Philippe Garrel ist der Experte für das Intime im französischen Kino. In „Le grand chariot“ versammelt er seine drei leiblichen Kinder, die in der Geschichte einer Puppenspieler-Familie auftreten.
Erbe und Last: Das Puppenspiel in „Le grand chariot“
Und wenn die Welt rings um uns herum zusammenbricht, gibt es doch immer diesen eine, vermeintlich sicheren Zufluchtsort: die Familie. Oder etwa nicht? Seit vielen Jahren leitet der Vater (Aurélien Recoing) mit großer Hingabe ein fahrbares Puppentheater. Ihm zur Seite stehen sein Sohn Louis (Louis Garrel) und die beiden Töchter Martha (Esther Garrel) und Lena (Lena Garrel). Ebenfalls mit an Bord: die Großmutter (Francine Bergé), die als Altlinke immer eine kämpferische Anekdote parat hat. Neu im Family Business: Pieter (Damien Mongin), der eigentlich Maler ist und den Job als Puppenspieler nur vorübergehend machen will. Aber der Vater spürt, dass ihn langsam die Kräfte verlassen, und er bietet Pieter eine Festanstellung an, dieser willigt ein.
Doch dann geschieht die Katastrophe: Mitten in einer Aufführung bricht der Vater zusammen und stirbt. Wie soll es nun weitergehen? Die drei Kinder fühlen sich verpflichtet, das Familienerbe weiterzuführen, aber vor allem Louis spürt, dass die Puppenspielerei nicht wirklich seine Leidenschaft ist, er möchte gerne Schauspieler werden. Pieter hat sich inzwischen von seiner Freundin Hélène (Mathilde Weil) getrennt, und das, obwohl sie gerade das gemeinsame Kind zur Welt gebracht hat. Als Louis Hélène kennenlernt, fühlt er sich stark zu der jungen Mutter hingezogen. Währenddessen werden die Demenzschübe der Großmutter immer stärker.
Philippe Garrel vereint in „Le grand chariot“ seine Kinder vor der Kamera
Philippe Garrel, der das Drehbuch zu „Le grand chariot“ zusammen mit seiner Frau Caroline Deruas-Garrel, Arlette Langmann und der 2021 verstorbenen Drehbuch-Ikone Jean-Claude Carrière („Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins“) geschrieben hat, hat zum ersten Mal alle seine drei Kinder vor seiner Kamera vereint. Da ist es nicht verwunderlich, dass sich sein Film um das Thema Familie kreist: um Liebe und Geborgenheit, um Zusammenhalt und Vertrauen. Aber auch darum, dass es sich bei einem Familienunternehmen auch um eine Last handeln kann. Der verstorbene Vater hat seinen Kindern nämlich einen „großen Wagen“ hinterlassen, und die Zurückgebliebenen müssen sich darüber klar werden, ob sie die Last des Karrens weiter schleppen wollen. Allerdings ist dies alles so beiläufig inszeniert, das ein echtes Mitgefühl für die Familienbande trotz guter darstellerischer Leistung nicht so recht aufkommen mag. Martin Schwarz
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