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Satire

Todsichere Sabotage-Akte: So kann Berlin die Erweiterung der A 100 verhindern

Es handelt sich um ein Bauprojekt, so retro wie Falkplan, Opel Kapitän und Fernfahrerromantik: der 17. Bauabschnitt der A 100, dessen Verwirklichung zuletzt vom FPD-geführten Bundesverkehrsministerium zur obersten Priorität erklärt worden ist. Dabei soll der Streckenabschnitt der A 100 in Neukölln und Treptow um eine Asphaltpiste nach Ost-Berlin erweitert werden – mit Überführung über der Spree, einem Tunnel unterm Ostkreuz und einem Ende an der Storkower Straße.

Der Bund hat dabei die Entscheidungshoheit, doch das Land könnte den Bau des Betonmonsters für fossil betriebenen Individualverkehr verschleppen – indem etwa Ämter aus der Senatsverwaltung nötige Genehmigungen verweigern. Ebenso denkbar ist ziviler Ungehorsam und noch vieles mehr. In dieser Liste entwerfen wir ein paar – nicht immer ernst gemeinte – Szenarien, wie die A 100 sich noch sabotieren ließe.


„The Hoff“ einfliegen lassen: Er stoppt die A 100

David Hasselhoff hat schon seine Liebe zu Symbolen wie der Berliner Mauer bekundet. Auch an der Verhinderung eines stadtverändernden Verkehrsprojekts wie der A 100 dürfte ihm also gelegen sein. Foto: Imago/Vistapress/Wenzel
David Hasselhoff hat schon seine Liebe zu Symbolen wie der Berliner Mauer bekundet. Auch an der Verhinderung eines stadtverändernden Verkehrsprojekts wie der A 100 dürfte ihm also gelegen sein. Foto: Imago/Vistapress/Wenzel

David Hasselhoff ist populär genug, um breitenwirksam auf die zerstörerischen Effekte von invasiven Bauprojekten hinzuweisen. Schon an der East Side Gallery hat dieser Everybody’s Darling gegen den Abriss des Stadterbes angesungen. Geholfen hat’s nichts, aber ein moralischer Sieg war das Protestkonzert im Einheits-Sound von 1990 allemal. Auch jetzt gilt: Jede Stimme zählt!


BER-Firmen an die Bauherren vermitteln

Eine Lagebild aus dem Jahr 2019 von Arbeiten am Terminal des BER. Wer an dieser pannenreichen Großbaustelle mitgewirkt hat, ist auch prädestiniert für hemmungslosen Dilettantismus bei der Erweiterung A 100. Foto: Imago/IPON

Um die Baustelle ins Stocken zu bringen, bestellt man am besten Tölpel in die Planungsbüros. In Frage kämen Ingenieure von Firmen, die schon Schnarchtüten bei der Errichtung des BER-Flughafens waren, dem pannenreichsten Infrastrukturprojekt seit der Kultivierung des Bauhandwerks in Mesopotamien. Engelbert Lütke Daldrup, der ehemalige Geschäftsführer der BER-Betreibergesellschaft, könnte den verantwortlichen Beamten beim Bund ein paar Dilettanten aufschwatzen.


Sich zum indigenen Volk erklären

Die Erweiterung der A 100 würde den Stadtteil Friedrichshain durchpflügen – und wird das ursprüngliche Erscheinungsbild verändern. Dagegen könnten sich alteingesessene Stadtbewohner wehren. Foto: Imago/Sabine Gudath

So wie Ureinwohner in Brasilien ihre Selbstbestimmungsrechte angesichts zerstörerischer Staudammprojekte einfordern, müssen auch die autochthonen Stadtbewohner in Friedrichshain und drumherum auf ihre Interessen pochen. All die Molle-Trinkerinnen, alteingesessenen Späti-Besitzer und sonstigen Kiez-Originale sollten sich also zu bedrohten Vertreter:innen eines indigenen Volks erklären. Der Erhalt ihres Lebensumfelds wäre wesentlich für Traditionspflege und nationales Selbstverständnis – und damit sogar für den rechten CDU-Flügel unantastbar.


A 100 sabotieren: Die Ultras von der „Letzten Generation“ rufen

Klebstoff als Protestmittel: Die jungen Leute von der „Letzten Generation“ könnten sich auf diese Weise auch an der Baustelle des 17. Abschnitts der A 100 ins Zeug legen. Foto: Imago/Olaf Wagner
Klebstoff als Protestmittel: Die jungen Leute von der „Letzten Generation“ könnten sich auf diese Weise auch an der Baustelle des 17. Abschnitts der A 100 ins Zeug legen. Foto: Imago/Olaf Wagner

Sie sind die Ultras im Erlebnispark des Klimaprotests: die durchgeknallten Kids von der „Letzten Generation“. In der Blockade von Autobahnen haben die No-Future-Boys’n’Girls bekanntlich schon Erfahrung, die Okkupation einer Baustelle nach dem ersten Spatenstich dürfte den furchtlosen Aktivist:innen leicht fallen. Sie könnten sich wie gehabt an den Boden fixieren. Eine nützliche Sachspende: Sekundenkleber, der qualitativ hochwertig ist.


Kleine Hufeisennase ansiedeln

Ein possierliches Tierchen, das zum Ärgernis für Autobahnplaner werden könnte: die Kleine Hufeisennase. Foto: Imago/Dieter Mahlke

Hat schon immer funktioniert: verletzliches Getier in Stellung bringen, das unter Artenschutz steht. Die Kleine Hufeisennase etwa hat schon die Waldschlösschenbrücke in Dresden fast um ihre Vollendung gebracht – ein 192-Millionen-Bauwerk im Elbtal, das heute zwar fertig ist, aber wegen des Vorkommens dieser widerspenstigen Fledermaus-Art auf der Kippe stand. Die fast ausgestorbene Spezies könnten Zoologen aus Sachsen nach Berlin importieren. Mittels Massenbegattungen könnten sich die kleinen Säuger zu einer Population vermehren, deren Exemplare in den Brachen am Ostkreuz gruftige Unterschlüpfe finden. Schon haben die Betonmischer aus dem Bundesverkehrsministerium ein Problem mit der naturschutzrechtlichen Genehmigung ihres Wahnsinnsprojekts.


Shots an Bauarbeiter verteilen

Eine Runde Schnaps für alle – auf einmal sind Bagger und Presslufthammer nicht mehr so wichtig. Foto: Imago/Manfred Segener

Spirituosen, ob Obstler aus Brandenburg oder ein ehrlicher Korn, heben die Stimmung am Bau – und sorgen für kollektive Unterwanderung. Mit ein bisschen Promille im Blut verändern die Männer an der Baustelle schnell ihre Prioritäten. Hemmungsloser Spaß (Armdrücken, Flaschendrehen, Strip-Poker) erscheint interessanter als jeder noch so produktive Spatenstich.


Märkischen Sand in die Tanks von Baufahrzeugen schütten

Hat sich schon immer bewährt: Sand ins Getrieb schütten. Foto: Imago/Jürgen Hanel

In der Uckermark und anderswo bedeckt märkischer Sand schon seit Jahrtausenden die Sedimente. So ein widerstandsfähiger Urstoff ist wie gemacht, um die Tanks von Baufahrzeugen zu verstopfen, ob Bagger oder Planierraupe. Es wäre eine nervenzerfetzende Mühe, die Schliere wieder aus den Sprit-Behältnissen heraus zu pulen. Zudem gehen dabei Arbeitsschichten en masse drauf.


Das Ostkreuz und Umgebung zum Hambacher Forst machen

Der Hambacher Forst könnte zum Vorbild für die Gegend rund ums Ostkreuz werden. Foto: Imago/Snapshot/B. Niehaus

Samen von Birken, die schnell wachsen, könnten auf unversiegelten Flächen rund ums Ostkreuz ausgesät werden. Schon bald würden die Laubbäume eine städtische Ausgeburt des Hambacher Forsts sein, dem Woodstock der Klima-Bewegung in Deutschland. In den Baumkronen würden Hippies ihre Hängematten aufspannen; Aktivist:innen könnten sich an die Stämmen binden. Wenn irgendwann die Motorsägen der Räumungstrupps aufheulen, rütteln die Bilder in den Medien die Mehrheitsgesellschaft wach: Da sägen Babyboomer am Ast der Zukunft einer ganzen jungen Generation.


Raves auf der Baustelle veranstalten

Partys bilden das Grundelement dieser Stadt. Ein Spontan-Rave auf dem Baugrund des 17. Streckenabschnitts der A 100 könnte also den Blick auf die wahren Stärken dieser Stadt lenken. Foto: Imago/Bernd Friedel

In einer Stadt, wo immer und überall gefeiert wird, ist Party-Exzess zwischen Kran und Baucontainer ein Vergnügen im postindustriellen Chic. So ein Rave auf der Baustelle wäre aber auch ein Akt zivilen Ungehorsams: Je beharrlicher die Open-Air-Events, desto schwerer wäre für die die einzelnen Gewerke die Zufahrt auf die Baustelle. Ein Nonstop-Rave würde auch die Kakophonie der Großstadt um Lärmschmutz bereinigen. Izz-izz statt brumm-brumm und klopp-klopp.


Lokale Feinstaubwerte vor Baubeginn manipulieren

Abgase belasten die Luft in der Stadt. Wenn Grenzwerte krass überschritten werden, wäre eine Erweiterung der A 100 untragbar. Foto: Imago/Florian Gärtner

Ein Job für skrupellose Die-Hards aus der Öko-Bewegung. In einer Nacht- und Nebelaktion könnten linke Zecken an lokalen Messstationen an den Zahlen für die Feinstaubwerte drehen – und mit schwindelerregenden Werten die Autobahnplaner in genehmigungsrechtliche Nöte bringen.­ Den Präzedenzfall im verkehrspolitischen Info-Battle um opportune Daten gab es schon vor ein paar Jahre in der ölverarbeitenden Branche: die Manipulation der Diesel-Emissionswerte von Fahrzeugen aus dem Hause VW.


Fahrrinne des 16. Bauabschnitts zum Swimming Pool machen

Ein Infinity Pool in Singapur. Bald ein Szenario für die Nutzung von Stadtautobahnen? Foto: Imago/Agefotostock

Ein klarer Fall für ein Joint-Venture zwischen Bäderbetrieben und Wasserbetrieben: die Fahrrinne des 16. Bauabschnitts in Treptow und Neukölln, die schon gebaut ist, mit Chlorwasser fluten und damit ihrer eigentlichen Bestimmung zuführen – als größter Infinity-Pool der Welt. Diese neue „Schwimmautobahn“ ist so wohltuend für Körper und Geist, dass Pisten für Verbrennerfahrzeuge plötzlich absurd erscheinen. Der Weiterbau der A 100 ist für die Politik nun nicht mehr darstellbar.


„Access All Areas“ für Bundesverkehrsminister Volker Wissing

Der Eingang des Salons zur Wilden Renate: bald der neue Stammladen von FDP-Bundesverkehrsminister Volker Wissing? Foto: Imago/Emmanuele Contini

Er ist der Machthaber, der das Projekt wieder stoppen kann: Bundesverkehrsminister Volker Wissing, FDP. Zu einem Bewusstseinswandel könnte man den Mann mit VIP-Zugängen auf Lebenszeit für die Friedrichshainer Clubs Wilde Renate und About Blank bewegen. Auf den Dancefloors würde der Büromensch den Sinn des Lebens entdecken: Peace, Love & Understanding.


Mehr zu Autobahnen in Berlin

Wie finden die Menschen in Berlin den Ausbau? Wie der Ausbau der A 100 Berlin und die Menschen hier beeinflusst. Wir blicken zurück auf den urbanen Schnellverkehr: Wir zeigen euch historische Fotos von der Autobahn in Berlin. Ein Kuriosum der Verkehrsgeschichte: In der Nachkriegszeit existierten entlang der Stadtautobahn sogar Bushaltestellen. Was uns noch bewegt, erfahrt ihr in der Stadtleben-Rubrik.

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