Die Welt trauert um George Floyd, der in den USA von einem weißen Polizisten ermordet wurde. Polizeigewalt und Racial Profiling sind auch in Deutschland Alltag. Doch der Jungen Union Berlin Mitte fällt nichts Besseres ein, als gegen Berlins Antidiskriminierungsgesetz zu wettern. Und postet: „All Cops are beautiful.“ Ein Kommentar.
Drei Polizisten stehen im Gang des Fernbusses und lassen sich die Ausweise der Reisenden zeigen. Sie mustern die Fahrgäste. Es ist ein Flixbus im Sommer 2018 auf dem Weg von Köln nach Berlin. Die Bundespolizei macht eine Stichkontrolle mit dem Ziel, Drogenkurier*innen zu entlarven: Drogenhändler benutzen Fernbusse oft dazu, um größere Mengen Drogen von einer Stadt in die andere zu transportieren.
Die Polizisten schieben sich durch den Gang. Manche der Fahrgäste gucken beunruhigt, es raschelt hier und da. Schließlich fordern die Beamten zwei Männer dazu auf, auszusteigen und sich durchsuchen lassen. Es sind die einzigen Schwarzen im Bus. Außer ihrer Hautfarbe scheint die beiden nicht viel zu verbinden: Einer sieht aus wie ein Familienvater, ein Spießer mit Bundfaltenhosen und randloser Brille. Der andere ist jung und trägt eine Jogginghose.
Racial Profiling ist in Deutschland Alltag
Das, was in diesem Flixbus passiert ist, geschieht so oder so ähnlich jeden Tag in Deutschland, hunderte Male. Immer wieder berichten BIPOC (black, indigenous and people of colour) davon. Man nennt es Racial Profiling. Die Bundeszentrale für politische Bildung definiert Racial Profiling so: „Wenn Menschen allein aufgrund ihres physischen Erscheinungsbildes oder ethnischer Merkmale polizeilich kontrolliert werden, spricht man von Racial Profiling.“
Diese Praxis raubt den Betroffenen Zeit, sie kostet Nerven und verursacht langanhaltende psychische Belastungen. Das Antidiskriminierungsgesetz, das Justizsenator Dirk Behrendt auf den Weg gebracht hat, soll dieser menschenverachtenden Praxis ein Ende setzen. Heute hat es das Berliner Abgeordnetenhaus endlich verabschiedet.
Die Junge Union Berlin Mitte kann das anscheinend nicht so stehen lassen und agitiert gegen das Antidiskriminierungsgesetz mit zahlreichen Facebook-Posts. Damit ist sie nicht allein: Innenminister Horst Seehofer kritisiert das Gesetz ebenso wie Berlins CDU-Fraktionschef, Burkhard Dregger. Von Klagewellen und einer Beweislastumkehr schwadronieren die Unionspolitiker, obwohl inzwischen eigentlich bei jedem*r angekommen sein sollte, dass es sich dabei lediglich um eine Beweiserleichterung handelt, wie beim Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz von 2006. Ohne Beweiserleichterung wäre es quasi unmöglich, Diskriminierung zu beweisen, sagen Expert*innen.
Facebook-Post der Jungen Union Berlin Mitte als Gipfel der weißen Empathielosigkeit
Die Junge Union Berlin Mitte hat da noch einen drauf gesetzt. Nach der Ermordung von George Floyd durch einen amerikanischen Polizisten vor knapp zwei Wochen hat der Bezirksverband ernsthaft ein Bild mit der Aufschrift „All cops are beautiful“ bei Facebook gepostet. Das ist kein Witz, die meinen das wirklich ernst. Nachdem mal wieder ein Schwarzer von einem weißen Polizisten umgebracht wurde, sagt die Junge Union, alle Polizisten seien toll. Wegen der Ermordung protestierten in den USA und weltweit Zehntausende gegen rassistische Polizeibeamte und Polizeigewalt.
Klar, viel kann man nicht erwarten von einem Verein, dessen Mitglieder sich anscheinend die 1950er-Jahre zurückwünschen. Das könnte man zumindest vermuten, wenn man sich zum Beispiel die Wahlplakate eines Ortsvereins in Bayern anguckt, das nicht mehr als einen weiblichen Hintern abbildet. Oder die sexistischen Tweets von diversen JU-Mitgliedern. Und die Mitglieder der JU-Limburg schämten sich 2018 tatsächlich nicht, lautstark das Horst-Wessel-Lied in einer Berliner Kneipe zu grölen.
Trotzdem, der Post der JU Berlin Mitte ist an Ignoranz und Empathielosigkeit kaum zu überbieten. Nicht nur ist er ein Schlag ins Gesicht all der Menschen, die um George Floyd trauern und/oder andauernd Opfer von rassistischer Diskriminierung durch die Polizei sind – in den USA, in Deutschland und fast überall auf der Welt. Er zeigt auch, wie die Junge Union, ein Verein, der zum Großteil aus weißen hetero cis Männern mit den meisten Privilegien überhaupt besteht, auf die Belange von Minderheiten pfeift.
Der Handlungsdruck für ein Antidiskriminierungsgesetz war und ist groß
Seit Jahren berichten BIPOC davon, wie sie aufgrund ihres Aussehens von der Polizei kontrolliert und nicht selten erniedrigt werden. In Deutschland ist bislang nichts passiert, um daran etwas zu ändern – obwohl die EU-Richtlinien das seit Jahren gebieten und das Grundgesetz Gleichbehandelung ge- und Diskriminierung verbietet. Der Handlungsdruck war und ist also nicht nur für Berlin groß.
Andersherum erscheinen die Argumente der Kritiker*innen fadenscheinig, wenn man genau hinsieht: Für eine Klagewelle haben die Verbände viel zu wenig Geld und der Nachweis einer Diskriminierung ist noch immer schwer – nur eben nicht mehr ganz so schwer wie vorher. Außerdem befürchteten Kritiker*innen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes von 2006 ebenfalls eine Klagewelle. Eine solche Welle hat die Gerichte nie erreicht.
Die Junge Union aber ignoriert die EU-Richtlinien, die Erfahrungen, die man mit anderen Gesetzen gemacht hat und – viel schlimmer – das Leid ihrer Mitbürger*innen. Das Erschreckende daran ist: Argumente scheinen nicht zu ziehen. Man kann ihnen nur wünschen, dass sie selbst mal aufgrund ihres Aussehens vor allen anderen Fahrgästen aus dem Flixbus steigen und sich durchsuchen lassen müssen. Und das nicht nur einmal, sondern immer wieder, wenn sie auf Polizist*innen treffen. Aber das wird nicht passieren, denn Rassismus funktioniert nur in eine Richtung.
Auch in Berlin finden Black Lives Matter Demonstrationen statt: So tretet ihr gegen Rassismus ein. Ihr wollt euch zum Thema Antirassismus weiterbilden? Wunderbar: in den letzten Jahren sind auch in Deutschland einige empfehlenswerte Bücher zum Thema erschienen. Eine kleine Auswahl hat „She said“ zusammengestellt: Berlins neue Frauenbuchhandlung, die ihren Fokus auf Autorinnen und queere Literatur setzt.