Ein Bild für die Ewigkeit: Forscher von der Freien Universität sowie vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Adlershof haben eine eindrucksvolle Ansicht des Mars publik gemacht. Sie krönt das 20-jährige Jubiläum des Weltraumprojekts „Mars Express“. So farben- und facettenreich hat man den Planeten noch nie gesehen.
Dieser Wüstenplanet, der ein benachbarter Himmelskörper in unserem Sonnensystem ist, leuchtet plötzlich in allerlei Farben. Dabei ist Menschen der Mars auf Abbildungen bislang eher kontrastarm und spröde erschienen, ob in Schulbüchern oder Folianten.
Das Bild, das Wissenschaftler aus Berlin vor Kurzem der Öffentlichkeit präsentiert haben, ist daher eine kleine Sensation. Noch nie dürfte die Oberfläche des Planeten auf einer Gesamtansicht so facettenreich zu sehen gewesen sein.
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Zu verdanken ist das Schmuckstück hingebungsvollen Leuten vom Standort des Deutschen Luft- und Raumfahrtinstitut (DLR) in Adlershof sowie von der Geowissenschaftlichen Fakultät der Freien Universität (FU) in Lankwitz. Sie zählen zu Forschungsgruppen, die an das Weltraumprojekt „Mars Express“ angedockt sind.
„Dieses Bild fasst zusammen, was wir alles geschafft haben“, erklärt der FU-Forscher Christoph Groß, ein beteiligter Geologe, die Teamarbeit. Es symbolisiert die Arbeit der Fachwissenschaftler, die mit hochauflösenden Kamera-Aufnahmen tiefschürfende Eindrücke vom Mars gewinnen wollen. Zugleich ist das visuelle Erzeugnis ein Sinnbild für den ideellen Ertrag des gesamten „Mars Express“-Vorhabens, das als wichtigste Raumfahrt-Unternehmung Made in Europe in der Umgebung des „roten Planeten“ gilt. Mit anderen Worten: Ein postertaugliches Meme – rechtzeitig zum Jubiläum.
Ein fast ikonisches Bild vom Mars
Seit 20 Jahren zieht die Sonde „Mars Express“ in einer elliptischen Umlaufbahn ihre Kreise rund um den Planeten und hat der Weltraumforschung bedeutende Erkenntnisse geliefert. Aus den Snapshots einer Kamera an Bord des unbemannten Gefährts ist das fast ikonische Bild konstruiert worden.
Gestartet war das Flugobjekt der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) am 2. Juni 2003 vom Weltraumbahnhof Baikonur in Kasachstan. Um 19.45 Uhr mitteleuropäischer Zeit hatte es die Erdatmosphäre verlassen – und knapp sieben Monate später den Zielort erreicht.
Seither hat die Sonde ihr Forschungsobjekt mit mehreren Instrumenten erkundet. Wertvoll waren etwa die Taxierungen des Messgeräts „OMEGA“, das die mineralische Zusammensetzung der Oberfläche untersucht – ebenso wie die Beschaffenheit der Atmosphäre. „OMEGA“-Daten lieferten etwa Belege, dass in der Frühzeit des Mars große Mengen flüssigen Wassers auf der Oberfläche existent waren. Außerdem ist massenweise Wassereis an den südlichen Polkappen nachgewiesen worden.
Das Mars-Bild ist Zeugnis eines Unterfangens, das nach holprigem Start zum Erfolg geworden ist. Die Mission, deren Mitwirkende auch an Forschungsinstituten in Bilbao, dem französischen Orsay oder dem schwedischen Kiruna tätig sind, hatte zunächst mit einem Flop begonnen. Nach der Ankunft im Mars-Orbit sollte „Beagle 2“, ein Landegerät, auf dem karstigen Boden des Planeten den nötigen Halt finden, um Spuren von Leben zu finden. Doch der Kontakt mit dem Raumfahrtkontrollzentrum der ESA in Darmstadt brach ab. Seitdem ist das Vehikel verschollen.
Mars-Express: Eine sehr erfolgreiche Mission
Die restlichen Apparaturen erwiesen sich derweil als robust – so dass der „Mars Express“ eine außerordentliche Lebensdauer hat. Eigentlich sollte die Sonde ursprünglich nur zwei Jahre im Einsatz sein. Stattdessen ist die Expedition vor einiger Zeit bis 2026 verlängert worden.
Aus 90 Bildstreifen ist das Foto vom Mars zusammengesetzt worden, wie ein Mosaik. Der Grund: Ein hochwertiges Bild, das den Planeten in der Totalen einfängt, kann die Kamera nicht fabrizieren – zu nah schwebt die Sonde über der Oberfläche. Die einzelnen Aufnahmen hat die Kamera aus Höhen zwischen 4.000 und 10.000 Kilometern gemacht.
Die Wissenschaftler haben ein Farbmodell mit Rot-, Grün- und Blautönen entwickelt, das die geologischen Signaturen der Mars-Oberfläche sichtbarer macht denn je. Darunter die „Valles Marineris“, bekannt als größte Canyon-Landschaft unseres Planetensystems, 3.000 Kilometer lang und 600 Kilometer breit. Getüncht sind deren Täler in metallisches Blau. Die Kolorierung mittels eines einheitlichen Farbsystems war notwendig, da Staubpartikel in der Mars-Atmosphäre ständig die Lichtverhältnisse verändern – deshalb würden die Farbgebungen von zeitlich versetzt aufgenommenen Fotos schwanken, falls man sie nebeneinander läge.
Mars und Magie: Die Kamera aus Berlin hat mehr als 50.000 Fotos gemacht
Die Kamera, die so zuverlässig Ansichten vom Mars liefert, ist das Opus magnum eines Planetologen aus Berlin: Gerhard Neukum, ehemaliger Direktor am DLR-Sitz in Adlershof, hat den Apparat entwickelt. Es handelt sich um eine stereoskopische Kamera, deren Bilder den Eindruck von räumlicher Tiefe vermitteln. Seit 2004 hat sie mehr als 50.000 Fotos vom Mars produziert. Material für die Kartographierung eines Planeten, der Menschen nicht gänzlich fremd erscheinen dürfte, mit Dünenfeldern und Vulkanen sowie Gesteinen, die irdischen Basalten ähneln. Nachts wird es dort allerdings extrem kalt, bis minus 85 Grad.
Vor einigen Jahren ist ein außerirdischer Ort nach dem ingeniösen Schöpfer der Kamera benannt worden, der 2014 im Alter von 70 Jahren gestorben ist: der Neukum-Krater auf dem Mars, der in der Noachis Terra-Region klafft.
Der Nachbarplanet übte schon immer große Anziehungskraft aus: Mehr als 30 Missionen sind seit den frühen 1960er-Jahren zum Space-Trip aufgebrochen. Neun sind zurzeit aktiv – dabei sind Sonden in die Umlaufbahn, aber auch Rover auf den Boden entsendet worden. Besonders spektakulär: der Nasa-Rover „Perseverance“, der sogar einen kleinen Hubschrauber auf den Mars eskortiert hat. In extraterrestrischer Ferne mischen nicht nur US-amerikanische und europäische Weltraumbehörden mit. Ebenso Organisationen aus China und den Vereinigten Arabischen Emiraten.
Raumforscher von heute erhoffen sich Anzeichen für Mikroorganismen. Das Mars-Bild der Wissenschaftler aus Berlin verkörpert diese Sehnsucht. Es reiht sich in eine ganze Galerie von optischen Impressionen aus dem All. Als etwa im Jahr 1972 ein Astronaut der Apollo-17-Mission mit einer Hasselblad-Kamera die Erde ablichtete, war das Foto von Terra Mater ein Aha-Moment: Wie schön unser Heimatplanet ist! Das „Blue Marble“-Foto wurde zum Urmoment der Umwelt- und Klimabewegung.
Es ist unrealistisch, dass das Mars-Bild von 2023 auch die ganz großen Massen betört. Zu abstrakt ist unser Verhältnis zu dem roten Planeten. Dennoch ist es ein potenzielles Bild für die Ewigkeit. Es steht für unstillbaren Wissenshunger.
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