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Mensch Meier schließt: Abschiedsparty für den progressiven Club

Techno und Feminismus? Wie politische Haltung und nächtlicher Exzess zusammenpassen, bewies in den vergangenen Jahren das Mensch Meier. Das Betreiber:innenkollektiv hört auf, vom 15. bis 18. Dezember 2023 steigt die Closing-Party. Aber auch wenn das Kollektiv aufhört, soll der Ort erhalten bleiben.

Das Mensch Meier war lange eine feste Größe in der Berliner Clublandschaft. Im Dezember ist vorerst Schluss. Foto: Mensch Meier

Mensch Meier: „straighte linke Ausrichtung“

Antifaschistisch positioniert, nicht-kommerziell organisiert. Das Mensch Meier hat „eine straighte linke Ausrichtung”, sagte uns Jenny Pepps, als klar war, dass das Kollektiv aufhören wird. Sie ist Sprecherin des Clubs und nach eigener Aussage für „Agitation“ zuständig. Es gibt nicht viele Clubs in Berlin, die sich als antikapitalistisch und feministisch verstehen. Neben dem ://about blank in Friedrichshain ist das auf dem Gewerbegebiet an der Storkower Straße beheimatete Mensch Meier wohl der einzige Club mit einer derart starken politischen Haltung. Es wundert nicht, dass ein Raunen durch die linke Berliner Clubszene ging, als das Betreiber:innenkollektiv Ende Juni verkündete, aufhören zu wollen.

„Die Entwicklungen der letzten Jahre, der Bruch durch Corona, die steigenden Energiekosten und Inflation haben uns trotz aller Hilfen und Versuche, gegenzusteuern, kälter erwischt als erhofft“, hieß es in der dazugehörigen Pressemitteilung. Die Entwicklungen fordern eine Preispolitik, die dem Meier „gegen den Strich“ geht und nicht mehr mit den eigenen Vorstellungen vereinbar seien, sagt Pepps. Auch die Gagen für die DJs hätten sich fast verdoppelt, dagegen komme man einfach nicht mehr an. Ende 2023 soll daher Schluss sein. Der hinter dem Club stehende tatendrang e.V. gibt die Location ab.

Angefangen hat alles auf der Fusion

Zwischen 100 und 110 Menschen arbeiten für den Club, etwa zehn gehören zum Kernkollektiv. Dieses wuchs ursprünglich aus einem Bremer und einem Berliner Freundeskreis zusammen. Gemeinsam begann man, den Floor „Räuber:innenhöhle“ auf dem Fusion-Festival zu organisieren. Daraus entstand die Idee, in Berlin einen Ort zu schaffen, der das Konzept der Fusion weiterträgt. 2014 stieß man dann auf das passende Objekt an der Storkower Straße, ein Jahr später fand die Eröffnung statt und das Meier war geboren.

Mensch Meier: Vorreiter in der Awareness-Arbeit

Binnen kürzester Zeit etablierte sich der Ort zu einer festen Größe in der Berliner Clublandschaft. Die gute Anlage und die humane Türpolitik, das angenehme Publikum und die fairen Preise ließen den „Tendenzbetrieb“ an Beliebtheit gewinnen. Seit jeher fanden im Mensch Meier Solipartys statt, etwa für die Organisation zur zivilen Seenotrettung Sea-Watch, auch Konzerte, Podiumsdiskussionen und andere Kulturveranstaltungen vor Beginn der eigentlichen Partys gehörtem zum Programm.

Vor allem aber wurde das Mensch Meier Vorreiter in der Awareness-Arbeit. Heute gilt es zwar fast als Standard, auf einer Party auch ein Konzept zu haben, mit dem gewährleistet wird, dass sich alle Menschen, unabhängig etwa von ihrem Geschlecht, ihrer sexuellen Orientierung oder ihrer Behinderung frei und sicher fühlen können. Doch lange bevor solche Strukturen im Nachtleben etabliert waren, entwickelte das Mensch Meier ein Schutzkonzept und baute eigens dafür ein Team auf.

Inklusive Türpolitik

Auch die Türpolitik setzt auf Inklusivität: In der ersten Stunde gibt es meist vergünstigten Eintritt, auch kann man dem Club vorab schreiben, wenn man gerade knapp bei Kasse ist. Sowohl an der Tür als auch in der Technik und in den restlichen Strukturen arbeiten FLINTA*-Personen (Frauen, Lesben, inter, nicht-binäre, trans und agender) zu möglichst gleichen Anteilen wie cis Männer. Es braucht nicht viel, um zu erkennen, dass hier Menschen mit Überzeugung und Herzblut bei der Sache sind.

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Dennoch kommt die Entscheidung, neben den äußeren Umständen, auch aus dem Inneren. „Wir gehen mittlerweile alle auf die 40 zu und machen das schon einige Jahre. Trotzdem sind die Zustände weiterhin prekär“, sagt Pepps. Im Meier erhalten alle Mitarbeiter:innen einen Einheitslohn, der es jedoch schwer mache, davon zu leben. „Lange Zeit haben wir das sehr gern getan, jetzt aber ist eine Müdigkeit eingetreten. Wir machen daher Raum für Neues.“ Der Ort soll erhalten bleiben – nur eben unter anderen Betreiber:innen. „Die Verhandlungen gehen bereits in die Richtung.“

Das bleibt zu hoffen. Denn die Clublandschaft versteht sich als progressiv, in erster Linie aber ist es wohl der Hedonismus, der die Leute auf die Tanzfläche treibt. Wirklich linke Clubs gibt es deutschlandweit nur wenige. Sowohl für die Partyszene als auch für die linke Szene wäre zu wünschen, dass das Meier, wenngleich in anderer Form, erhalten bleibt. Am 15. Dezember 2023 beginnt die dreitägige Closing-Party, danach ist Schluss – zumindest vorläufig.

  • Mensch Meier   Storkower Str. 121, Prenzlauer Berg, alle Infos hier

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