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Kolumne

Jackie A. entdeckt… Frauke Petry in Viet-City

Unmöglich, das Schild über dem Don Xuan Center zusammen mit dem eigenen Gesicht aufzunehmen, ohne dass dabei ein mächtiges Doppelkinn das Selfie dominiert. Ein paar Meter weiter probiert eine junge Mutter Ähnliches und ich biete Hilfe an. So wird der erste Stau des Tages im DXC von einer Vietnamesin und einer Ex-Ostdeutschen verursacht, die, immer wieder in die Luft springend und Instagram-Happiness vortäuschend, die Ausfahrt blockieren.

1071 Fans hat das DXC auf Facebook, was ein Witz ist, schließlich ist es der größte Asia-Markt in Berlin, wenn nicht in Europa! Über lange Hallenflure flanierend erfreue ich mich am irrwitzigen Angebot vorwiegend aus Plastik und Synthetik: in schreienden Farben bedruckte Kittelschürzen, Perücken in Regalen neben Tischläufern, aufgeregt blinkende Elektroartikel, faustgroße Diamanten aus Glas. Als ich die Attrappe einer Schusswaffe, ein Feuerzeug, in die Hand nehme, werde ich endlich auch mal von einem Händler gegrüßt: „Xin chào!“

Störend beim Shoppingerlebnis ist eigentlich nur der persönliche Vorsatz für 2019: „Weniger Plastik, mehr Nachhaltigkeit“. Also umdisponieren und einen Friseur-Shop betreten. Warum nicht mal einen neuen Haarschnitt wagen? „Hallo, Hallo… setzen, setzen!“, die vietnamesische Friseurin eilt herbei. Sie trägt dieselbe coole Frisur, wie einst T-Boz von der 90er-Girlgroup TLC. Für zehn Euro verpasst sie mir einen professionellen Schnitt. Er erinnert allerdings nicht an eine 90er-Ikone, sondern mehr an eine aschblonde Version von Frauke Petry. Meine Theorie dazu: Die Nachfrage bestimmt das Angebot, und Frauke-Petry-Haarschnitte sind im DXC, genau wie Baseballschläger, stark gefragt. Wirklich, die werden hier überall angeboten. Ein mürrischer Familienvater fragte gerade nach dem Preis: Acht Euro kostet das Modell „Hooligan“… – Baseballnation Lichtenberg!
Vielleicht beeinflusst meine neue Frisur auch meine Wahrnehmung, denn die Ohrstecker mit „Eisernem Kreuz“ fallen mir jetzt auf, auch das Flachmännersortiment mit „Reichsadler“-Aufdruck. Dafür gibt es gleich nebenan eine grandiose Auswahl an seltenen Früchten und Gewürzen. Freud und Leid, Yin und Yang gehören eben zusammen: in Schicksalsfragen und im DXC! Am Imbiss bestelle ich einen Agar-Agar-Pudding, und ich hätte mir für diese Kolumne wirklich gewünscht, dass er schmeckt. Wahrscheinlich tut er das auch – jemandem, der Agar-Agar-Pudding-erprobt ist. Ich hingegen sage, der vietnamesische Kaffee war verdammt gut!

Ich fand sogar noch Waren aus hochwertiger Biobaumwolle, Saunatücher in Halle 2, letzte Tür rechts! Baustellenlärm macht sich breit, als ich die Hallen verlasse, Kulturhaus und Wohnungen sollen entstehen. Achtung, Berlin: Hier kommt Viet-City! Ich fahre jetzt weiter zum Afro-Shop, da gibt es günstig Extensions.

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