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Der tip-Versuch

Gastro, Geschäfte und die Testpflicht: Alles kann, nichts muss

Endlich wieder Leben in Berlin. Mit negativem Testergebnis kann man in der Stadt inzwischen wieder einiges erleben. Wie genau nehmen es die Betriebe in der Stadt eigentlich mit der Kontrolle? Am Wochenende zeigte sich, dass viele doch recht flexibel mit der Testpflicht umgehen. tipBerlin-Redakteur Sebastian Scherer hat erst sich, dann einige Betriebe getestet. Das Ergebnis.

Außengastronomie am Hackeschen Markt: bitte mit Test. Foto: Imago/Stefan Zeitz

Schnelltests: Nicht sicher, aber ein bisschen schon irgendwie

Der Schnelltest in Berlin ist ja derzeit etwas in Verruf geraten. An jeder Ecke eröffnen Teststationen, manche wenig vertrauenserweckend. Auch wir hatten an diesem Wochenende zwischen Freitag und Sonntag drei Tests – von unterschiedlicher Qualität, möchte man als Laie annehmen. Wurde uns bei einer nahegelegenen Apotheke Freitag der Teststab noch in tiefste Tiefen des Hirns gerammt, lief es Samstag schon entspannt. Bei einer hochfrequentierten Anlaufstelle in Mitte, die in ihrer Anmutung nun doch eher professionell wirkt, verblieb das Stäbchen bei meinem Freund einen Moment, bei mir eher einen Augenblick in der Nase – immerhin wurden beide Löcher beackert.

Sonntag dann der Test in einem vorübergehend umfunktionierten Restaurant in Kreuzberg. Die Testerin schaute mich ähnlich irritiert an wie ich sie, als ich nach dem „Test“ fragte, ob das alles sei. Kaum war das Stäbchen an der Nasenöffnung angelangt, hatte sie einmal sanft um den Eingang gestrichen und sogleich verkündet, das sei es gewesen. Dauer? Eine Sekunde. At best.

Negative Ergebnisse gab es bei allen drei Stationen. Nicht schlecht, hatten wir doch eine Liste an Aktivitäten. Fangen wir mit den guten Erfahrungen an.

Musterbeispiele: Mancherorts werden die Testergebnisse sorgfältig gecheckt

Die Kusama-Retrospektive im Gropius Bau gibt es nur mit Test – der hier auch wirklich sorgfältig gecheckt wird. Foto: tipBerlin

In Clärchens Ballhaus nahm man es sehr genau, glich den Test auch mit dem Ausweis ab. Erlebten wir nicht anders am Gropius-Bau: Der Kontrolleur wies darauf hin, dass er bei der Ansicht des Testergebnis auf dem Handydisplay nicht den Namen sehen könne – aufmerksam und sorgfältig. Gut! Auch bei der Back-Factory am Rosenthaler Platz, wo wir kurz auf einen Bekannten warteten, nahm es der Mitarbeiter genau: „Der Test ist von gestern“, zählte er uns an, hatte in dem Moment aber vergessen, dass das Ergebnis ja nun 24 Stunden gut ist – und es noch zwei Stunden vor Ablauf war. Auch bei Yumcha Heroes wurden wir sehr genau gecheckt – digitales Login mit Kontaktdaten inklusive.

Dann hatten wir die eher mittelüberzeugenden Erlebnisse. In einer Pizzera in Kreuzberg warf die Mitarbeiterin einen kurzen Blick auf das Display. Hätten ihr auch alle die gleiche Mail zeigen können, nehmen wir an. Unweit an einer Eisdiele achtete niemand darauf, ob wir uns zum Verzehr auf die Stühle vor der Tür setzten. Beim Cocktail vor einer Bar an der Kastanienallee setzten wir uns nach einem Handzeichen der Bedienung. Die dann mit den Karten kam und unsere bereitgehaltenen Tests gar nicht mehr sehen wollte. Auf die Frage, ob sich unserem Quartett gleich noch zwei anschließen dürften, sagte sie nur „Klar“ und begann, einen Tisch heranzurücken. Ein Kollege sprang dazwischen und wies auf das Fünferlimit hin. Die beiden einigten sich darauf, dass der Tisch dann eben nur nah an unseren gestellt wird. Die Lücke betrug 15 Zentimeter. Großzügig gemessen.

Erlebnisse die verwundern: Von Gastro bis Friseur – einfach rein und gut

Und dann gab es da noch die Erlebnisse, bei denen wir uns dann doch wunderten. Ein Frühstücksladen an der Kastanienallee wollte weder Tests noch irgendwas von uns haben. Ein ungetesteter Bekannter kam zufällig vorbei, setzte sich dazu – auch das störte keinen. Ein weiteres Paar hielt kurz an – immerhin negativ. Sieben Leute, sechs Tests, keinerlei Check. Später wurden wir dann doch gebeten, uns in eine Liste einzutragen. „Gern alle, damit da am Ende genug drinstehe, falls jemand kontrolliert.“ Sonst wäre wohl egal gewesen. Aha.

An jeder Ecke Teststationen, jetzt auch mobil: Das Lastenfahrrad wird zum Testzentrum. Foto: Imago/Stefan Zeitz

Auch der Besuch in einem sehr kleinen, sehr vollen Friseurladen in Neukölln verlief testkontrollfrei. Ich wartete lieber gleich vor der Tür. Ebenso der Besuch bei einem Café in Kreuzberg und am anderen Tag ein Lunch bei einem Charlottenburger Imbiss. Auch in zwei von vier Geschäften, die wir testweise ansteuern, alle in Mitte, fand man eine Kontrolle wohl zu anstrengend. Wir blieben unbehelligt, trotz Augenkontakt und fragendem Blick.

Testpflicht in Berlin? Alles kann, nichts muss

Testpflicht in Berlin? Das inoffizielle Motto ist dann wohl doch: alles kann, nichts muss. Die Inzidenz sinkt, der Senat diskutiert bereits, weitere Lockerungen für die Gastro sehr zeitnah durchzuführen. Ob das nun alles Wille ist oder einfach nur die Akzeptanz der Umstände, dass Negativtests gar nicht mal so viel wert sind bei all dem Testschwindel, und der Tatsache, dass eh bei weitem nicht alle das mit der Kontrollpflicht so ganz ernst nehmen – wer weiß das schon so genau. Die Stimmung ist gut, die Sonne scheint, Corona ist mal wieder gefühlt vorbei, zumindest in einigen Teilen der Stadt. Wir werden sehen, wie sich das auswirkt. Bis dahin: am besten ehrlich bleiben, testen lassen, gern in den Testcentern, die der Senat unterstützt. Auch keine Garantie – aber immerhin der Versuch, es richtig zu machen.


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Mittlerweile kann man sich an fast jeder Ecke in Berlin auf das Corona-Virus testen lassen. Wir haben alle wichtigen Infos zum Schnelltest. Das Ende der Impf-Priorisierung steht bevor: Ab wann sich alle impfen lassen können. Wir freuen uns, dass Berlin zumindest die Außengastronomie geöffnet hat. Wir kennen schöne Biergärten in Berlin. Auch die Clubs öffnen ihre Gärten.

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