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Gefürchtete Wahl

tip wählt wieder peinlichste Berliner: Die „Sieger“ der letzten fünf Jahre

Ihr wisst es ja: Wir aus der tipBerlin-Redaktion sind eigentlich viel lieber so die knuffigen Gute-Laune-Sonnenscheine. Aber zum Ende des Jahres werden wir traditionell dann doch ein bisschen grantig. Dann nämlich, wenn wir unsere berühmte, gefürchtete und beliebte Liste der 100 peinlichsten Berliner*innen des vergangenen Jahres zusammentragen: unseren satirischen Rundumschlag zu den irrsten, beklopptesten, unfassbarsten Fehlleistungen des Jahres.

In dieser Woche ist wieder Bescherung für die größten Nervensägen, Dummschwätzer und Tunichtgute des Jahres. Am Mittwoch, 23. Dezember erscheint der neue tipBerlin. Erstmals mit den 50 peinlichsten UND den 50 besten Berliner*innen.

Bevor es aber soweit ist, nehmen wir euch zur Vorfreude mit auf einen kleinen Rückblick der letzten fünf Jahre. Hier sind unsere Spitzenreiter des Grauens von 2015 bis 2019 mit ihren damaligen Würdigungen. Sie erzählen auch einiges über das Jahr selbst. Mit Mario Barth, Sandra Scheeres und (schon 2017!) einem gewissen Attila Hildmann.

Gern geschehen.


Peinlichster Berliner 2015: Sozialsenator Mario Czaja, „Käpt’n Kollaps

Der damalige Sozialsenator Czaja. Foto: imago images/Christian Ditsch

Berlins Ruf ist richtig im Arsch, wenn es für die Krise ein Kürzel gibt. „Lageso“ hat „BER“ als bestes Berlin-Bashing-Akronym abgelöst. Selbst in der „New York Times“. Das Lageso ist Czajas Baustelle. Denn für die Missstände in Moabit gibt es viele Gründe. Aber nur einen zuständigen Sozialsenator.

Czaja hat den beschissensten Job Berlins, klar. Aber er ist das Gesicht des Behördenversagens. Um ihn herum wird es einsam. Und immer hässlicher. Michael Müller hat ihn öffentlich abgewatscht. Jetzt wird ihm vorgeworfen, CDU-Parteifreunde vor Flüchtlingsheimen in ihrer Nachbarschaft bewahrt zu haben (er sagt, es sei ihm um eine sozial gerechtere Verteilung in den Bezirken gegangen). Und 40 Anwälte haben ihn wegen Körperverletzung und Nötigung im Amt angezeigt.

Wie sagte einst der Fußballphilosoph Andy Brehme: „Haste Scheiße am Fuß, haste Scheiße am Fuß!“

Als Czaja bei einem Weihnachtsmarktbesuch in eine Kamera lächelte, posierte auf dem Foto eine (ihm vom Angesicht nicht bekannte) Neonazi-Frau neben ihm. Bei Redaktionsschluss war er noch im Amt. Wir wagen aber keine Prognose, ob das bei Erscheinen des tip auch der Fall ist.

In diesem Jahr auch auf der Peinlichen-Liste:

Der damalige Innensenator Frank Henkel („Baby Schimmerlos“), der Rapper Fler („Dissnelke“) und als spezielles Listen-in-der-Liste-Element zum Bespiel „Grubenunglücke: Die peinlichsten Berliner Baustellen“: unter anderem mit der Staatsoper („Melodien für Millionen“) und der „Kanzlerbahn“ U5 („Sandkastenspiele“).


Peinlichster Berliner 2016: Komiker Mario Barth, „Volkspfosten“

Mario Barth am 19.11.2016 in Erfurt mit seinem Programm „Männer sind bekloppt, aber sexy“. Foto: imago images/VIADATA

Im Jahr der präpotenten Populisten fühlte sich der Zotenreißer zum Welterklärer berufen. In New York, am Trump Tower, schien er die große Verschwörung enthüllen zu wollen, ein Media-Markt-Model als Maximo Lider der Politikverdrossenen, in einem Facebook-Live- Stream, der über 1,5 Millionen Mal aufgerufen wurde. „Überall Geheimagenten“ witterte er im Gebäude, aufgekratzt wie Rumpelstilzchen. Und, auf dem Bürgersteig stehend, einen Komplott der Systemmedien.

Die hatten schließlich frenetische Anti-Trump-Demos vor dem Präsidentenpalast versprochen, wo der Machthaber zur Stunde sein Kabinett bildete. Zu sehen war aber bloß die leere 5th Avenue. Die dabei transportierte Assoziationskette: Die da oben verarschen uns! Lückenpresse, Volksverräter, BRD GmbH! Dass die Kundgebungen abends stiegen: unerheblicher Content-Müll im postaktischen Gebrüll.

Schon einige Monate zuvor hatte Supermario auf Facebook den Wutbürger gegeben, indem er politisch korrekte Sprechverbote entdeckt haben wollte: „Es wird immer schwieriger zu schreiben, wie man etwas empfindet.“ Er bezog sich unter anderem auf den Amoklauf in München, der allerdings nicht, wie andere bereits spekulierten, von einem Muslim begangen wurde, sondern einem Rechtsextremen. „Seit 15 Jahren kriege ich auf die Fresse von der Presse“, klagte der Mann fürs humoristisch Grobe neulich. Aber Mario Barth hat sich 2016 eben neu erfunden: als freischaffende Ein-Mann-„Bild“ fürs autoritäre Zeitalter.

In diesem Jahr auch auf der Peinlichen-Liste:

Die einstige DDR-Bürgerrechtlerin Vera Lengsfeld („Fake-Furie“), der krawallfreudige Moderator Niels Ruf („Abrissbirne“) und der Regierende Bürgermeister Michael Müller, SPD („Ach und Krach“) auf dem extra für ihn eingeführten Platz 21,6: Mit diesem Stimmenanteil gewann seine SPD 2016 die Abgeordnetenhauswahl. Seinerzeit ein historischer Tiefststand für die Berliner Sozialdemokraten. Das waren noch Zeiten, liebe SPD.

Mehr zur Peinlichen-Liste des Jahres 2016 findet ihr hier.


Peinlichster Berliner 2017: Vegankochbuchautor Attila Hildmann, „Wirrganer“

Da war er noch ein gut rasierter Kochbuchautor: Attila Hildmann bei den Proben zur RTL-TV-Show „Let s Dance“ im Februar 2016. Foto: imago images/Raimund Müller

Attila Hildmann hat eine Mission. Reich will er bleiben, vor allem aber berühmt. Und das alles ohne Fleisch. Wobei für das System Atilla Hildmann natürlich nichts systemerhaltender ist als die Fleischeslust der anderen. Hildmann jedenfalls freut sich jedes Mal wie ein Schnitzel, wenn irgendwelche dahergelaufenen Carnivoren am Geschmack und sowieso der Weltverbesserlichkeit seiner Kichererbsen-Burger und Proteinshakes herumkritteln.

Wir glauben ja: Nur deshalb hat der Kochbuchmillionär („Vegan for Fit“) im Frühjahr sein Imbisslokal in Charlottenburg eröffnet – er hatte einfach Hunger auf Krawall. Eine Hauptstadtjournalistin tat ihm den Gefallen. Auf eine eher negative Rezension über den eher unterdurchschnittlichen Laden folgten vollmundige Beschimpfungen, diverse erteilte Hausverbote und dieses eine Foto mit der Pumpgun, dass bald schon als Paradebeispiel der gegenwärtig populären Kommunikationsstrategie „Wut-PR“ gehandelt wurde. Alles schon schlimm genug also.

Aber da hatten wir die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Und der lud nun zum großen Kritikerfressen in seine Charlottenburger Imbissbude und versprach vollmundig, bei Missfallen seiner Pflanzenküche höchstselbst ein rohes Steak zu verzehren. So sollte es kommen. Und auch wieder nicht. Weil Hildmann schlussendlich seine anwesenden Kritiker aufforderte, ein in einem theatralischen Akt der Tierquälerei herangekarrtes Kälbchen mit einem Küchenmesser zu schlachten. Da hatte sich einer dann endgültig bis auf die Knochen blamiert.

In diesem Jahr auch auf der Peinlichen-Liste:

Die Poetry-Slammerin Julia Engelmann („Kitschkanone“), die Pandabären Meng-Meng und Jiao Qing („Trottelteddys“), der Schauspieler Ben Becker („Rabatzmarke“) und der „Fikkefuchs“-Filmregisseur Jan-Hendrik Stahlberg („Gleitwolf“).

Ihr wollt mehr über die Liste des Jahres 2017 wissen? Hier findet ihr die gesamte Top-100.


Peinlichste Berlinerin 2018: AfD-Politikerin Beatrix von Storch, „Klimakatastrophe

Beatrix von Storch beim AfD-Bundesparteitag am 1.7. 2018 in Augsburg. Foto: imago images/Sven Simon

Die Sonne, sie versengte Felder, Frisuren und Fummel im vergangenen Sommer. Eine Hitze, die selbst realitätsferne Träumer als Symptom des Klimawandels begriffen. Nicht so die Chef-Esoterikerin der AfD, die unbeirrbare Beatrix von Storch. Auf Twitter heulte sie sich über „dieses hysterische Klima-Gekreische“ aus. Menschengemachte Gründe dafür, dass sich Berlin auf einmal in der Sahara befand: offenbar nur Phantasmagorien von Nabu-Vorständen und Gemüsekisten-Abonnenten. Um vom eigenen Schatten abzulenken, eröffnete sie ein surreales juristisches Scharmützel: „Wir sollten die Sonne verklagen!“

Solche Epiphanien reihten sich ein in weitere Geistesblitze. Im April wollte sie eine Amokfahrt in Münster auf den Islam schieben – ohne die Umstände zu kennen. „Wir schaffen das!“, holte sie zum sarkastischen Seitenhieb gegen Angela Merkel aus, ebenfalls auf Twitter. Nachdem herauskam, dass der 48-Jährige Jens Alexander R. aus dem Sauerland der Täter war, musste sie sich entschuldigen. Sodann biederte sich die Hochwohlgeborene aus dem Haus Oldenburg den Stammtischen in Hoyerswerda, Wanne-Eickel und Marzahn an: „Wie Millionen andere Deutsche“ sei sie eben davon ausgegangen, „dass es sich um einen islamistischen Anschlag gehandelt habe“.

Wer meinte, dass damit das Maß voll war, hatte nicht den November abgewartet. Da berichtete der „Spiegel“, dass der mittlerweile aufgelöste „Bürgerkonvent“, dessen Vorstand sie war, mehrere Millionen Euro vom Schweizer Groß-Mäzen August von Finck erhalten habe, eine Eminenz, die später der AfD mutmaßlich illegale Spenden zugeführt haben soll. Das Ziel dieses Vereins: den Sozialstaat abzubauen, Steuern zu senken. Wenn es um eigene Pfründe geht, ist die stellvertretende Fraktionschefin der AfD eben eine ganz gewöhnliche Krämerseele.

In diesem Jahr auch auf der Peinlichen-Liste:

Der Deutsche-Wohnen-CEO Michael Zahn („Mieterschreck“), der kurzzeitige Volksbühnen-Chef Chris Dercon („Geisterfahrer“),  der Amerikanische Sumpfkrebs („Rote Flut“), das Nacktmodel Micaela Schäfer („Füllmengenlehre“) und der Ex-Bahn-  und Ex-BER-Chef Hartmut Mehdorn („Charme-Defensive“).

Wer 2018 noch so alles unangenehm aufgefallen ist: Hier haben wir euch ein paar besondere Lieblinge der Redaktion zusammengestellt.

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Peinlichste Berlinerin 2019: Bildungssenatorin Sandra Scheeres, „Mrs. Mangel“

Bildungssenatorin Scheeres im Ohktober 2019. Foto: imago images/Christian Ditsch

Vielleicht würden schon ein paar Viert­klässler*innen reichen. Die könnten dann Sachaufgaben in der Art von „Im Jahr 2013 wurden in Berlin 35.038 Kinder geboren. Wie viele Kinder benötigen im Jahr 2019 einen Grundschulplatz?“ lösen. Denn die mathe­matische Kompetenz, zu ermitteln, wie viele Kitaplätze, Erzieher oder Lehrer Berlin braucht, hat man in der Behörde von Sandra Scheeres leider nicht.

Deshalb herrscht ein einfaches Prinzip: Es gibt von allem zu we­nig. Für alle. In puncto Gleichbehandlung ist Sandra Scheeres Sozialdemokratin. Was gleichwohl Folge hat: A-Eltern (Ärzte, An­wälte, Adlige) bringen ihre Kinder auf Pri­vatschulen unter. Neunjährige bekommen Heulkrämpfe, wenn sie in der Klassenar­beit eine 2+ nach Hause bringen, weil der Numerus Clausus fürs Gymnasium schon mal bei einem Notendurchschnitt von 1,3 liegen kann. Brennpunktschulen müssen mit Quereinsteigern klarkommen, weil kein normal studierter Lehrer hinab in die Bildungsmisere will.

Wie schön könnte eine wirklich soziale Bildungspolitik sein, die nicht nur auf dem Papier eine ist. Aktuell klappt Schule nur, wenn die Eltern sich dahinterklemmen: Zähneputzen, pauken und ab ins Bett. Seit mehr als zwei Jahrzehnten ist die SPD in Berlin für die Bildung zustän­dig. Die auch schon acht Jahre unter Sandra Scheeres reihen sich nahtlos ein: Vollfrust. Da sagt ein Ex-Schüler gern „Tschüß, Frau Scheeres“.

In diesem Jahr auch auf der Peinlichen-Liste:

Die Konzeptkünstlerin  Mia Florentine Weiss („Kunst-Deko“), der „Bild“-Chef Julian Reichelt („Breitbeinbratz“), der Comedian Ingo Appelt („Rosenkrawallier“) und der CDU-Fraktionschef Burkard Dregger („Stahlschelm“).

Mehr zum Ergebnis der Wahl 2020 findet ihr hier – mit einem alten Bekannten an der Spitze. Die 25 Bestplatzierten der Peinlichen-Liste von 2019 findet ihr hier. Bestellen könnt ihr die neue Ausgabe auch online im Shop.


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Wie schneiden Berlins Sehenswürdigkeiten eigentlich im Google-Ranking ab. Sagen wir mal so: durchwachsen. Besser für die Laune als das Auge: 12 Berliner Bausünden. Wer Berlin verstehen will, muss auch dahin gehen, wo Berlin weh tut: 12 harte Orte in der Stadt empfehlen wir hier. Und wenn ihr noch einen Nachschlag braucht: Es geht sogar noch härter – mit diesen 12 Orten des Berliner Grauens. Viel Spaß.

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