„Chantal im Märchenland“, so heißt der neue Film, in dem Jella Haase erneut in ihre „Fack Ju Göhte“-Rolle schlüpft – und durch einen Zauberspiegel in eine magische Welt reist. Mit einer großartigen Performance trägt sie die Sitten einer heutigen „bitch“ in die Welt der Ritter und Prinzessinnen.
„Chantal im Märchenland“: Chantal Ackermann ist jetzt Influencerin
Das Letzte, was wir 2017 von Chantal Ackermann gehört haben, das war, dass sie als Journalistin für die Zeitschrift „Cosmopolitan“ zu arbeiten begann. Da geht natürlich noch mehr, denn Absolventinnen der Goethe-Gesamtschule sind auf dem Arbeitsmarkt sehr begehrt. Sie haben schließlich bei Zeki Müller studiert, dem besten Pädagogen Deutschlands. Und sie können mit dem Schub von drei Kinoblockbustern weitermachen: Chantal Ackermann war eine der Hauptfiguren in der „Fack Ju Göhte“-Trilogie. Jella Haase wurde mit der Figur zu einem Superstar.
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Und jetzt ist sie wieder da, und siehe da, sie hat einen Beruf, der jeden Journalismus alt aussehen lässt: Chanti ist Influencerin. Dummerweise folgen ihr noch nicht allzu viele Leute, aber vielleicht hat sie ja das mit dem Einfluss auch ein wenig missverstanden. Sie benimmt sich nämlich so, als wäre sie vor allem selbst unter dem Einfluss der Apps, auf denen sie ihre Karriere zu starten versucht. Wenn Chanti nicht aufpasst, dann endet sie als Social Media-Zombie. Zum Glück nimmt ihre Geschichte eine märchenhafte Wendung: Sie plumpst durch einen Zauberspiegel in eine magische Welt.
„Chantal im Märchenland“ ist keine direkte „Fack Ju Göhte“-Fortsetzung
„Chantal im Märchenland“ heißt der neuen Film von Bora Dagtekin. Keine direkte Fortsetzung von „Fack Ju Göhte“, eher so etwas wie ein Outbranch, wie man das in der Serienwelt nennen würde. Chantal und ihre Freundin Zeynep (Gizem Emre) bekommen ein neues Format.
Hinter dem Spiegel tut sich die phantastische Welt des modernen Märchenkinos auf: Brüder Grimm, Tausendundeine Nacht, sogar ein bisschen Artusmythos. Alles das, was der amerikanische Disney-Konzern seit Jahrzehnten routiniert für seine Dornröschens, Schneewittchens und Eisköniginnen plündert, steht nun auch dem deutschen Kino und seinen Spezialeffektabteilungen offen. Sogar einen Drachenritt gibt es: Chanti ist die neue Khaleesi.
Bei Bora Dagtekin hat das magische Land aber eine besondere Pointe: Es ist die Kehrseite des „elektrischen“ Lands, in dem wir alle leben. Und es gibt ein paar Übergänge. Denn Chanti schafft es in der seltsam altmodischen Welt des Wunderlands sogar, an ein aufklappbares Handy zu kommen – sie braucht es als Waffe.
Irgendwann wird Chantal Ackermann noch Präsidentin
Jella Haase hält „Chantal im Märchenland“ mehr oder weniger im Alleingang auf Kurs, mit einer großartigen Performance trägt sie die Sitten einer heutigen „bitch“ in die Welt der Ritter und Prinzessinnen. Das satirische Abklappern von Motiven ist eindeutig von einem progressiven Geist geprägt, im Regelfall steigen die Männer nicht so gut aus, während das Märchenland zu einer Sache von Frauenpower wird. Die hauptsächliche Power kommt dabei aus Chantis Mund: Sie spricht die „schnurrige Geheimsprache“, die heute jugendlicher Alltag ist. Wenn das so weiter geht mit ihrer furiosen Bildungsgeschichte, wird Chantal Ackerman irgendwann noch Präsidentin. Zumindest von TikTokistan.
Labyrinthisches Vexierspiel: Der argentinische Film „Die Missetäter“ in der Kritik. Ein Kafka-Film in den Kinos: Wir sprachen mit Sabin Tambrea über „Die Herrlichkeit des Lebens“. Das Thema ist Wahrheit: Ein Gespräch mit „Das Lehrerzimmer“-Regisseur İlker Çatak. Queeres Märchen in Georgien: „Gondola“ von Veit Helmer – die Filmkritik. Paradies Auschwitz: „The Zone of Interest“ mit Sandra Hüller in der Filmkritik. Euch fehlt der Überblick über die Berliner Filmfestivals? Die besten Festivals übers Jahr verteilt haben wir hier zusammengetragen. Was läuft sonst gerade? Hier ist das aktuelle Kinoprogramm für Berlin. Mehr aus der Filmwelt lest ihr in unserer Kino-Rubrik.