Berlin leidet unter Bädermangel: Es gibt zu wenige Hallenbäder, die für die Öffentlichkeit zugänglich sind. Große Einrichtungen wie das Stadtbad Schöneberg und oder das Erlebnisbad am Kreuzberger Spreewaldplatz sind wegen Sanierungen geschlossen – und auch sonst ist die Versorgung so dünn wie fast nirgends sonst in Deutschland. Die Knappheit ist längst ein gesellschaftliches Problem. Sie hat auch mit Fehlern des Senats zu tun.
Bädermangel in Berlin, der Hochburg für kaputtgesparte Infrastruktur
Berlin, diese Hochburg für kaputtgesparte Infrastruktur, hat den nächsten Mangel hervorgebracht. Man muss dafür bloß zu einem Ort in der Nachbarschaft gehen, der eigentlich trivialer kaum sein könnte: jene Freizeitstätte, die aus den Evergreens einer kommunalen Gebrauchsarchitektur besteht. Darin finden sich Becken, zum Beispiel 25 x 10 Meter, die mit Chlorwasser gefüllt sind. Außerdem ganz viele Kacheln, ein paar Sitzgelegenheiten an den Rändern und Räume, die landläufig als Umkleiden bekannt sind. In einigen Fällen ist das Interieur auch etwas luxuriöser.
Die Rede ist vom öffentlichen Schwimmbad.
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Wer dort ins Nass springen will, etwa nach Feierabend, steht zurzeit öfters vor verriegelten Türen. Mehrere Bäder in dicht besiedelten Stadtteilen sind zurzeit wegen Sanierungen geschlossen: das Wellenbad am Spreewaldplatz in Kreuzberg, das Stadtbad Schöneberg, das Paracelsus-Bad in Reinickendorf, das Kombibad in Mariendorf. Allesamt Bassins, die in ihren Kiezen jeweils fest Größen fürs Publikum waren. Zugleich führt der Anblick von geöffneten Türen an etlichen anderen Bädern in die Irre: Dort dienen die Bahnen häufig nur den Bewegungsabläufen von Vereins- und Schulschwimmern, stunden-, manchmal gar tageweise. Man könnte auch sagen: Ein Klassiker der Daseinsfürsorge läuft trocken.
Das Fiasko ereignet sich in einer Stadt, deren Bäderlandschaft sowieso schon so dürftig ist wie kaum woanders in Deutschland. Nirgends sonst gibt es so wenige Schwimmbäder pro Kopf wie in der deutschen Hauptstadt – außer in Hamburg.
Die Unterversorgung ist eine gesellschaftliche Tragödie: Badeanstalten sind Rückzugsräume, wo sich Menschen regenerieren – körperlich und seelisch. Erst recht in einer Stadt wie Berlin, wo das Leben womöglich anstrengender ist als in Bad Oeynhausen oder Böblingen. Von Lärm über Verkehrschaos bis hin zu sozialen Verwerfungen. Bäder sind ein essenzieller Faktor für public health.
Bäder in Berlin: Der Senat hat das Problem verschlafen
Umso fataler, dass der Senat das Problem befördert hat. Indem er zu geizig gewesen ist gegenüber den Bäderbetrieben, die stadtweit allein 26 Schwimmbäder und vier Kombibäder verwalten. Wie klamm die Kassen bei diesem öffentlichen Unternehmen sind, untermauert beispielsweise diese Kennzahl: Im Dezember 2023 war ein Loch von 19 Millionen Euro vermeldet worden – auch wegen galoppierender Energiepreise.
Mit mehr Geld könnten die Bäderbetriebe die Sanierungen beschleunigen – und würden zudem mehr Ressourcen für kurzfristige Ersatzlösungen in Zeiten des Mangels anzapfen können. So lange eben, bis die Problembäder im Besitzstand herausgeputzt sind – wie das Bad am Spreewaldplatz in Kreuzberg, dessen Wiedereröffnung zurzeit aufs Jahr 2027 datiert ist. Was für eine Durststrecke! Oder so lange wie ein ersehnter Neubau noch nicht steht: das geplante Kombibad an der Wolfshagener Straße in Pankow.
Bäder in Berlin: Eine Scheinlösung in Kreuzberg
Die aktuelle Backup-Strategie wirkt planlos. Ein Sinnbild dafür: Am Prinzenbad haben sie bekanntlich einen Modulbau hochgerissen, der eigens die Verknappung im Stadtteil Kreuzberg mildern sollte. Es ist die Schrumpfversion eines Hallenbads geworden – zwischen Montag und Freitag nur bis 16 Uhr offen. Eine exklusive Angelegenheit für Rentner und junge Privatiers.
Sonst könnte womöglich die Szenerie im Sommer ein bisschen Abhilfe verschaffen – falls man sich gedulden will. So scheint es zumindest. Wenn nämlich die vielen Freibäder in Berlin rocken und Sonnenmilch, Pommes rot-weiß sowie XXL-Badetücher im Trend sind. Doch die Hoffnung ist unter Umständen trügerisch. Zumal an heißen Tagen im Juli und August ganze Massenwanderungen in Richtung Columbiabad oder Insulaner einsetzen dürften. Einlass-Stopps an den Kassenhäuschen sind programmiert.
Auf lange Sicht hilft wohl sowieso nur eine klassenkämpferische Revolte: die Vergesellschaftung von Swimming Pools – ob indoor, ob outdoor – auf den Grundstücken satter Multimillionäre in Dahlem und Grunewald. Vielleicht ist ja ein Bürgerbegehren längst in Vorbereitung.
Mehr zu den Berliner Bädern
Eine Übersicht: Das sind Berlins Hallenbäder. In den Schwimmpalästen der Stadt spiegelt sich auch jede Menge Lokalgeschichte – während am 9. November 1989 die Mauer fiel, legte beispielsweise die damalige Physikerin Angela Merkel in der Sauna der Schwimmhalle in Prenzlauer Berg die Beine hoch. Überhaupt sind Badeanstalten auch historische Orte: Wir blicken auf die Geschichte von Berliner Hallenbädern zu DDR-Zeiten.