Ingmar Jaschok ist Bauer und schreibt darüber. Etwa in seinem preisgekrönten „Hofhuhn“-Blog. Uns war der Bio-Bauer aus der Eifel aufgefallen, weil es ihm so gut gelingt, sicher nicht alle zu verstehen, aber doch erst einmal allen zuzuhören. Diesmal haben wir Ingmar Jaschok zugehört. Nachdem wir in gefragt hatten, was die Debatte um das zwischenzeitliche Einreiseverbot für Spargelstecher*innen über unser Verhältnis zur Landwirtschaft erzählt.
tip Herr Jaschok, ausgerechnet eine saisonal-regionale Köstlichkeit wie Spargel wird durch Corona zur Blaupause über die systemimmanente Globalisierung einer Branche, der Landwirtschaft. Eine gute Pointe oder?
Ingmar Jaschok Ich muss zugeben, dass auch mir da ein kleines „Hihi“ über die Lippen gekommen ist, der Witz war einfach zu gut.
tip Worüber genau haben Sie gelacht?
Ingmar Jaschok Sicher nicht über die Situation der Erntehelfer*innen. Die machen guten Arbeit und schaffen mit ihrem verdienten Geld ja auch Werte in Polen oder Rumänien. Hier soll bitte niemand wieder anfangen, in alten Grenzen zu denken. Am Ende des Tages unterstreicht die aktuelle Situation meine Lieblingsthese: Wir machen uns was vor wenn wir einem Mythos der lokalen Landwirtschaft nachhängen. So wie die Branche gerade tickt, wie der Markt und auch die Subventionen funktionieren, hängt da eben eines mit dem anderen zusammen. Kleiner und „lokal“ kann und will da keiner mehr denken, außer eben auf dem Werbeschild über dem eigenen Spargelstand.
Spargelstechen braucht emotionale Intelligenz. Das kann nicht jeder, wie die Corona-Pandemie zeigt
tip Jetzt will die AfD Schüler*innen und Studierende wegen des Corona-Virus auf die Spargelfelder schicken, andere rufen nach den Kurzarbeiter*innen aus der Automobilindustrie. Ich kenne auch Leute aus der Gastronomie, die haben schon die Tasche für ihren Ernteeinsatz gepackt.
Ingmar Jaschok Spargelstechen ist Gefühlsarbeit. Leute, die in der Stadt aufgewachsen sind und bis dato nur Sachen in der Hand hatten, die genormt waren, werden daran zwangsläufig scheitern. Das hat auch nichts mit der körperlichen Verfasstheit oder dem vielzitierten Willen zu tun. Da irgendwo zwanzig Zentimeter unter der Erde zu tasten und eine Spargelstange exakt zu kappen, braucht Erfahrung und, ja, emotionale Intelligenz.
tip Demeter-Betriebe beispielsweise haben sich einer bestimmten Anzahl an Erzeugnissen verpflichtet, die der Hof produzieren muss. Wäre das nicht schon mal ein Weg: Bauernhöfe, die rund ums Jahr etwas Produktives leisten und deshalb Arbeit haben?
Ingmar Jaschok Unbedingt. Das ist schon ein perverses System. Der eine macht drei Monate in Spargel, der nächste drei Monate in Erdbeeren und ein anderer vielleicht drei Wochen in Weihnachtsbäumen. Wir haben ja gerade ganz zarte Debatten darüber, was unter den gegenwärtigen Bedingungen – etwa des Klimawandels aber auch einer Krise wie Corona – eine neue, nachhaltige Definition von Wachstum wäre. Ein Unternehmen so zu führen, dass es seinen Angestellten verlässliche Garantien gibt und eine Heimat in einer Region garantiert. Aber dazu braucht es auch Konsument*innen, die bereit sind, diesen Weg mitzugehen.
Corona, Spargel und Nachhaltigkeit: Was ist uns unser Essen wert?
tip Wenn Sie schon zu uns Kund*innen kommen: Was sollten wir anders machen?
Ingmar Jaschok Die Grundfrage bleibt: Was ist uns unser Essen wert? Darüber hinaus fände ich inversives Einkaufen schon einmal einen guten Ansatz. Nicht immer nur nach den Sachen fordern, auf die ich gerade Lust habe, sondern stattdessen fragen, was es denn so gerade gibt. Und anstatt zu hamstern, also einfach alles zu kaufen, wäre es der nachhaltigere Ansatz, erstmal alles zu verarbeiten. Ich habe von einem Freund drei Stiegen Fenchel bekommen. Keiner in unserer Familie mag Fenchel – dachten wir. Jetzt haben wir drei Tage hintereinander mit Fenchel gekocht und tolle Rezepte entdeckt.
tip Überhaupt ist das ja eine Hoffnung, die viele dieser Tage haben. Dass Corona auch dazu führen könnte, die Prioritäten des eigenen Handelns zu überdenken.
Ingmar Jaschok Das klingt super, oder? Und tatsächlich liegen die Karten dafür ja gerade auf dem Tisch, wir bräuchten sie einfach nur umzudrehen. Ich merke das doch schon an mir, wie ich plötzlich Zeit für so etwas banales wie einen Sparziergang habe und wie ich das genieße. Dieser Mythos, wir können uns alles immer leisten, wird gerade sehr fragil.
- Kein Spargel wegen Corona? Nein, so einfach ist es nicht, denn Spargelstechen will gelernt sein.
- Wer von Homeoffice gelangweilt ist, kann sich bei „Das Land hilft“ melden, einer vom Bundeslandwirtschaftsministerium gestarteten Jobbörse für Aushilfen in der Landwirtschaft während der Corona-Krise. Und falls man es sich und seiner emotionalen Intelligenz zutraut: Spargelstechen steht auch auf dem Programm. Vorher aber bitte Ingmar Jaschoks tollen Hofhuhn-Blog lesen!
Langeweile Zuhause? Wir hätten da ein paar Ideen: Ein paar Rezepte für Naschkram und Torten, Muffins und Bananenbrot (ohne Hefe!) hat uns Nina Törtchen zusammengestellt. Viele Weinläden haben geöffnet – unsere Empfehlungen. Und auch die Gastronomie hat sich schnell angepasst, es gibt tolles Essen in geöffneten Restaurants und Bars – zum Abholen.
Bevor man aus Langeweile zur Schere greift, lieber unsere 15 Vorschläge, um die Zeit zuhause zu füllen ausprobieren. Zu einer gesunden Haarpracht gehört auch ein gesunder Körper. Da helfen unseren Sport-Übungen für zuhause.