Kommentar

Hasskommentare gegen tip-Kolumnistin: Geht’s noch, Leute?

„Techno in Berlin: So sexistisch waren die 90er-Jahre“, überschrieben wir einen Text unserer Kolumnistin Jackie Asadolahzadeh, in dem sie das beachtlich konservative Rollenbild in der so progressiven Berliner Clubkultur der 90er analysierte. Die Debatte in den Kommentaren unter dem Text auf Facebook war wild und kontrovers. Völlig okay. Aber ein paar Kommentatoren posteten auch menschenverachtenden Dreck gegen unsere Autorin. Geht’s noch, Leute? Ein wütender Zwischenruf von Erik Heier, dem stellvertretenden Chefredakteur von tipBerlin.

Legendärer Techno-Club Tresor in der Leipziger Straße Ende der 90er-Jahre. Foto: Imago/Christian Ditsch

Hasskommentare gegen tip-Kolumnistin: Misogyner Dreck

Mir ist schon klar, dass Facebook, Twitter und andere Soziale Netzwerke nicht exakt die Orte sind, die berühmt wären fürs digitale Händchenhalten und für verbale Streicheleinheiten. Wo Menschenfreundlichkeit, Herzlichkeit und Respekt den selbstverständlichen Dreiklang der Kommunikationskultur darstellen würden. Kann man bedauern, sollte man auch, muss besser werden. Ich persönlich finde es bis zu einem gewissen Grad auch völlig okay, wenn dabei die sokratische Diskurskultur mitunter nur sehr suboptimal funktioniert, man sich mit Temperament, Vehemenz und herzlicher Unsachlichkeit auch solche Argumente um die Ohren und in die Drukos haut, die einem besonnenen Fact Checking keine drei Meter um die nächste Ecke standhalten würden.

Was mich allerdings so richtig wütend macht und weshalb ich diesen Text schreibe, ist: menschenverachtender Dreck, misogyne Kotzbrockenhaftigkeit, durchgeknallte Drohungen bis hin zu strafrechtlich relevanten Gewaltfantasien in Kommentaren auf unserer Facebook-Seite. Geht’s noch, Leute? Was stimmt mit euch nicht?

700 Kommentare binnen weniger Tage

Und genau das ist, in viel zu vielen einzelnen Kommentaren, gerade bei einem Text unserer tip-Kolumnistin Jackie Asadolahzadeh passiert, in dem sie sich mit dem beachtlich konservativen Rollenbild in der von vielen als progressiv erlebten Club-Kultur des Nachwende-Berlin (auch zu Recht, die Dinge sind ja nie nur schwarz-weiß) beschäftigt. Wir überschrieben diesen Text mit „Techno in Berlin: So sexistisch waren die 90er-Jahre“, im Heft trug der Artikel den Titel „Früher war alles schlechter“. Binnen Tagen bekam der Text 700 Kommentare. Darunter viele, deren man die Wallung ansah, mit der sie ins Kommentarfeld gehackt wurden.

Die Leute sind ja oft so, wenn es um die Vergangenheit geht. Manche verstehen dabei keinen Spaß. Klar, es ist ja ihre Jugend, die sie glücklich im Strobolicht verballert haben, mitunter. Und dann kommt da jemand, die dabei war, aber sowas von, und weist darauf hin, dass mit dem heutigen Wissen betrachtet damals auch nicht alles geil war, was damals glänzte. Und dass dennoch auch damals schon starke Frauenfiguren in der Clubszene unterwegs waren. Das kann man ja in Jackies Text auch alles nachlesen.

Jackie schrieb da zum Beispiel: „So war es kein Widerspruch, dass in einer revolutionären Situation direkt nach dem Mauerfall, in der Regeln und Lebensmodelle auf den Kopf gestellt wurden, zur gleichen Zeit in Backstages und an DJ-Pulten altbekannte Herabsetzungen, Anzüglichkeiten und Flachwitze auf Kosten weiblicher Gäste oder Kolleginnen stattfinden konnten. Darauf folgte selten Entrüstung, denn ein Bewusstsein für überholte Rollenmuster und tiefsitzende Verhaltensstrukturen gingen der frühen Raving-Society an vielen Stellen noch ab.“

Gemeinsam gegen den Hass

Ich möchte diese hasserfüllten Kommentare, die sich nicht gegen den Text, sondern krass persönlich und in übelster frauenverachtender Diktion gegen unsere Autorin selbst richteten, hier nicht noch einmal reproduzieren. Wir haben sie ausgeblendet. Aber aus welcher Kloake diese Kommentatoren (Gendern ist hier wirklich unnötig) auch immer in den tipBerlin-Facebook-Account herübergesuppt sind: Wir nehmen es nicht hin, dass unsere Autor:innen, unsere Kolleg:innen auf das Übelste beleidigt und sogar bedroht werden. Das ist nicht unser Verständnis von Kommunikation. Wir finden uns nicht ab mit diesem Hass.

Und ich wünschte mir auch, dass beim nächsten Mal, sollten sich ein paar enthemmte Wutschreiber, über deren psychologische Verfasstheit zu sinnieren mir hier meine Zeit zu schade ist, in den Kommentaren zu einem unserer Beiträge finden, dann auch ihr, liebe tipBerlin-Facebook-Follower, mit uns aus der Redaktion gemeinsam gegen den Hass aus dem Netz Stellung bezieht. Gegen durchgeknallte Druko-Trolls. Denn wir sind viele. Die nicht.

Ich jedenfalls, als stellvertretender Chefredakteur des tipBerlin, freue mich auf die nächsten Texte von Jackie. Und nehme jeden Hasskommentar gegen sie, wie auch gegen jeden anderen Kollegen: sehr, sehr persönlich.


Mehr zur Berliner Clubkultur

Mehr über die Clubkultur der 90er in Berlin? Hier findet ihr einige der wichtigen Clubs. Heißer Scheiß: So sind die Gespräche auf Berliner Clubtoiletten. Vielleicht die wichtigste Frage des Berliner Nachlebens: Wie komme ich ins Berghain? Unsere Überblickseite zur Berliner Clubkultur findet ihr hier.

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