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Nachruf

Zum Tod von Kay Bernstein: Abschied von einer blauweißen Seele

Der Hertha-Präsident Kay Bernstein ist tot. Ein Schock für die „Alte Dame“ – und ein großer Verlust für den deutschen Fußball. Denn der Unternehmer und ehemalige Ultra war Hoffnungsträger, Identifikationsfigur und ein Teil der blauweißen Seele. Ein schwerer Abschied von einem Erneuerer, der die Liebe zum Fußball nie verlor.

Kay Bernstein starb im Januar 2024. Die Hertha trauert um ihren Präsidenten. Foto: Imago/Jan Huebner

Hertha-Präsident Kay Bernstein ist tot: Aus der Kurve für die Kurve

Es ist ein schwerer Verlust für die Hertha und den deutschen Fußball: Am Dienstag, den 16. Januar verkündete der Berliner Sport-Club den völlig überraschenden Tod von Kay Bernstein. „Der gesamte Verein, seine Gremien und Mitarbeitenden sind fassungslos und zutiefst bestürzt“, hieß es in der Mitteilung. Der Abschied vom Hertha-Präsidenten ist auch ein Abschied von einer Identifikationsfigur, von einem unangepassten Hoffnungsträger im harten Fußballgeschäft.

Kay Bernstein war anders als die üblichen Funktionäre, zwielichtigen Ex-Fußballer und skrupellosen Geschäftsmänner, die den Sport vor allem als Gewinnmaximierungsmaschine verstehen. Und das ausgerechnet bei der Hertha, dem Berliner Traditionsclub, der sich in den letzten Jahren mit ebendiesen Figuren eingelassen, hunderte Millionen verbrannt und einen Keil zwischen Fans und Verein getrieben hatte. Nach dem Rücktritt des langjährigen Präsidenten Werner Gegenbauer blieb ein blauweißer Trümmerhaufen – und Kay Bernstein traute sich.

Kay Bernstein träumte von einer Hertha für alle. Foto: Imago/Daniel Lakomski

Am 26. Juni 2022 setzte sich der Unternehmer und Gründer der Fan-Gruppierung „Harlekins ’98“ bei der Präsidentschaftswahl mit einer absoluten Mehrheit von 54 Prozent gegen den früheren CDU-Bundestagsabgeordneten Frank Steffel durch. Eine Sensation, denn einen Ex-Ultra als Präsident eines – wenn auch zu der Zeit gerade noch so – erstklassigen Fußballvereins gab es in der Geschichte der Bundesliga noch nie. Ein Skandal, besonders für die Boulevardpresse: Die „Sport Bild“ beschwor eine Ultra-Dystopie aus Pyro-Eskalation und Dietmar-Hopp-und-Co.-Diffamierung. Das Bild von Kay Bernstein: radikal, bedrohlich, unvorstellbar.

Die Fans hingegen feierten ihn als Hoffnungsträger

Die Fans hingegen feierten ihn als Hoffnungsträger, Märtyrer und Liga-Retter. Als einen von ihnen. Denn die Ultra-Kultur steht seit jeher für den Protest gegen einen glatten, seelenlosen, geradezu sterilen Fußball – und Kay Bernstein stand von Anfang an für eine Hertha für alle, für einen Club für Berlin. Plötzlich fürchteten sich die Big Player vor einem Familienvater mit Bürojob, der vor mehr als zehn Jahren Fangesänge angestimmt hatte. Woran das lag? Ein Blick auf die Tabelle reichte: Zusammengekaufte Retortenklubs wie RB Leipzig oder TSG Hoffenheim standen an der Spitze der Liga, die Hertha war immer noch ein Möchtegern-„Big City Club“ mit großen Träumen und Katar diente als Austragungsort der Fußball-WM. Zumindest im Olympiastadion stand nun ein Geschäftsmann mit Verständnis für Fan- und Vereinskultur – und ein waschechter Herthaner! Nicht im teuren Anzug, sondern in seiner blauweißen „Präsidentenjacke“. Nicht in der V.I.P.-Loge, sondern zwischen den Fans auf der Haupttribüne. Die „Alte Dame“ hatte einen würdigen Präsidenten gewonnen, einen treuen Fan und endlich wieder neuen Schwung.

Dennoch blieb der Erfolg aus. So schnell lässt sich ein zerstörter Verein nicht wieder aufbauen. Der windige Investor Lars Windhorst verabschiedete sich, Hertha-Geschäftsführer Fredi Bobic, auf den viele sehr viel gesetzt hatten, flog raus und das Team in Blauweiß stieg im Mai 2023 nach Jahren des Größenwahns in die 2. Bundesliga ab. Das Fußballgeschäft ist ein Monster. Und die selbstgeschaffene Krise bedrohte einen der ältesten Vereine im deutschen Fußball in seiner Existenz. Doch Bernstein blieb und holte Hertha aus den finanziellen und personellen Turbulenzen heraus. Er sorgte für Ruhe. Ein Neuanfang ist auch eine Chance, das wusste Bernstein immer.

Nachruf auf Kay Bernstein: Einer von uns

Große Anteilnahme am Osttor des Olympiastadions: Blumen für Kay Bernstein. Foto: Imago/Nordphoto GmbH/Engler

Und wie sieht es jetzt aus? Nach den Krisen, Skandalen und Katastrophen? Hertha BSC steht im Viertelfinale des DFB-Pokals und ist seit neun Spielen ungeschlagen. Auf der Trainerbank sitzt wieder der ewige Lieblingsherthaner Pál Dárdai, von den millionenschweren Spielern ist keiner mehr übrig, stattdessen kickt nun ein junges Team, das sich mit Verein und Fans identifiziert. Selbst in der 2. Liga kommen oftmals mehr als 40.000 Zuschauer:innen ins Olympiastadion. Nach jedem Spiel feiern Spieler und Fans – und der Präsident war immer mit dabei. Natürlich in seiner blauweißen „Präsidentenjacke“. Die Hertha-Familie hat sich vertragen, gefangen und wieder lieben gelernt. Nicht zuletzt dank Kay Bernstein und seiner unendlichen Liebe zum Fußball.

Kay Bernstein nach dem Einzug ins Viertelfinale des DFB-Pokals am 6. Dezember 2023. Bis zuletzt feierte er mit Spielern und Fans. Foto: Imago/kolbert-press/Marc Niemeyer

Bis zu seinem überraschenden Tod im Januar 2024 im Alter von nur 43 Jahren feierte Bernstein mit Fans und Spielern. Er träumte vom Pokalfinale und von einem Fußball, in dem es um mehr geht als bloß ums große Geld. Der Präsident blieb vor allem Fan, wie er es versprochen hatte. Am Sonntag wird die Ostkurve, nein, das ganze Stadion singen. Die „Harlekins“, die alten und die neuen Fans, die ganze Hertha-Familie. Für die „Alte Dame“, für Kay. Und die blauweiße „Präsidentenjacke“ hängt vielleicht eines Tages im Museum. Als Symbol für all das, was Fußball sein kann. Danke, Kay, und HaHoHe.


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