Rosa Luxemburg war eine harsche Kritikerin des Militarismus und radikale Vertreterin des Sozialismus. Als Rednerin, Redakteurin und Denkerin wurde die polnische Jüdin zum Sinnbild einer selbstbestimmten Frau, zur linken Ikone und Märtyrerin des Kommunismus. Rosa Luxemburg zog Ende des 19. Jahrhunderts nach Berlin, die Stadt sollte bis zu ihrer Ermordung am 15. Januar 1919 ihr Lebensmittelpunkt bleiben.
Wir zeigen entlang von 12 Stationen Rosa Luxemburgs Leben und Wirken, ihrer Beziehung zu Berlin und die Spuren, die sie bis in die Gegenwart in der Stadt hinterlassen hat.
Ikone der Arbeiterbewegung: Rosa Luxemburg (1871–1919)
Das zaristische Russland herrschte damals über jenen Teil von Polen, in dem Rosa Luxemburg am 5. März 1871 geboren wurde. Sie war das fünfte Kind des jüdischen Holzhändlers Eliasz Luxemburg. Als Rosa Luxemburg drei Jahre alt war, zog die Familie vom heimatlichen Zamość im Südosten des Landes nach Warschau. Dort verbrachte das Mädchen eine von Krankheiten gezeichnete Kindheit.
Rosa Luxemburg brachte sich schon früh das Lesen bei, verschlang Bücher, übersetzte als Neunjährige Gedichte aus dem Deutschen ins Polnische und verfasste mit 13 ein Schmähgedicht auf Kaiser Wilhelm I., dessen Deutschland wir hier näher betrachten. Auf dem Warschauer Frauengymnasium lernte Rosa Luxemburg die 1882 gegründete marxistische Gruppe „Proletariat“ kennen. 1888 bestand sie das Abitur als Jahrgangsbeste.
Die junge Warschauerin geht nach Zürich
Schon in ihrer Warschauer Zeit begann Rosa Luxemburg, sich in politischen Zirkeln zu bewegen. Sie verfasste auch kritische Texte, die im Untergrund produziert und in linken Zeitungen veröffentlicht wurden. Kurz nach dem Abitur geriet sie ins Visier der Zarenpolizei und musste Warschau verlassen.
Luxemburg ging nach Zürich, wo sich Frauen an der Universität immatrikulieren durften. Sie studierte unter anderem Mathematik und Botanik, später Rechtswissenschaft und Völkerrecht. Die schon damals überzeugte Marxistin bewegte sich vor allem in linken Emigrantengruppen. In der Zeit ging sie mit dem jungen russischen Sozialisten und späteren Mitbegründer der KPD, Leo Jogiches, eine Beziehung ein, die sie ein Leben lang begleiten sollte.
Reden halten und die Massen bewegen
Noch in Zürich gehörte Rosa Luxemburg zu den Mitbegründern der sozialistischen Exilpartei „Sozialdemokratie des Königreiches Polen“, die für die Unabhängigkeit des besetzten Landes stritt, zugleich aber den Nationalismus ablehnte. Luxemburg setzte auf die Kraft des Proletariats und war Anhängerin der Internationalismus.
Die junge Absolventin der Zürcher Universität diskutierte in politischen Gruppen, zu ihrem Umfeld gehörte unter anderem der russische Sozialist Pawel Axelrod, und sie verfasste Texte, die für Aufregung sorgen: etwa den Aufsatz „Das unabhängige Polen und die Sache der Arbeiter“, in dem sie die Unvereinbarkeit von Nationalismus und Sozialismus postuliert. Auch beginnt sie, bei Kundgebungen zu sprechen.
Radikale Frauen: Mit Clara Zetkin in Magdeburg
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Ab Mitte der 1890er-Jahre gehörte Rosa Luxemburg zu den führenden Persönlichkeiten der sozialistischen Bewegung. Oft ist die junge Frau bei Kongressen und Versammlungen allein unter alten Männern. Etwa beim Kongress der Zweiten Internationale in London 1896 oder 1904 in Amsterdam.
Eine der wenigen anderen Frauen, die sich der Sache mit ähnlicher Leidenschaft widmeten, war die deutsche Friedensaktivistin und Frauenrechtlerin Clara Zetkin, eine Generation älter als Luxemburg. Beide Frauen waren eng befreundet.
1897 zog Rosa Luxemburg nach Deutschland, ab 1898 lebte sie an der Cuxhavener Straße 2 im Hansaviertel. Sie stieg zur wortgewaltigen Anführerin und Stichwortgeberin des linken Flügels innerhalb der SPD auf. Als wortgewandte Wahlkämpferin errang sie in traditionell konservativen Wahlkreisen Reichstagsmandate für die sozialdemokratische Partei.
Liebknecht und Luxemburg: Märtyrer der KPD
Innerhalb der SPD forderte Rosa Luxemburg ein Festhalten an dem Fernziel Sozialrevolution, ganz im Gegensatz zu ihrem Widersacher Eduard Bernstein, der sich für Reformen aussprach und für einen parlamentarischen Weg votierte.
Mit starken Reden und engagierten Texten, später auch als Redakteurin und Chefredakteurin wichtiger linker Zeitungen, stritt sie vehement für die revolutionäre Tradition der Sozialdemokratie. Sie setzte auf das internationale Proletariat und die Wirkungsmacht des Massenstreiks als politische Waffe.
Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs, der Novemberrevolution und dem Sturz der Monarchie, gründete Rosa Luxemburg gemeinsam mit anderen Spartakisten, darunter Karl Liebknecht, am 1. Januar 1919 die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD).
Die Ermordung von Rosa Luxemburg und die Folgen
Der Übergang vom Kaiserreich zur Weimarer Republik war von sozialen Unruhen, Straßenkämpfen und Radikalisierung auf beiden Seiten des politischen Spektrums gezeichnet. In Berlin kam es zu einer aufgehetzten Stimmung gegen linke Anführer, auch Rosa Luxemburg wurde bedroht und verfolgt.
Nach mehreren Haftstrafen, die sie wegen ihrer politischen Tätigkeit verbüßen musste, war ihr Gesundheitszustand schlecht, dennoch schrieb sie unermüdlich Texte und war aktiver Bestandteil der revolutionären Bewegung in Deutschland.
Am 15. Januar 1919 nahm die selbsternannte „Wilmersdorfer Bürgerwehr“ Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht in einer Wohnung in der Mannheimer Straße 27 in Wilmersdorf fest. Die Männer brachten sie zu einem Regiment der Garde-Kavallerie-Schützen-Division, einem aus der preußischen Armee entstandenem Verband, aus dem später nationalistische Freikorps hervorgingen.
Luxemburg und Liebknecht wurden verhört, gefoltert und noch am gleichen Tag ermordet. Ihre Leichen warf man in der Nähe der Lichtensteinbrücke in Tiergarten in den Landwehrkanal. Weil man die Körper nicht fand, wurden am 25. Januar leere Särge auf dem Zentralfriedhof Friedrichsfelde bestattet. An der Beerdigung nahmen mehr als 100.000 Menschen teil.
Die DDR würdigt die Kommunistin, im Westen wird noch geschwiegen
Rosa Luxemburgs Kritik am Kapitalismus, ihre Imperialismustheorie, ihr Gegenposition zum Reformismus und ihr Glaube an die proletarische Revolution machten sie zu einer kritischen und unabhängigen Denkerin, die zu Lebzeiten gehasst und gefeiert wurde. Nicht selten geriet sie auch mit linken Wortführern in Konflikt, selbst mit Lenin legte sie sich an.
Sie war eine radikale Demokratin, eine Klassenkämpferin, die sich vom Kommunismus eine bessere Welt erhoffte. Nach ihrem Tod wurde Rosa Luxemburg in den sozialistischen Staaten zu einem Mythos. Ihre Geschichte und vor allem der Mord an ihr machten sie zu einer Ikone, die man nach Belieben für die eigene Propaganda nutzen konnte.
Dabei wurde sie zwar mit rituellem Prunk geehrt, dennoch fassten die Bonzen im real existierenden Sozialismus Luxemburg mit spitzen Fingern an. Aussagen wie Luxemburgs berühmten Satz „Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden“ ließen weder Stalin noch Honecker wirklich gelten.
Der Mythos Rosa Luxemburg im Westen
Nich nur im Osten fand eine Auseinandersetzung mit Rosa Luxemburg statt. Der Mythos funktionierte weltweit – und natürlich auch in der Bundesrepublik Deutschland. Bei linken Intellektuellen und Künstlern genoss die polnische Jüdin, deren Einfluss auf die deutsche Sozialdemokratie maßgeblich war und deren tragisches Schicksal sie überlebensgroß machte, hohes Ansehen.
Die Regisseurin Margarethe von Trotta erzählt in ihrem 1986 erschienen Autorenfilm „Rosa Luxemburg“, heute würde man wohl Biopic sagen, die Geschichte der berühmten Sozialistin, die eindrucksvoll von Barbara Sukowa gespielt wird.
Gedenkstätte der Sozialisten
Einige Monate nach ihrer Ermordung wurde die Leiche von Rosa Luxemburg gefunden und schließlich regulär beerdigt. Ihre Grabstätte befand sich, neben Gräbern anderer Anführer der Arbeiterbewegung, auf dem Zentralfriedhof Friedrichsfelde. Ab 1926 stand dort das Revolutionsdenkmal, das an Luxemburg und Liebknecht erinnerte. Es wurde 1935 von den Nazis abgerissen und nicht wieder aufgebaut.
Den Platz nahm die Gedenkstätte der Sozialisten ein. 1951 ließ das SED-Regime das Denkmal mit dem markanten Satz „Die Toten mahnen uns“ als Manifestation der sozialistischen Idee errichten. Hier liegen neben den Begründern der KPD, Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg, auch DDR-Granden wie Otto Grotewohl, Walter Ulbricht und Wilhelm Pieck begraben.
Die Volksbühne und der Rosa-Luxemburg-Platz
Am direktesten prägt Rosa Luxemburg die Stadt mittendrin, unweit vom Alexanderplatz in Mitte. Der Rosa-Luxemburg-Platz, die Rosa-Luxemburg-Straße, die Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz. Rosa, Rosa, Rosa. Auch der U-Bahnhof ist nach ihr benannt.
So gehört sie zum Alltag vieler Berliner. Und dass in dem Theater auch viele sozialrevolutionäre Stücke gespielt wurden, linke Denker und Künstler dort arbeiteten und auf dem Platz davor sich bis heute linke Gruppen versammeln, schadet dem Mythos nicht. Selbst die Bundesgeschäftsstelle der Partei Die Linke befindet sich in unmittelbarer Nachbarschaft.
Denkmäler und Gedenktafeln
Zudem erinnern in Berlin aber natürlich auch die Gedenktafeln, Mahn- und Denkmäler an Rosa Luxemburg. Am Katharina-Heinroth-Ufer, nahe der Lichtensteinbrücke, die heute Rosa-Luxemburg-Steg heißt, befindet sich seit 1987 ein Denkmal zur Erinnerung an die Ermordung von Luxemburg und Liebknecht.
Eine weitere Gedenktafel am Landwehrkanal (Foto) erinnert zudem auch an die tragischen Ereignisse vom 15. Januar 1919, ebenso wie das Rosa-Luxemburg-Gymnasium in Pankow und eine Skulptur vor der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Friedrichshain.
Die Rosa-Luxemburg-Stiftung in Berlin
Alle großen Parteien in Deutschland haben parteinahe Stiftungen eingerichtet, die als Diskussionsforum und Institutionen der politischen Bildung die Parteiarbeit flankieren. Und alle diese Stiftungen sind nach deutschen Männern benannt: Konrad Adenauer (CDU), Friedrich Ebert (SPD), Friedrich Naumann (FDP) oder Heinrich Böll (Grüne), nur die parteinahe Stiftung der Partei Die Linke ist nach einer Frau benannt, die dazu noch Ausländerin und Jüdin war.
Seit 1990 entwickelte sich die Rosa-Luxemburg-Stiftung zu einer Institution, in der kritisches Denken und politische Alternativen kultiviert werden. Mit dem Projekt „Rosa150“ hat die Stiftung zum 150. Geburtstag im Jahr 2021 ein umfangreiches Programm mit Filmen, Texten und Diskussionen erarbeitet, das weiterhin online abrufbar ist.
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