Friedrichshain ist ein Siedepunkt des Berliner Nachtlebens – auch, weil sich der Stadtteil trotz Gentrifizierung ein Stück alte Seele bewahrt hat. Aktuell kündigen sich mit dem Edge East Side, besser bekannt als Amazon-Tower, der Bebauung des RAW-Geländes, dem Ostkreuz-Campus und dem geplanten 17. Bauabschnitt der A 100 massive Veränderungen und Verdrängungen an.
Immerhin halten sich About Blank, Berghain, Yaam und viele weitere Trink- und Tanzstätten weiterhin im Szenestadtteil. In diesem Text nehmen wir euch mit auf eine Reise durch das Nachtleben von Friedrichshain und hoffen, dass uns dieses noch eine Weile erhalten bleibt.
Untrennbar verbunden mit dem Nachtleben in Friedrichshain: das RAW-Gelände
Alte Backsteingebäude, unzählige Schichten Graffitis und ein Gelände, über das die Nachtschwärmer durcheinander laufen wie Ameisen: besoffene Touris, Druffis, die schon viel zu lange nicht zu Hause waren und Trauben von Menschen, die Drogen von minderer Qualität verkaufen. Gedämpfte Bässe und der Geruch von Frittiertem in der Luft: das ist das RAW-Gelände. Das Areal der ehemaligen königlichen preußischen Eisenbahnwerkstatt ist bei Friedrichshainer:innen gleichermaßen gehasst und geliebt, als niveauloser Touri-Hotspot verschrien und doch so wichtig, dass alle Versuche, das Gelände platt zu machen, auf erbitterten Protest stießen.
Denn so sehr das Publikum auch nerven mag, wenn man in den angrenzenden Straßen wohnt, gehört das RAW-Gelände doch zu Friedrichshain und zwar genau so, wie es ist. Außerdem haben viele wahrscheinlich schon unvergessliche Abende dort verbracht: im Crack Bellmer, im Badehaus, im Suicide Club. Oder vielleicht auch ein nächtliches gutes Gespräch mit Tourist:innen geführt. All das spricht dafür, eine lange Nacht in Friedrichshain auf dem RAW-Gelände zu beginnen.
Doch das RAW-Gelände steht nach vielen gescheiterten Investorenträumen nun wirklich vor der Bebauung. Die Kurth-Gruppe hat 2015 einen Großteil des Geländes erworben und plant nun eine Umstrukturierung. So soll das Gelände mit Neubauten aufgewertet werden. Unter anderem mit einem hundert Meter hohen Büroturm an der Ecke Warschauer Straße/Stadtbahn. Das „soziokulturelle L“ an der Revaler Straße, das in seiner Vielschichtigkeit das Herzstück des RAW-Geländes darstellt, soll allerdings erhalten bleiben. Warum die Bebauungspläne für das RAW trotzdem den Kiez verderben könnten, erklärt Carsten Joost.
Berghain
Vom RAW-Gelände aus ist es nicht weit zu dem Club, der von allen Berliner Clubs wohl die meisten Titel gesammelt hat: Berghain. Vor dem wohl berühmtesten Club Europas stehen sich die Leute die Beine in den Bauch, nicht selten stundenlang – um dann oft doch nur zu hören zu bekommen: „Heute leider nicht“. Wer jedoch hineinkommt, wird belohnt mit einer perfekt austarierten Anlage, einem Sound, der begeistert und einen in ferne Sphären schießt und einem Publikum, das den Alltag an der Garderobe gegen Exzess und Ekstase getauscht hat – so wie den Pulli gegen das Netzhemd.
Wer nicht hereinkommt, muss sich damit abfinden. Und mag sich vielleicht damit zufrieden geben, eine Parade von exzentrischen Trendsetter:innen, aufgeregten Typen und Tussis in schlechten Outfits und unzähligen Menschen mit schwarzen T-Shirts und versteinerten Mienen gesehen zu haben. Ein paar Tipps, die einem helfen könnten, ins Berghain zu kommen, haben wir aber doch.
Nachtleben in Friedrichshain: Simon-Dach-Straße und Boxhagener Platz
Zum Leidwesen einiger Anwohner:innen und zur Freude von denen, die nicht nur gediegenes Abendprogramm mögen, sind die gesamte Simon-Dach-Straße und der angrenzende Boxhagener Platz abends laute, volle Orte, an denen sich sehr gut das Wochenende einläuten lässt. In einem der vielen Restaurants von so ziemlich jeder kulinarischer Richtung kann man dafür zuerst eine Grundlage schaffen und dabei, wenn man den Laden und das Gericht weise wählt, den ersten rauschhaften Höhepunkt des Wochenendes erleben. Danach bieten sich an: ein paar Späti-Biere auf dem Boxi, ein paar Drinks im Berndhain oder im Himmelreich auf der Simon-Dach-Straße.
Oder ein Stück weiter im Süß war Gestern an der Wühlischstraße, ein angenehm unprätentiöser Laden mit herrlich heruntergerockten Möbeln und Ziegelwänden. Dort legen meistens auch DJs auf und man kann tanzen.
About Blank
Heruntergerockt, besprayed, mit speckigen Ledersofas in den Chill-Bereichen und einem großen „Nie-wieder-Deutschland“-Denkmal im Garten: Das About Blank ist ein Autonomen-Techno-Club, wie er im Buche steht. Bekannte Party-Reihen wie die Staub oder die Prizm sind im Blank zu Hause. Der Garten des Clubs ist eine Oase, in der das Kollektiv einen beeindruckenden Dancefloor zwischen die Bäume gebaut hat.
Leider gab es im Sommer 2021 Ärger um den Club. Wegen seiner Haltung zum Israel-Palästina-Konflikt hat sich die legendäre Buttons-Partyreihe zurückgezogen und veranstaltet nun nicht mehr dort, und auch die WET, eine der wenigen Partyreihen, die sich dezidiert an Frauen und Transpersonen richtet, zog sich nach Druck aus den sozialen Medien zurück.
In anderen Hinsichten bleibt das Blank jedoch eine wichtige Institutionen im Friedrichshainer Laskerkiez, an dem die Gentrifizierung endgültig angekommen ist. Rund um den Club entstehen Luxusbauten. Das prominenteste Projekt ist der umstrittene Ostkreuz-Campus. Die benachbarte Kultur- und Kiezstätte Zukunft am Ostkreuz steht kurz vor der Verdrängung. Und als größte Bedrohung kündigt sich der 17. Bauabschnitt der A 100 an, der neben Renate und Else auch das Blank platt machen könnte. Doch der linke Club wehrt sich. “Wir verstehen uns als Barrikade”, sagt Sulu vom Blank, “Wir wollen ein Schandfleck sein in einer sauberen Stadt.”
Kulturhaus Kili und OXI Garten
Schon fast in der Victoriastadt versteckt zwischen Bahnschienen und Plattenbauten sind das Kulturhaus Kili und der Oxi Garten. Wenn man es genau nimmt, befindet sich der Oxi Garten sogar in Lichtenberg. Das spielt eine Rolle, weil der Club Ärger mit Nachbar:innen und deswegen auch mit dem Bezirksamt Lichtenberg hatte – und die Outdoor-Raves bis auf Weiteres einstellen musste. Auch das Kili ist bekannt für gute Partys – von denen viele oft halb privat, halb öffentlich sind. Das Gute: Sie finden drinnen statt, sodass das Kili, obwohl es direkt neben dem Oxi Garten liegt, nicht mit gleichen Lärmproblemen konfrontiert ist.
Mal kein Techno: Im Yaam läuft Reggae, Hip Hop und Afrobeat
Techno und andere elektronische Tanzmusik dominiert das Nachtleben in Berlin und in Friedrichshain. Aber es gibt auch noch einige wenige andere Standorte, die die Fackel für andere Musik hochhalten. Einige spielen Mainstream-Musik, andere bedienen etwas abseitigere Musik. Das Yaam (steht für Young African Art Market), direkt an der Spree an der Schillingbrücke gelegen, bedient Musikrichtungen, die ihre Hochzeit zwar vor einigen Jahren hatten, aber nach wie vor ein treues Publikum haben: Reggae, HipHop, Dub und Afrobeat. Konzerte aber auch Clubnächte.
Außerdem gibt es einen tollen Außenbereich mit Strand und Biergarten und vorne am Eingang einen Bereich mit tollem westafrikanischen Essen. Das Yaam bleibt standhaft in Friedrichshain. Allerdings ist die Konzerthalle aktuell aufgrund eines Statikproblems momentan gesperrt. Immerhin gehts dafür auf dem großen Outdoor-Areal normal weiter.
Nachtleben in Friedrichshain: Kater Blau, Holzmarkt und Wilde Renate
Bis 2011 befand sich am Friedrichshainer Ufer der Spree die legendäre Bar25. Der Nachfolger des Clubs, das Katerblau, befindet sich heute nur wenige Meter weiter. Das Katerblau, und auch der Holzmarkt nebenan mit seinem Biergarten, atmen noch den Geist der Bar25: die Bretterbuden-Ästhetik ist geblieben, die langen Partywochenenden und die Menschen, die sich zu House und Techhouse in Trance tanzen auch. Wer die Bachstelzen auf der Fusion mag, wird im Katerblau zur Wolke 7 fliegen.
Bretterbuden-Ästhetik, aber auch einen Club, der sich in einem alten Wohnhaus mit dunklen Treppenhäusern und einem Labyrinth aus kleineren und größeren Zimmern befindet, gibt es auch einige hundert Meter weiter südlich, am Rande der Halbinsel Stralau. In der Wilden Renate lässt sich die Zeit vergessen und tanzen, als gäbe es kein Morgen. Der Garten ist eine Oase mit vielen kleinen künstlerischen Details und die Musik draußen und drinnen immer gut – wenn man die Magie der Wiederholung, die elektronische Musik prägt, für sich entdeckt hat.
Gehört auch zum Nachtleben in Friedrichshain: das Matrix
Für die einen ist es ein No-Go, für die anderen ein grandioser Club: das Matrix. Das Matrix besteht aus bis zu fünf Floors und hat an 365 Tagen im Jahr geöffnet. Immer mal wieder taucht der Club bei der Scripted-Reality-Vorabendserie „Berlin Tag & Nacht“ auf. Musikalisch erwartet einen der übliche Großraumdisko-Mix aus Charts, HipHop, R’n’B, Dancehall und Schlager. Man könnte sagen, die Lage des Matrix nahe der Mercedes-Benz-Arena passt zur Musik und zum Publikum. Nicht allzu weit entfernt befindet sich auch das Berghain. Bei Berliner:innen, die etwas auf sich halten, kann die Enttäuschung, nicht ins Berghain gekommen zu sein allerdings nicht so groß sein, dass sie sich beim Matrix anstellen würden.
Die Busche, Ava Club und Monster Ronson’s
Um die Warschauer Straße gibt es nicht nur das Matrix und die Mercedes-Benz-Arena für die Massenunterhaltung. Sondern mit dem Monster Ronson’s und der Busche auch zwei Adressen für queeres Publikum einerseits und Karaoke-Fans andererseits. Die Busche gilt als eine der wenigen Adressen für lesbisches Publikum, ist aber auch beliebt bei älteren Schwulen. Der Ava Club in einem der Torbögen unter den Schienen der U1 ist eine sichere Adresse für elektronische Musik, bei dem man allerdings nicht so eine harte Tür wie in vielen anderen Berliner Clubs erwarten muss.
Mehr Friedrichshain
Mehr zum Thema Clubs findet ihr hier. Alle Geschichten zu und über Friedrichshain sammeln wir hier. Auch kulinarisch hat Friedrichshain viel zu bieten. Die besten Restaurants findet ihr hier. Friedrichshain ist spannend, doch steht vor großen Veränderungen: Riesenbauprojekte wirken sich auch auf den Stadtteil aus. Mit Veränderungen geht auch immer Verdrängung einher. Die Clubs aus den Neunzigern in Berlin sind alle verschwunden.