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Poesiefilm 

Der Berliner Veit Helmer erzählt mit viel Esprit „Vom Lokführer, der die Liebe suchte“

Berlinale 1995: Im Programm des Pano­ramas läuft der Kurzfilm „Sur­prise“, der schon deshalb heraussticht, weil sich der damals 26-jährige Regisseur Veit Helmer die Mühe gemacht hat, seinen Film Frame für Frame nachzukolorieren. Bereits da ist er zu spüren, der helmersche Spirit: Scheiß auf den Alltag, pure Poesie muss her! In „Surprise“ steht für dieses verspielte „Bigger than Reality“ ein junger Mann (Max Tidof), der viele miteinander verzahnte Mechanismen zusammengebastelt hat, um seiner Freundin ein außergewöhnliches Frühstück zu kredenzen. Und schon hier kommt der gebürtige Hannoveraner Helmer ohne ein Wort Dialog aus.

Neue Visionen

Nach seinem Studium an der Filmhochschule in München kann der Jungfilmer dann 1999 sein Langfilmdebüt vorlegen: Der international gefeierte „Tuvalu“ kommt ebenfalls fast ohne Dialoge aus und erinnert in seiner Ästhetik ein wenig an Stummfilme. Vor 20 Jahren bereits mit von der Partie: der Franzose Denis Lavant, gefeierter Star aus „Die Liebenden von Pont-Neuf“ (1991) mit einer ­Vorliebe für schauspielerische Herausforderungen. Lavant hat auch jetzt wieder eine Nebenrolle in „Vom Lokführer, der die Liebe suchte…“. Denn das ist einer der großen Vorzüge des dialogfreien Spielfilms (neben dem Wegfallen von lästigen Synchronisationen oder Untertitelungen): Die Akteure können von überall her kommen; also geben der Serbe Miki Manojlović und der Franzose Lavant einen Lokführer und seinen Gehilfen, ­neben der Russin Chulpan Khamatova, der Rumänin Maia Morgenstern und der Spanierin Paz Vega.

Die aserbaidschanische Hauptstadt Baku: Dort verlaufen im Stadtteil Schanghai die Bahnschienen so nah an den Häusern, dass sich die Bewohner in Sicherheit bringen müssen, wenn wieder ein Zug durchfährt; ansonsten nutzen sie das Gleisbett als Lebensraum. Im Zentrum stehen Lokführer Nurlan und sein Assistent. Die reißen bei der Fahrt durch die enge Gasse regelmäßig Kleidungsstücke der Anlieger mit dem Zug mit. Nurlan hat es sich zur Gewohnheit gemacht, den Einheimischen nach ­Feierabend ihre Dinge zurückzubringen. Am Tag vor der Pensionierung pflückt er ein besonderes Teil mit seiner Lok auf: einen edlen BH, hellblau, mit weißer Spitze. Doch wem gehört das kostbare Stück? Die Suche nach der Besitzerin wird für Nurlan zur Obsession: Er nistet sich in einem ­nahen Hotel ein und beginnt die Häuser am Gleis abzuklappern nach der ganz sicher wunderschönen Frau, der der BH passt – Aschenputtel lässt schön grüßen. Und dann sind da noch Aziz (Ismail Quluzade), jener Junge, der die Menschen warnt, bevor wieder ein Zug durchfährt, und die Weichenstellerin Nesrin (Chulpan Khamatova).

Es ist eine Freude, dem bunten Treiben in dieser märchenhaften Szenerie zuzuschauen, zu beobachten, wie Helmer ohne ein gesprochenes Wort seine hübsche Geschichte vorantreibt und dabei nie den erzählerischen Faden verliert. Grimmsche Märchen standen hier ebenso Pate wie ein Jacques Tati oder die heitere Melancholie eines Buster Keaton – der kam ja auch ganz ohne Worte aus. Und so baut Veit Helmer weiter seine Stellung als Solitär im deutschen Film aus – weit weg von simplen Beziehungskomödien oder herben Alltagsdramen.

Vom Lokführer, der die Liebe suchte D 2018, 90 Min., R: Veit Helmer, D: Miki Manojlović, Denis Lavant, Chulpan Khamatova, Ismail Quluzade, Start: 7.3. 

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