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Israelisch-deutsches ID-Festival: Theater als Hoffnungsmodell

Schwierige Zeiten für ein israelisch-deutsches Kultur-Festival. Wegen der emotional hoch aufgeladenen Lage hat das ID-Festival die Sicherheitsmaßnahmen erhöhen müssen. Dabei will es ein Gegenmodell zum verbreiteten Hass sein. „Ending. Rebirth. Growth“ lautet hoffnungsvoll das diesjährige Motto und präsentiert mit dem arabisch-hebräischen Jaffa-Theater ein Hoffnungsmodell im polarisierenden Nahost-Konflikt.

Das umstrittene Stück „Shampoo Queen“ von 1970 neu inszeniert vom palästinensisch-hebräischen Jaffa-Theater. Foto: Raday Rubinstein

Das Stück war eine Provokation. Der Autor Hanoch Levin spuckte 1970 in seiner bissigen Satire „Queen of a Bathtub“ seinen israelischen Landsleuten in den lange nach dem gewonnenen Sechstagekrieg immer noch vorherrschenden Sieges-Übermut und ­machte sarkastisch deren Militarismus, Rassismus und nationalistische Euphorie kenntlich. Die Uraufführung in Tel Aviv geriet zum Skandal, es gab heftige Proteste und sogar einen Anschlag auf das Theater. Nach nur 19 Vorstellungen wurde die Inszenierung abgesetzt.

ID-Festival 2024: Hanoch Levins Skandalstück von 1970 ist verblüffend aktuell

Wenn das arabisch-hebräische Jaffa-Theater dieses bis heute größte Skandal-Stück des israelischen Theaters nun unter dem Titel „Shampoo Queen“ neu inszenierte, dann ist das auch ein Statement. Israel, dessen Zivilbevölkerung von der Hamas am 7. Oktober vergangenen Jahres brutal angegriffen worden ist, befindet sich erneut im Krieg und ist in seiner Kriegsführung dabei mindestens so umstritten wie Levins Satire.

Die Einladung von „Shampoo Queen“ zur siebten und wegen Auslaufen der ­Förderung letzten Ausgabe des ID-Festivals, das der ­Musiker Ohad Ben-Ari 2015 gegründet hatte, ist jedoch eher „ein glücklicher Zufall“, sagt Ben-Ari. „Ich wollte ein Stück von Levin zeigen und schon längst mit dem Jaffa-Theater zusammenarbeiten. Es war mit einem anderen Stück schon 2020 eingeladen, was wegen der Corona-Pandemie dann nicht ging.“

ID-Festival 2024: „Ending. Rebirth. Growth“ lautet das hoffnungsvoll-konstruktive Motto

Das 1998 gegründete Jaffa-Theater steht in dem polarisierenden Nahost-Konflikt für ein Gegenmodel. Hier arbeiten jüdische und arabische Israelis in zwei Ensembles konstruktiv zusammen. In „Shampoo Queen“ sprechen palästinensische Schauspielende nun den hebräischen Originaltext, der, obwohl vor 55 Jahren geschrieben, „so verblüffend aktuell ist, als ob Levin es letzte Woche geschrieben hätte“, sagt Ben-Ari (12.4., 20 Uhr).

Ein Gegenmodell zum verbreiteten Hass will auch das Festival selbst sein, „Ending. Rebirth. Growth“ lautet hoffnungsvoll das diesjährige Motto, unter dem erforscht wird, wie sich vermeintliche Endpunkte zu Neuanfängen transformieren. Auf die aktuelle Situation reagiert das Programm insbesondere mit zwei Veranstaltungen. Stella Leder vom Institut für Neue Soziale Plastik lädt zum Festivalauftakt in „writingSITUATIONs“ Autor:innen aus Deutschland, Österreich und Israel ein, Texte in Bezug auf das Trauma des 7. Oktober zu schreiben und szenisch vorzulesen (11.4., 18 Uhr). Und das immersive Chorstück „Become Choir“ von AuditivVokal Dresden reflektiert das Trauma des Holocaust und wie die Kunst dabei helfen kann, es zu überwinden (11.4., 20 Uhr).

„Symphony of Brotherhood“ von der „Hip-Hop-Violinistin“ Miri Ben-Ari (re.). Foto: Perry Brindelgrass

Ein Highlight ist auch das interaktive Konzerterlebnis „Symphony of Brotherhood“ von der „Hip-Hop-Violinistin“ und Grammy-Gewinnerin Miri Ben-Ari (sie arbeitete unter anderem mit Kanye West und Alicia Keys). Ihr „Anti-Hate-Project“ führt Elemente aus der Schwarzen und jüdischen Kultur und der Gospelmusik mit dem Publikum zu einem großen gemeinsamen Chor zusammen (13.4., 20 Uhr).

ID-Festival 2024: 20 Prozent der Israelis sind keine Juden – auch ihre Kultur spiegelt das Festival

Das ID-Festival zeigt programmatisch nicht jüdische, sondern israelische Kultur, die eine Synthese von jiddischer Kultur und lokaler Einflüsse ist, arabischer und internationaler von Juden, die aus allen Teilen der ganzen Welt nach Israel gezogen sind. „20 Prozent der Israelis sind nicht Juden“, sagt Ben-Ari, „und auch sie prägen die israelische Kultur.“

Ben-Ari versteht das Festival auch als Plattform: „Ich möchte, dass die Kunst und Künstler:innen die politische Lage kommentieren und nicht etwa Politiker. Es soll eine Plattform sein, auf der alles gesagt werden kann, mit Israel, gegen Israel, solange man nicht zu Gewalt oder Hass aufruft.“ Wegen der emotional hoch aufgeladenen Lage hat das Festival die Sicherheitsmaßnahmen erhöhen müssen. 

  • Radialsystem Holzmarktstr. 33, Friedrichshain, Do–So 11.–14.4., online

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