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Domberger Brot-Werk: Die beste Sauerteigbäckerei Berlins

Das Domberger Brot-Werk hat eine handwerkliche Brotkultur zurück nach Berlin gebracht. So einzigartig wie Florian Dombergers Beutebrot und sein Butterkuchen ist aber seine Art, ein Unternehmen zu führen, findet unsere Kritikerin Anna Gyulai Gaál. Zu Besuch bei einem Quereinsteiger, bei dem nun ein Pastor, eine Filmemacherin und Geflüchtete aus Syrien in der Backstube stehen.

Richtig gutes Backhandwerk gibt es im Domberger Brot-Werk. Marianne Rennella

Florian Domberger: „Ich denke nicht, dass es zum Backen einen Meisterbrief braucht“

Wer alles in Berlins bester Sauerteigbäckerei arbeitet? Ein Dirigent, ein Architekt, syrische Geflüchtete, eine Filmemacherin, ein Pastor, ein ehemaliger Praktikant unserer Redaktion. Keine:r von ihnen hat eine Bäckerausbildung im klassischen, sehr deutschen Sinn. Alle aber backen nun klassische, manchmal sogar typisch deutsche Backwaren, die Berlin in dieser Qualität bis dato nicht kannte. Semmeln, Brezeln, Butterkuchen oder die gerühmten schwäbischen Dampfnudeln.

Florian Dombergers Beutebrot könnte man kennen. Aus dem Nobelhart & Schmutzig, dem Restaurant Richard,  dem Rocket & Basil oder dem Pars. Immer dann, wenn besonderer Wert auf die Regionalität und die Qualität der Produkte gelegt wird, ist auch der Weg zum 2016 eröffneten  Brot-Werk in der Essener Straße in Moabit nicht weit.

Dennoch soll es im Folgenden nicht ums Brot und die Brötchen gehen. Nicht um Sauerteige, die bis zu 30 Stunden gehen und deshalb bekömmlicher und sowieso schmackhafter sind. Auch nicht um die Stollen und Lebkuchen, ebenfalls aus Sauerteig, die jetzt im Dezember in der Auslage in Moabit, in der Markthalle Neun oder der Mobilen Bäckerei im Gleisdreieckspark liegen.

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Domberger Brot-Werk: Ein einzigartiges Team

Besonders an dieser besonderen Bäckerei sind nämlich auch die Menschen, die diese Brote, Semmeln und Butterkuchen backen. Quereinsteiger Florian Domberger, studierter Logistiker mit Führungspositionen in der globalen Speditionsbranche,  hat nämlich ein Faible für Menschen, die wie er über verschlungene Berufsbiografien zum Brot gekommen sind: „Wie gut ist jemand organisiert, wie interagiert er im Team? Das sind Dinge, auf die ich achte.  Erst dann schauen wir,  ob der oder die bereits mit dem Teig umgehen kann.“

Viele der besten Restaurants der Stadt kaufen ihr Brot im Domberger Brot-Werk. Foto: Makar Artemev

Diese egalitäre Einstellungspolitik hat dem Domberger Brot-Werk eine diverse Truppe engagierter Mitarbeiter:innen beschert. Bäckermeister Benjamin Tugwell stammt ursprünglich aus Los Angeles und arbeitete dort als Trucker, bevor er in Berliner Sauerteigkreisen zu einem umhergeraunten Experten avancierte und seine Leidenschaft zum Beruf machte. Ein anderer Bäcker, Mo Al Ahmad Al Mabruk, war Elektriker in Syrien und verlor in einem Bombenangriff seine linke Hand. Quereinsteigerin Miriam Tröscher hat eigentlich einen Dokumentarfilm über Brot gedreht – und nun selbst vor, irgendwann eine eigene Handwerksbäckerei auf dem Land zu eröffnen. Bäcker Yong Ho Chung ist eigentlich evangelischer Pastor.

Dennoch mag Florian Domberger den Bäckerberuf nicht verklären: „Gerade unter großstädtischen Foodies wird da viel romantisiert. Körperlich ist es aber schwere Arbeit, 25-kg-Säcke tragen, Teig kneten, Teig heben, das muss man wollen und letztlich auch können.“  Weshalb  manch euphorisch gestartete Bäcker:innenkarriere nicht über die vierzehntägige Probezeit hinausgekommen ist.

Aber natürlich bleiben die meisten, oft über Jahre hinweg. Der Fachkräftemangel vieler konventioneller Bäckereien ist dem Brot-Werk fremd. Die einen kommen, weil sie nach einer Backstube suchen, in der wieder handwerklich und radikal ehrlich gearbeitet wird. Ohne Fertigteigmischungen aus der chemischen Lebensmittelindustrie. Andere sind Enthusiasten, die irgendwann ihr Hobby zum Beruf machen wollen. Manche kommen, um während eines Praktikums ein paar Tricks zu lernen – und fragen am Ende nach einer Vollzeitbeschäftigung.

Domberger Brot-Werk: Endlich wieder handwerkliche Brotkultur

„Ich denke nicht, dass es zum Backen  den Meisterbrief braucht“, sagt Florian Domberger. Und setzt der oft an den Interessen von Industrie und Großbetrieben ausgerichteten Ausbildung sein klar konturiertes Wertesystem entgegen: „Gute Grundprodukte, ehrliches Handwerk, die Nutzung sauberer Energien und die richtige Einstellung zum Produkt und zu den Kund:innen.“  Alle Mitarbeiter:innen arbeiten auch deshalb sowohl im Verkauf als auch in der Backstube.

Einzigartig: Florian Dombergers Art, ein Unternehmen zu führen. Foto: Makar Artemev

Noch ein wichtiger Begriff fällt: Fehlerkultur: „Menschen sollten dazu ermutigt werden, selbst Lösungen zu finden, wenn etwas vermasselt worden ist. Was ich als Unternehmer also vor allem leisten muss, ist Menschen diesen Raum zum Wachsen zu geben.“  In der Ausbildung, also der Bildung von Menschen, sieht Florian Domberger den Wesenskern des Unternehmertums.

In vier, vielleicht fünf Jahren, will er das Brot-Werk verkaufen, am liebsten an Mitarbeiter:innen aus seinem Team: „Ich habe dann genug von Berlin – zu  laut, zu voll, zu aggressiv.“ Domberger zieht es zurück in seine Heimatstadt Augsburg, „zudem planen meine Frau Vanessa und ich, viel Zeit in ihrer Heimat Malaysia zu verbringen.“ Bis dahin aber wird der gewesene Speditionskaufmann noch viele Beutebrote durch Berlin radeln, mit dem Lastenrad, ohne elektrische Unterstützung. Und er wird weiter in seine Mitarbeiter:innen investieren – und damit in eine Stadt, in der man wieder schmecken kann, was ehrliches Lebensmittelhandwerk ist.

  • Domberger Brot-Werk Essener Str. 11, Moabit, Mo 15.30-18 Uhr, Di–Fr 8–18 Uhr, Sa 8–13, Uhr, weitere, teils mobile Backstuben in der Markthalle Neun, Eisenbahnstr. 42/43, Kreuzberg, Luckenwalder Str. 6b (im Park am Gleisdreieck), Kreuzberg, und Ziekowstr. 112, Tegel, online

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