Clubkultur

Inklusive Partys in Berlin: Das Nachtleben ist für alle da

Die Partyreihe Spaceship im Mensch Meier gehört zu den Vorreitern des inklusiven Nachtlebens. Alle drei Monate treffen sich Menschen mit und ohne Behinderung zum gemeinsamen Feiern in Prenzlauer Berg. Hierbei geht es nicht nur um Spaß, sondern aktive Mitgestaltung am Clubbetrieb. Die nächste Ausgabe findet am 17. September statt. Es braucht aber noch mehr inklusive Partys wie die Spaceship, um das Berliner Nachtleben für alle Menschen zu öffnen.

Inklusive Partys wie die Spaceship wird es noch lange brauchen: Je mehr umso besser! Foto: Tim Zimmermann

Inklusive Partys in Berlin: „Die Einlasssituation bleibt das Problem“

Eine nicht enden wollende Menschenkette schlängelt sich um ein Industrieüberbleibsel. Bässe und Beats versprechen ein Paradies der Ektase. Jetzt nur noch den Blicken des Türpersonals standhalten und ab durch die kleine Metalltür. Eintauchen ins Berliner Nachtleben. „Die Einlasssituation bleibt das Problem“, sagt Heilerziehungspfleger Markus Lau, „da endet der Abend früh, wenn man nicht ins Bild passt.“

Seit 2015 leitet er die Freizeitabteilung der Lebenshilfe Berlin und organisiert inklusive Veranstaltungen und Workshops. Sein Stolz ist die Spaceship im Mensch Meier, „eine Partyreihe für Menschen mit und ohne Behinderung – auf der Bühne, an den Decks oder auf der Tanzfläche!“, wie es auf der Facebook-Seite heißt.

Besucher bei der Spaceship im Mensch Meier. Foto: Tim Zimmermann

Die erste Spaceship fand 2016 statt. Eine Eigeninitiative von Felix Halischafsky. Für die zweite Ausgabe stieg Markus Lau mit in die Planung und Durchführung ein. Aktion Mensch fördert die Partyreihe seither. Dank der Unterstützung liegt der Eintrittspreis bis heute bei zwei Euro. Denn auch finanzielle Hürden verhindern Inklusion.

Szene-Größen legen bei der Spaceship auf

Alle drei Monate landet das Spaceship im Prenzlauer Berg. In einem geschützten Rahmen feiern von 18 bis 23 Uhr Menschen im Rollstuhl, Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen, Betreuer:innen, Kollektiv-Mitglieder und „Leute, die halt einfach Bock auf gute Musik haben“, wie Markus Lau erzählt.

Das Booking sei das Geheimnis. Hinter den Plattentellern standen schon Szene-Größen wie DJ Supermarkt und DJ Flush. Letzterer habe direkt nach einer Afterhour bei der Spaceship aufgelegt. „18 Uhr, so eine unglaubliche Stimmung, wie geil ist das denn“, soll er geschwärmt haben. Auch das Mensch-Meier-Kollektiv sei begeistert und auch privat immer gerne dabei. 

„Wir veranstalten einfach eine gute Party, die in eine andere Party übergeht“, sagt Lau. Nach der Spaceship kann ohne Aufpreis weitergefeiert werden. So vermischt sich das Publikum. „Inklusion kann auch außerhalb eines geschützten Rahmens funktionieren, sagt er. 

Die Spaceship gehört zu den Vorreitern inklusiver Feierkultur in Berlin. Foto: Tim Zimmermann

Inklusive Partys in Berlin: Interaktion und Partizipation

Partys für Menschen mit Behinderungen sind nicht gleich inklusiv. Die Lebenshilfe veranstaltet unter Zuwendung des Senats auch Diskotheken in sozialen Einrichtungen. „Das ist auch wichtig“, sagt Lau, „viele Leute wollen nicht in einen dunklen, lauten Club, sondern lieber Schlager im Gemeinschaftszimmer hören.“ Die Leute, die sich ins Nachtleben stürzen möchten, ohne Angst haben zu müssen, gehen auf die Spacehip. „Viele von ihnen bleiben und feiern bis zum Morgengrauen“, sagt Lau. 

Noch wichtiger als das Feiern ist jedoch die Interaktion und Partizipation. So spielen auf jeder Party Künstler:innen mit Beeinträchtigungen. „Die Leute besuchen keine Party, sondern machen eine Party“, sagt Lau. Er erinnere sich an einen Klienten aus der Lebenshilfe, der plötzlich hinterm DJ-Pult seine CDs abspielte. Daraufhin habe Lau ihn eingeladen, offiziell und für eine Gage bei der Spaceship aufzutreten. Wenige Monate später stand DJ Micha auf dem Flyer.  

Nicht nur Menschen mit Behinderungen werden im Berliner Nachtleben oftmals ausgegrenzt. Generell muss das Nachtleben inklusiver werden. Foto: Tim Zimmermann

Auch Projekte wie Ick mach Welle!, bei dem Menschen mit Behinderungen elektronische Musik machen, oder das inklusive DJ-Kollektiv Supa Star Soundsystem bespielen das Mensch Meier. Das Programm reicht von Techno über Punk bis zum queeren Schlager. An den kostenlosen Foto- und Siebdruckstationen, Schmink- und Basteltischen, Spielständen, bei Jam-Sessions und Workshops können sich die Besucher:innen kreativ austoben. 

„Aus wir gehen in den Club machen wir: Es wird mein Club“

„Wir wollen die Partizipation jetzt auf ganz große Füße stellen“, sagt Lau. So sollen Menschen mit Behinderungen nicht nur als Gast oder Künstler:in teilnehmen, sondern eine tragende Rolle im Clubbetrieb einnehmen. Tür, Garderobe, Bar: Alle neuralgischen Stellen des Meiers sollen inklusiv besetzt werden. „Aus wir gehen in den Club machen wir: Es wird mein Club“, sagt er. 

Die nächste Spaceship findet am 17. September statt. Foto: Tim Zimmermann

Die Spaceship kommt aus der Zukunft. So inklusiv, wie sich das Berliner Nachtleben gerne präsentiert, ist es noch lange nicht. „Es gibt viel Offenheit und Zuspruch“, sagt Lau, „aber wie sieht’s dann wirklich aus, wenn man im Rollstuhl in der Schlange steht?“ Viele Clubs sind inzwischen barrierefrei ausgebaut. „Eine Rampe heißt aber nicht gleich Inklusion“, sagt er, „Toleranz und Akzeptanz gegenüber allen Menschen muss Normalität werden.“ 

Neben Behinderungen entscheiden oftmals immer noch Hautfarbe, Herkunft, Geschlecht, Sexualität oder Kleidungsstil über den Einlass. Inklusive Partys wie die Spaceship wird es noch lange brauchen: „Umso mehr umso besser“, sagt Lau, „liebe Diebe, kommt und klaut unser Konzept!“ 

DJ Locati: „Die Leute sollen einfach Spaß haben und tanzen“

Am 17. September findet die nächste Spaceship statt. Auch Uwe Locati, Musiker und Klient der Lebenshilfe, freut sich schon. Mit Ick mach Welle! stand er auf der Meier-Bühne. Durch das inklusive Techno-Projekt entdeckte er vor wenigen Jahren seine Liebe für Synthesizer.

Inzwischen tourt der Clubgänger auch als DJ durch das Berliner Nachtleben, spielt im About Blank und auf dem Krake Festival. Resident Advisor feiert ihn als „seltenes Ausnahmetalent.“ Locati sagt: „Ich bin sehr dankbar für all die Chancen.“ Die „Hilfsbereitschaft, Offenheit und Freundlichkeit“ auf der Spaceship wünsche er sich an jedem Ort: „Die Leute sollen einfach Spaß haben und tanzen, alle, immer und überall.“

  • Mensch Meier Storkower Straße 121, Prenzlauer Berg, Spaceship: alle drei Monate, nächster Termin Sa 17.9., 18 Uhr, Tickets 2 €, Infos auf der Mensch-Meier-Seite, auf Facebook und bei der Lebenshilfe.

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