des emotionalen Ausgleichs dienen. Einige versuchen so ihr Selbstvertrauen zu stärken und das Selbstbild positiv zu beeinflussen. Andere wollen sich ausprobieren und an einer Puppe „üben“. Vielen fällt auch das knüpfen von sozialen Beziehungen schwer und sie suchen ein schnelles Mittel gegen ihre sexuelle Einsamkeit. Zum Schluss bleibt natürlich noch, der Wunsch der sexuellen Entfaltung. Fantasien auszuleben über die man sich nicht traut zu reden ohne Verurteilung.

Können Sexpuppen Intimität ersetzen?

Eine Ja-Nein-Antwort ist hier nicht möglich. Denn das Empfinden von Intimität mit einer Sexpuppe ist in gewisser Weise möglich, aber es unterscheidet sich grundlegend von der Intimität, die man mit einem echten Menschen erleben kann. Der entscheidende Unterschied liegt darin, dass eine Sexpuppe eben keine eigenständige Person ist und keine echte emotionale Verbindung aufbauen kann.

Eine Sexpuppe bietet zwar die Möglichkeit für körperliche Nähe und sexuelle Befriedigung, sie kann aber nicht auf emotionale Weise reagieren oder auf Bedürfnisse eingehen. Die Intimität, die mit einer Sexpuppe erlebt wird, ist in erster Linie physischer Natur und auf die Befriedigung bestimmter Bedürfnisse ausgerichtet.

Für Menschen, die Schwierigkeiten haben, einen Partner zu finden oder die eine bestimmte sexuelle Fantasie ausleben möchten, kann eine Sexpuppe möglicherweise hilfreich sein. Sie bietet eine Form der sexuellen Befriedigung und kann dazu beitragen, das Bedürfnis nach körperlicher Nähe zu erfüllen.

Sexpuppen sollten als das betrachtet werden, was sie sind: Hochwertige Sextoys und nicht als Ersatz für echte menschliche Beziehungen.

Tabubruch oder sexuelle Revolution: eine ethische Frage?

Die Verwendung von Sexpuppen und Masturbatoren wirft viele ethische Fragen auf. Manche Leute sorgen sich, dass solche Produkte die Art und Weise beeinflussen könnten, wie wir Menschen wahrnehmen. Sie befürchten, dass wir anfangen könnten, andere Menschen nur noch als Mittel zur sexuellen Befriedigung zu betrachten, anstatt als komplexe Individuen. Dies ist besonders unter feministischen Bewegungen ein Kritikpunkt.

Ein weiteres Dilemma ist der mögliche Einfluss auf echte zwischenmenschliche Beziehungen. Es gibt Bedenken, dass die regelmäßige Nutzung solcher Produkte die Qualität unserer Beziehungen zu realen Partnern beeinträchtigen könnte. Menschen könnten sich zurückziehen und es vermeiden, echte emotionale Bindungen einzugehen.

Am Ende des Tages hängt die Einschätzung dieser ethischen Fragen stark von persönlichen Überzeugungen und Werten ab. Einige sehen in Sexpuppen und Masturbatoren eine Möglichkeit zur sexuellen Selbstentfaltung, während andere sich über die möglichen negativen Auswirkungen auf unsere Beziehungen Sorgen machen. Wichtig ist immer, dass an sexueller Gesundheit und dem Wunsch nach Befriedigung nichts falsch oder verwerflich ist, solange niemand zu Schaden kommt. Sexpuppen als Ersatz für Prostitution einzusetzen ist auf jeden Fall eine Überlegung Wert.

In einer Welt, in der die Grenzen zwischen Realität und künstlicher Erfahrung zunehmend verschwimmen, bleibt die Diskussion über Sexpuppen und Masturbatoren ein wichtiger Bestandteil des Dialogs über Liebe, Beziehungen und Intimität.

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