Erstmals treffen sie in der 1. Bundesliga aufeinander: 1. FC Union Berlin vs. Hertha BSC. Unsere beiden Experten wissen genau, warum „ihre“ Mannschaft das Derby gewinnt
Die Eisernen können nur gewinnen
Union: In der Alten Försterei werden Siege nicht nur nach Toren ausgerechnet, meint Thomas Winkler
Wir sind da ganz entspannt. Wir haben doch schon gewonnen. Vor ein paar Wochen sogar gegen Borussia Dortmund. Die sind immerhin amtierender Vizemeister. Und ist man als Vizemeister-Bezwinger nicht eigentlich schon fast Deutscher Meister? Oder sogar noch was Besseres?
Und jetzt kommt also Hertha in die Alte Försterei. Das ist jetzt nicht so wahnsinnig aufregend. Schon schön. Aber doch eher ein Feiertag für die Freunde aus dem Westen, da müssen sie mal ausnahmsweise nicht in ihrer zugigen und halbleeren Schüssel kurz vor Spandau spielen und kriegen mal mit, wie die Stimmung beim richtigen Fußball so sein kann. Da freuen wir uns für die Herthaner.
Denn um ehrlich zu sein: So wahnsinnig wichtig ist diese Stadtmeisterschaft gar nicht. Also jedenfalls nicht für Unioner. Denn Union hat ja schon gewonnen. Union gewinnt jedes Wochenende, auch wenn die Mannschaft nicht gewinnt. Hertha? Die müssen Bundesliga spielen, alles andere wäre eine Katastrophe. Die können gar nicht anders. Union dagegen: darf Bundesliga. Kann Bundesliga. Ja, wundert sich immer noch ein wenig über: Bundesliga.
Und schreibt dann auch die besten rührseligen Geschichten. Geschichten wie die vom Fußballer Michael Parensen, der nach anderthalb Jahrzehnten als Profi, nach Engagements bei den Establishment-Klubs Dortmund und Köln, nach nun schon zehn Jahren in Köpenick, wo er von der dritten Liga bis zur ersten die ganzen Aufstiege und den damit einhergehenden Wandel mitgemacht hat, nun gegen Freiburg zum allerersten Mal in einem Bundesligaspiel echt zum Einsatz kam. 5.151 Tage, da wurde genau nachgezählt, hatte Parsensen warten müssen seit jenem Tag, als er zum ersten Mal als hoffnungsvolles Talent für Dortmund auf der Ersatzbank saß, bis er dann tatsächlich mal auf die ganz große Bühne durfte. Nach dem 2:0-Sieg saß der 33-Jährige auf dem Rasen und verdrückte eine Träne. Oder auch zwei. Ein paar im Köpenicker Publikum heulten mit, der Rest sang für Parensen.
Man merkt also: Es geht um Fußball. Aber nicht nur. Es geht ums Gewinnen. Aber Gewinnen wird in Köpenick auch in der Bundesliga nicht allein nach Toren ausgerechnet. Deshalb kann Hertha am 2.November vielleicht ein Fußballspiel gewinnen, aber eben auch eins verlieren. Union aber kann nur gewinnen
Es passiert in der 60. Minute
Hertha schlägt Union aus einem naheliegenden Grund. Man muss nur drauf kommen, meint Bert Rebhandl
Ich sag es einmal so: Geld schießt gegen Union keine Tore. Hertha gewinnt das Derby also nicht, weil ein windiger Handlanger des Kapitals so eben mal hundert Millionen über Charlottenburg abgeworfen hat, und deswegen ein pfeilschneller Dodi nach Berlin gelockt werden konnte. Hertha gewinnt das Derby auch nicht, weil die viel längere Bundesligaerfahrung nun einmal durch nichts ersetzt werden kann – das hohe Spiel am hohen Feiertag in Liga eins ist für beide Seiten ohne Beispiel.
Hertha gewinnt das Derby nicht einmal wegen Vedad Ibisevic, dem Vedator aus Bosnien, dem Mann mit dem Torriecher, bei dem ich jetzt eigentlich darauf warte, was er zu Peter Handke zu sagen hat, aber vermutlich wird er dazu nichts sagen, weil er sich jeden Tag neu darauf konzentriert, gegen Davie Selke zu bestehen, den jungen Mittelstürmer, der sich jeden Tag darauf konzentriert, gegen den erfahrenen Ibisevic nicht den ganz Kürzeren zu ziehen. Hertha gewinnt das Derby auch nicht wegen Ante Covic, dem Weltbürger vom Schenckendorffplatz, der sich seit diesem Sommer darum bemüht, nicht mehr schlafen zu können, weil sich an jedem Spieltag so viele tolle Talente für die Startelf aufdrängen, dass er keine ruhige Minute mehr findet. Hertha gewinnt das Spiel gegen Union nicht einmal wegen Vladimir Darida, der mehr läuft als jeder andere Fußballer in der ersten Bundesliga, und der schon allein die Räume der Eisernen so eng machen wird, dass daraus kein Sonntagsschuss von Bülter mehr hervorgehen kann.
Hertha gewinnt gegen Union aus einem naheliegenden Grund: Sie wird unterschätzt. Union hat heuer in der Alten Försterei schon den BVB geschlagen, und nun meinen die Eisernen, mit dem Rivalen von drüben vergleichsweise leichtes oder wenigstens ausgeglichenes Spiel zu haben.
So ist es dann auch bis zur 60. Minute, dann aber steigt Boyata nach einem Eckball majestätisch in die Höhe, und entscheidet das Spiel. Er kam auch diesen Sommer neu nach Berlin. Gratis. Na ja, ablösefrei halt. Auf den haben sie bei Union zu wenig aufgepasst, weil sie meinten, bei Hertha schießt nur das Geld die Tore.
1. FC Union Berlin – Hertha BSC, Stadion An der Alten Försterei, An der Wuhlheide 263, Köpenick, Sa 2.11., 18.30 Uhr (ausverkauft)