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Leben im Dazwischen: „Unser Deutschlandmärchen“ am Maxim Gorki Theater

In der Uraufführung der Bühnenfassung des preisgekrönten Romans „Unser Deutschlandmärchen“ von Dinçer Güçyeter prallen auch musikalische Welten aufeinander.

Spiel- und gesangsstark: Gorki-Schauspielerin Sesede Terziyan in „Unser Deutschlandmärchen“. Produktionsfoto: Esra Rotthoff

Der Debütroman eines unbekannten Autors, erschienen in einem kleinen Indie-Verlag, formal weniger ein Roman als vielmehr eine Collage verschiedenster literarischer Stilmittel, schlug ein. 2023 wurde „Unser Deutschlandmärchen“ mit dem Leipziger Buchpreis ausgezeichnet. Darin erzählt „Gastarbeitersohn“ Dinçer Güçyeter über 60 Jahre nach dem „Anwerbeabkommen“ seine Familiengeschichte, erzählt, wie seine Eltern mit den ersten Arbeits­migranten in die Bundesrepublik gereist, aber eigentlich nie wirklich angekommen sind – und wie alle dieses Leben im Dazwischen jahrzehntelang kommentarlos hinnehmen.

„Unser Deutschlandmärchen“: Eine auch musikalische Mutter- und Sohn-Familiengeschichte

Dieses Schweigen hat am Gorki Theater schon längst ein Ende. Seit der Intendanz von Shermin Langhoff gab es mehrere Produktionen, die die Erfahrung der Generationen seit dem Anwerbeabkommen abarbeiten, mit „Lö Bal Almanya“ startete das bereits 2010 noch am Ballhaus Naunynstraße, einer musikalischen Zeitreise mit der Schauspielerin Sesede Terziyan durch fünf deutsch-türkische Jahrzehnte. 2018 gehörte Terziyan am Gorki erneut zum Ensemble in der Fortschreibung „Lö Grand Bal Almanya“.

Und nun ist sie auch wieder dabei, wenn Regis­seur Hakan Savaş Mican die Uraufführung seiner eigenen Bühnenfassung von Dinçer Güçyeters ­Roman inszeniert. „Natürlich kann ich das nicht ohne die gesangsstarke Sesede machen“, erzählt ­Mican. „Es ist ein sehr musikalisches Buch, Dinçer Güçyeter sieht es selbst als ,ein Orchester mit unterschiedlichen Stimmen‘, weshalb ich mit einer großen Band auch einen sehr musikalischen Abend daraus mache.“

Grönemeyer trifft auf türkische „Kürbis-Geige“

Mican will aber nicht 60 Jahre türkisch-deutsche Arbeitsmigrationsgeschichte erzählen. „Es ist für mich die Geschichte von einer Mutter und ihrem Sohn“, sagt er. „Deshalb konzentriere ich den Abend auf nur einen Schauspieler, Taner Sahintürk, für den Sohn, und eine Schauspielerin, Sesede, als die Mutter. Doch auch die Musik spielt eine Rolle, um die Sehnsuchtsräume von beiden Figuren aufzumachen.“

Taner Şahintürk und Sesede Terziyan in „Unser Deutschlandmärchen“ – Foto: Ute Langkafel MAIFOTO

So kollidieren hier – wie im Leben des Erzählers Dinçer zwischen deutschem Zuhause und türkischen Wurzeln, zwischen Arbeiterexistenz und Dichterleben – auch musikalische Welten miteinander. „Es gibt türkische Volkslieder, die die Welt der Mutter verkörpern“, sagt Mican, „aber auch viele Popsongs aus dem zeitlichen Kontext, auch ein Lied der Sisters of Mercy oder auch deutscher Pop.“

Und auch Lieder der türkischen Pop-Diva Sezen Aksu, die sehr wichtig für Güçyeter gewesen war. Aksu hatte in den 80ern auch mal ein Duett mit Udo Lindenberg gesungen und war damit dicht dran an den „wunderbaren Kombinationen“, die sich Güçyeter als Ideal ausmalt. Das spiegelt sich nun in den Arrangements: „Wir haben neben Cello, Klavier, Schlagzeug, Gitarre und Bass, auch traditio­nelle Instrumente dabei wie Oud, Duduk und Elektro-Bağlama, das Instrument der türkischen Hochzeiten schlechthin“, sagt Mican, „und es gibt eine Kabak-Kemane, das ist ein uraltes türkisches Instrument, damit spielen wir aber ,Flugzeuge im Bauch‘ von Grönemeyer.“

  • Maxim Gorki Theater Am Festungsgraben 2, ­Mitte, Sa 6.4. (UA), Mo 22.4., 19.30 Uhr, So 7.4., 20 Uhr, Tickets 12-40, erm. 9 €, online

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