Es handelt sich um ein Bauprojekt, so retro wie Falkplan, Opel Kapitän und Fernfahrerromantik: der 17. Bauabschnitt der A 100, dessen Verwirklichung zuletzt vom FPD-geführten Bundesverkehrsministerium zur obersten Priorität erklärt worden ist. Dabei soll der Streckenabschnitt der A 100 in Neukölln und Treptow um eine Asphaltpiste nach Ost-Berlin erweitert werden – mit Überführung über der Spree, einem Tunnel unterm Ostkreuz und einem Ende an der Storkower Straße.
Der Bund hat dabei die Entscheidungshoheit, doch das Land könnte den Bau des Betonmonsters für fossil betriebenen Individualverkehr verschleppen – indem etwa Ämter aus der Senatsverwaltung nötige Genehmigungen verweigern. Ebenso denkbar ist ziviler Ungehorsam und noch vieles mehr. In dieser Liste entwerfen wir ein paar – nicht immer ernst gemeinte – Szenarien, wie die A 100 sich noch sabotieren ließe.
„The Hoff“ einfliegen lassen: Er stoppt die A 100
David Hasselhoff ist populär genug, um breitenwirksam auf die zerstörerischen Effekte von invasiven Bauprojekten hinzuweisen. Schon an der East Side Gallery hat dieser Everybody’s Darling gegen den Abriss des Stadterbes angesungen. Geholfen hat’s nichts, aber ein moralischer Sieg war das Protestkonzert im Einheits-Sound von 1990 allemal. Auch jetzt gilt: Jede Stimme zählt!
BER-Firmen an die Bauherren vermitteln
Um die Baustelle ins Stocken zu bringen, bestellt man am besten Tölpel in die Planungsbüros. In Frage kämen Ingenieure von Firmen, die schon Schnarchtüten bei der Errichtung des BER-Flughafens waren, dem pannenreichsten Infrastrukturprojekt seit der Kultivierung des Bauhandwerks in Mesopotamien. Engelbert Lütke Daldrup, der ehemalige Geschäftsführer der BER-Betreibergesellschaft, könnte den verantwortlichen Beamten beim Bund ein paar Dilettanten aufschwatzen.
Sich zum indigenen Volk erklären
So wie Ureinwohner in Brasilien ihre Selbstbestimmungsrechte angesichts zerstörerischer Staudammprojekte einfordern, müssen auch die autochthonen Stadtbewohner in Friedrichshain und drumherum auf ihre Interessen pochen. All die Molle-Trinkerinnen, alteingesessenen Späti-Besitzer und sonstigen Kiez-Originale sollten sich also zu bedrohten Vertreter:innen eines indigenen Volks erklären. Der Erhalt ihres Lebensumfelds wäre wesentlich für Traditionspflege und nationales Selbstverständnis – und damit sogar für den rechten CDU-Flügel unantastbar.
A 100 sabotieren: Die Ultras von der „Letzten Generation“ rufen
Sie sind die Ultras im Erlebnispark des Klimaprotests: die durchgeknallten Kids von der „Letzten Generation“. In der Blockade von Autobahnen haben die No-Future-Boys’n’Girls bekanntlich schon Erfahrung, die Okkupation einer Baustelle nach dem ersten Spatenstich dürfte den furchtlosen Aktivist:innen leicht fallen. Sie könnten sich wie gehabt an den Boden fixieren. Eine nützliche Sachspende: Sekundenkleber, der qualitativ hochwertig ist.
Kleine Hufeisennase ansiedeln
Hat schon immer funktioniert: verletzliches Getier in Stellung bringen, das unter Artenschutz steht. Die Kleine Hufeisennase etwa hat schon die Waldschlösschenbrücke in Dresden fast um ihre Vollendung gebracht – ein 192-Millionen-Bauwerk im Elbtal, das heute zwar fertig ist, aber wegen des Vorkommens dieser widerspenstigen Fledermaus-Art auf der Kippe stand. Die fast ausgestorbene Spezies könnten Zoologen aus Sachsen nach Berlin importieren. Mittels Massenbegattungen könnten sich die kleinen Säuger zu einer Population vermehren, deren Exemplare in den Brachen am Ostkreuz gruftige Unterschlüpfe finden. Schon haben die Betonmischer aus dem Bundesverkehrsministerium ein Problem mit der naturschutzrechtlichen Genehmigung ihres Wahnsinnsprojekts.
Shots an Bauarbeiter verteilen
Spirituosen, ob Obstler aus Brandenburg oder ein ehrlicher Korn, heben die Stimmung am Bau – und sorgen für kollektive Unterwanderung. Mit ein bisschen Promille im Blut verändern die Männer an der Baustelle schnell ihre Prioritäten. Hemmungsloser Spaß (Armdrücken, Flaschendrehen, Strip-Poker) erscheint interessanter als jeder noch so produktive Spatenstich.
Märkischen Sand in die Tanks von Baufahrzeugen schütten
In der Uckermark und anderswo bedeckt märkischer Sand schon seit Jahrtausenden die Sedimente. So ein widerstandsfähiger Urstoff ist wie gemacht, um die Tanks von Baufahrzeugen zu verstopfen, ob Bagger oder Planierraupe. Es wäre eine nervenzerfetzende Mühe, die Schliere wieder aus den Sprit-Behältnissen heraus zu pulen. Zudem gehen dabei Arbeitsschichten en masse drauf.
Das Ostkreuz und Umgebung zum Hambacher Forst machen
Samen von Birken, die schnell wachsen, könnten auf unversiegelten Flächen rund ums Ostkreuz ausgesät werden. Schon bald würden die Laubbäume eine städtische Ausgeburt des Hambacher Forsts sein, dem Woodstock der Klima-Bewegung in Deutschland. In den Baumkronen würden Hippies ihre Hängematten aufspannen; Aktivist:innen könnten sich an die Stämmen binden. Wenn irgendwann die Motorsägen der Räumungstrupps aufheulen, rütteln die Bilder in den Medien die Mehrheitsgesellschaft wach: Da sägen Babyboomer am Ast der Zukunft einer ganzen jungen Generation.
Raves auf der Baustelle veranstalten
In einer Stadt, wo immer und überall gefeiert wird, ist Party-Exzess zwischen Kran und Baucontainer ein Vergnügen im postindustriellen Chic. So ein Rave auf der Baustelle wäre aber auch ein Akt zivilen Ungehorsams: Je beharrlicher die Open-Air-Events, desto schwerer wäre für die die einzelnen Gewerke die Zufahrt auf die Baustelle. Ein Nonstop-Rave würde auch die Kakophonie der Großstadt um Lärmschmutz bereinigen. Izz-izz statt brumm-brumm und klopp-klopp.
Lokale Feinstaubwerte vor Baubeginn manipulieren
Ein Job für skrupellose Die-Hards aus der Öko-Bewegung. In einer Nacht- und Nebelaktion könnten linke Zecken an lokalen Messstationen an den Zahlen für die Feinstaubwerte drehen – und mit schwindelerregenden Werten die Autobahnplaner in genehmigungsrechtliche Nöte bringen. Den Präzedenzfall im verkehrspolitischen Info-Battle um opportune Daten gab es schon vor ein paar Jahre in der ölverarbeitenden Branche: die Manipulation der Diesel-Emissionswerte von Fahrzeugen aus dem Hause VW.
Fahrrinne des 16. Bauabschnitts zum Swimming Pool machen
Ein klarer Fall für ein Joint-Venture zwischen Bäderbetrieben und Wasserbetrieben: die Fahrrinne des 16. Bauabschnitts in Treptow und Neukölln, die schon gebaut ist, mit Chlorwasser fluten und damit ihrer eigentlichen Bestimmung zuführen – als größter Infinity-Pool der Welt. Diese neue „Schwimmautobahn“ ist so wohltuend für Körper und Geist, dass Pisten für Verbrennerfahrzeuge plötzlich absurd erscheinen. Der Weiterbau der A 100 ist für die Politik nun nicht mehr darstellbar.
„Access All Areas“ für Bundesverkehrsminister Volker Wissing
Er ist der Machthaber, der das Projekt wieder stoppen kann: Bundesverkehrsminister Volker Wissing, FDP. Zu einem Bewusstseinswandel könnte man den Mann mit VIP-Zugängen auf Lebenszeit für die Friedrichshainer Clubs Wilde Renate und About Blank bewegen. Auf den Dancefloors würde der Büromensch den Sinn des Lebens entdecken: Peace, Love & Understanding.
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